Rheinland-Pfalz gegen Baden-Württemberg: (K)eine Brücke schlagen

Bauen oder nicht bauen? Eine Brücke sorgt für Streit: die badische Stadt Karlsruhe kämpft um eine gemeinsame Lösung.

Brücken statt Mauern bauen: In Karlsruhe streitet man über den Bau einer neuen Rheinbrücke Bild: A. Liedtke

von PAUL TOETZKE

Schon beim Fahren durch die Innenstadt Karlsruhe fällt der immense Verkehr auf. Eine Baustelle reiht sich an die nächste – Straßensanierung, Gleisausbau, Umleitungen. Für viele Berufspendler ist der Verkehr in der baden-württembergischen Stadt zum Problem geworden. Ein Großteil von ihnen kommt zudem aus den benachbarten Orten in Rheinland-Pfalz. Und nicht jeder kann auf den öffentlichen Verkehr oder das Fahrrad ausweichen.

Seit Jahren wird deshalb über eine zweite Rheinbrücke diskutiert. So soll sich der Verkehr besser verteilen und eine Sanierung der alten Brücke möglich gemacht werden. Doch nicht alle sind von der Idee begeistert. Umweltschützer und Anwohner protestieren gegen den Bau einer neuen Brücke, deren Kosten noch immer nicht klar sind. Sie fordern stattdessen einen Ausbau und eine Verbesserung des öffentlichen Verkehrs.

Gegner und Befürworter an einem Tisch

Wie geht es weiter? Kann es einen Kompromiss geben? taz.meinland war zu Besuch in Karlsruhe-Knielingen, nur unweit der umstrittenen Rheinbrücke, um mit den Menschen aus der Region über diese Fragen zu diskutieren. Im Brauhaus 2.0 versammelten sich Experten, Interessierte, jung und alt gemischt – knapp 100 Menschen insgesamt. Viele der Gäste hatten sich vorbereitet, in ihren Händen Ordner, Dokumente mit aktuellen Zahlen zum Thema – das offensichtlich immer noch für großen Andrang sorgt.

„Ist ihnen die Knoblauchkröte wichtiger als ein Kind?“

Am runden Tisch saßen sowohl Befürworter als auch Gegner einer weiteren Rheinbrücke. Schon im Vorhinein war klar: es könnte hitzig zugehen an diesem Abend. Zunächst ging es jedoch um die Frage nach einem Kompromiss. Moderator und taz.meinland-Redakteur Jann-Luca Zinser wollte von den Gästen wissen, wie eine mögliche Einigung aussehen könnte.

Eberhard Fischer vom Bündnis ProErsatzbrücke wünscht sich nördlich der alten eine Ersatzbrücke am Standort der jetzigen Brücke. Sie soll bei Bedarf, beispielsweise bei erhöhtem Verkehrsaufkommen, zugeschaltet werden können. Das sei der beste und günstigste Weg – auch für die Umwelt, so Fischer.

Die Natur steht hinten an

Steffen Weiß vom Aktionsbündnis Zweite Rheinbrücke kann sich eine Ersatzbrücke nur als Ergänzung vorstellen. Zusätzlich sei eine zweite Rheinbrücke zwischen Wörth und Karlsruhe nötig, um das erhöhte Verkehrsaufkommen zu stemmen. Armin Osterheld vom BUND Südpfalz ist gegen die zweite Rheinbrücke, denn sie würde schließlich in einem der größten Biospährenreservate Europas gebaut werden. „Das spielt hier keine Rolle“, beklagt er sich. Man diskutiere nun schon seit etwa 30 Jahren und eine Lösung sei immer noch nicht in Sicht.

Peter Hauck ist Vorsitzender der Bürgerinitiative Pro2, die auch für eine zweite Rheinbrücke kämpft, und Betriebsratvorsitzender der Mineralölraffinerie Miro. Er müsse seinen Mitarbeitern garantieren können, dass sie pünktlich zur Arbeit kommen können. Deswegen plädiert er für eine Sanierung der alten Brücke und den Bau einer weiteren.

„Das muss auch in Berlin ankommen!“

Die Runde komplett macht an diesem Abend Hartmut Weinrebe, vom BUND Mittlerer Oberrhein. Er beklagt die geringe überregionale Aufmerksamkeit für das Thema. Schließlich gebe es hier ein riesiges Artensterben von nationaler Bedeutung. Er fordert: „Das muss auch in Berlin ankommen“.

„Wenn wir weiterhin immer nur Straßen bauen, dann versagen wir bei der Energiewende.“

Schon die Eingangsrunde zeigt, wie verhärtet die Fronten sind. Doch in einem Punkt sind sich eigentlich alle einig: die öffentlichen Verkehrsverbindungen müssen verbessert werden. Eine Zuschauerin erzählt von ihren Erfahrungen. Die Straßenbahn sei fast immer verspätet und die Taktung viel zu niedrig. Das müsse gerade zu Berufszeiten optimiert werden. „Jetzt ist die Politik gefragt.“

Eberhard Fischer stimmt zu. „Wenn wir weiterhin immer nur Straßen bauen, dann versagen wir bei der Energiewende“, gibt er zu Bedenken. Das sei eine kurzsichtige Verkehrspolitik. Vielmehr müssten Radverkehrswege ausgebaut werden. Inzwischen sei man mit dem Fahrrad sowieso schneller als mit dem Auto.

Ein Mann aus dem Publikum meldet sich zu Wort. Er kommt aus Maximiliansau, dem ersten Ort in Rheinland-Pfalz hinter der Brücke. „Wir haben genug“, ruft er wütend, während seine Stimme immer lauter wird. Er wohne dort seit 28 Jahren und der Verkehr sei inzwischen unerträglich. „Oder ist ihnen die Knoblauchkröte wichtiger als ein Kind?“, fragt er mit Bezug auf den Protest von UmweltschützerInnen, die sich gegen eine zweite Rheinbrücke aufgrund von Artenschutz aussprechen.

Rheinland-Pfalz gegen Baden-Württemberg

Linksrheinische BewohnerInnen gegen rechtsrheinische, Rheinland-Pfalz gegen Baden-Württemberg – immer wieder wird dieser Konflikt deutlich. Während die pfälzische Seite bislang den Bau einer zweiten Brücke fordert, wehrt sich die badische Stadt. Doch der Druck wird größer. Immer wieder melden sich Menschen aus dem Publikum zu Wort, die von Karlsruhe auf die andere Seite gezogen sind, weil dort die Mietpreise deutlich günstiger sind. Als PendlerInnen sind sie besonders abhängig von einer guten Verbindung.

Steffen Weiß und Peter Hauck geben an, die Interessen der PendlerInnen zu vertreten. Für die sei eine weitere Brücke nötig, denn man könne nicht einfach die Schichtzeiten verändern. Peter Hauck erklärt, dass ein Transport durch LKWs für die Raffinerie unausweichlich ist. Eberhard Fischer argumentiert daraufhin, dass das Problem nicht mehr die Pendler seien. Stattdessen würden immer mehr LKWs aus den Benelux-Staaten die Brücke benutzen. „Das Ding gehört längst bemautet“, findet er.

In den Medien fehlt die Transparenz

Eine Diskussion, die sich irgendwie im Kreis dreht – und das schon seit vielen Jahren. Viele ZuhörerInnen beklagen die ungenügende Transparenz. In den lokalen Medien werde für eine zweite Brücke geworben, doch objektive Informationen bekomme man nicht. Eine junge Frau gibt an, einen Brief von Siemens bekommen zu haben, der sie aufgefordert habe, für eine weitere Brücke zu stimmen. „Dabei würde ich gern einfach ‘mal einen Brief mit Informationen zu dem Thema bekommen“, sagt sie.

„Wenn der Stau endet, ist auch die letzte Stunde der Ruhe zu Ende.“

Tatsächlich kursieren immer wieder verschiedene Zahlen und Fakten. „Wie viel würde das Ganze überhaupt kosten?“, fragt jemand. Berhard Fischer rechnet mit 150 Millionen Euro plus X. Es seien viele Fehlinformationen im Umlauf. Aber er glaubt „trotz Donald Trump an den Menschen als ein vernünftiges Wesen“. Sein Einschub sorgt für ein paar Lacher im Publikum. Steffen weiß fügt hinzu: „Wo wir gerade bei Donald Trump sind: Die Grünen hatte einmal ein tolles Plakat hier. Da stand darauf: Baut Brücken statt Mauern. Auch darum geht es.“

Alles nur für die Wirtschaft?

Doch soll eine zweite Rheinbrücke wirklich nur dem Wohl der Menschen in der Region dienen? Eberhard Fischer merkt an, dass so ein Bauvorhaben vom Bund nur genehmigt werde, wenn es eine Relevanz für das gesamtdeutsche Verkehrsaufkommen habe. Sonst dürfe der Bund so ein Projekt nicht finanzieren. Ein älterer Herr aus dem Publikum zückt ein Dokument. Einen Satz aus einem Untersuchungsbericht hat er sich fett angestrichen. Er zitiert: „Beim Bau einer zweiten Rheinbrücke geht es vor allem um die Realisierung des Just-in-time-Prinzips von Daimler Benz.“

Also doch nur alles für die Wirtschaft? Im Publikum herrschen verschiedene Meinungen. Klar ist: das Thema Rheinbrücke ist hochkomplex und eine Lösung scheint derzeit nicht in Sichtweite. Zuletzt gibt ein Zuschauer noch zu bedenken: „Es ist eine Illusion zu glauben, dass mit einer Lösung der Lärm weniger wird. Wenn der Stau endet, ist auch die letzte Stunde der Ruhe zu Ende.“