Ringer-Funktionär über Olympia-Aus: „Putin ist stark engagiert“

Frank Heinzelbecker, Vizepräsident der deutschen Ringer, über vereinte Anstrengungen, Ringen bei den olympischen Spielen zu belassen.

"Dieser Sport ist so großartig": Wilfried Dietrich (unten), der „Kran von Schifferstadt“, packt den Chris Taylor im Jahre 1972 Bild: dpa

Das Internationale Olympische Komitee möchte Ringen am liebsten von der Liste der olympischen Sportarten streichen. Mit dieser Nachricht schockte das IOC die Welt der Mattensportler vor Wochenfrist. Ringen ist seit 1896 beim größten Sportevent der Welt dabei. Es gehört zu den Traditionssportarten.

Im September entscheidet das IOC endgültig, ob Ringen in den Varianten griechisch-römisch und Freistil rausfliegt und durch eine von sieben neuen Sportarten ersetzt wird, dazu gehören: Baseball/Softball, Klettern und Karate, Rollschuhsport, Squash, Wakeboarden und Wushu.

taz: Herr Heinzelbecker, haben Sie den ersten Schock überwunden?

Frank Heinzelbecker: Ja, die erste Phase des Schocks ist vorbei. In den ersten Tagen waren viele von uns wie paralysiert. Aber mittlerweile wissen wir, wie es dazu gekommen ist.

Wie denn?

In erster Linie natürlich durch die Entscheidung des Exekutivkomitees des IOC. Aber auch der internationale Ringerverband Fila ist nicht ganz unschuldig. Da hat es Versäumnisse gegeben. Unterlagen wurden zum Beispiel unvollständig an das IOC geliefert. Das Ringen hat auch eigene Fehler gemacht. Das muss man eingestehen. Das rechtfertigt aber die IOC-Entscheidung in keiner Weise.

Der 41-jährige ehemalige Ringer ist als Vizepräsident des Deutschen Ringer-Bundes für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

Fila-Präsident Raphaël Martinetti aus der Schweiz ist abgesetzt worden, um das Verhältnis zum IOC zu verbessern.

Ja, die Fronten zwischen Martinetti und dem IOC waren verhärtet. Bei einer Fila-Tagung im thailändischen Phuket wurde auf Antrag des russischen Verbandspräsidenten gegen Martinetti votiert.

Russland ist sicherlich die einflussreichste Ringernation. Wenn es darum geht, die insgesamt 72 olympischen Ringermedaillen zu erkämpfen, dann sind russische Athleten stets vorn dabei.

Russland, Iran und die USA sind die großen Drei. Sie sind jetzt gefordert. Sie müssen international Druck machen.

Das tun sie bereits.

Ja, der russische Präsident Putin hat den ehemaligen Ringerstar Alexander Karelin ins Rennen geschickt. Putin ist stark engagiert. Dem Weltverband hat er die Gründung einer Kommission nahegelegt, die das Ringen retten soll. Ihr sollen der russische Sportminister und alle drei russischen IOC-Mitglieder angehören. Und die USA und der Iran haben ein Zweckbündnis zum Wohle des Ringens geschlossen. Der ehemalige Ringer Donald Rumsfeld, früher ja auch US-Verteidigungsminister, ist wohl gerade im Iran, um Allianzen zu schmieden. Die Amis sind Fighter. Insgesamt ist das Medienecho positiv. Das hilft uns sehr. In Umfragen, sei es in der FAZ oder im SWR, sprechen sich die Leute klar fürs Ringen aus. Das gibt uns Mut.

Was ist mit der Türkei, traditionell auch eine große Ringernation?

Die Türken wollen ja 2020 die olympischen Sommerspiele in Istanbul ausrichten. Es wäre absolut unvorstellbar, wenn dann keine Ringer dabei wären. Das wäre so, als würde man Paris den Eiffelturm stehlen.

Was kann der deutsche Ringerbund beitragen?

Es gibt jetzt viel Aktionismus, Initiativen, Petitionen und gut gemeinte Vorstöße. Aber wir müssen das kanalisieren, damit nichts verpufft. Am Wochenende haben wir auf einer Bundesliga-Tagung beschlossen, dass sich alle Vereine, wenn sie etwas machen wollen, mit dem Generalsekretariat des Verbandes abstimmen, egal, ob es sich um ein Plakat vor einer Kaufhalle handelt oder um Briefe, die Kinder an den Herrn Dr. Bach schicken, also den Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes.

Ringen droht ja der Rauswurf, weil es vom Fernsehen nicht mehr gemocht und von den Zuschauern kaum noch verstanden wird.

Das Ringen hat mit SportA, dem Rechtehändler von ARD und ZDF, einen Vertrag abgeschlossen. Dafür gibt es ein paar tausend Euro, aber wieviel Ringen gesendet wird, liegt in der Hand der Fernsehleute. Und zuletzt wurde es immer weniger. Die großen Momente des Ringens im Fernsehen waren doch vor Jahrzehnten, 1972, als Wilfried Dietrich, der „Kran von Schifferstadt“, den 200 Kilo schweren Amerikaner Chris Taylor schulterte oder 1984, als Pasquale Passarelli mit einer spektakulären Brücke die Niederlage im olympischen Finale verhinderte. Es gab noch viele große Momente, aber die wurden meist nicht gezeigt.

Und was ist mit der Verständlichkeit des Regelwerks?

Okay, auf den ersten Blick versteht man es nicht. Es ist schon etwas komplexer als ein 100-Meter-Lauf. Aber im Grunde ist Ringen auch nicht viel schwieriger als die Abseitsregel im Fußball. Wer die verstehen will, hat sie schnell intus. Es bräuchte halt ein paar Präsentatoren im Fernsehen, die sich fürs Ringen stark machen. Dieser Sport ist so großartig und die Ringerfeunde sind es auch.

Inwiefern?

Wir sind bodenständig, nicht versnobt oder eingebildet. Wir sind Sportskameraden und erklären jedem Menschen unseren Sport sehr gern.

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