Retro-Elektrofunk aus Nigeria: Searching for Fantastic Man

William Onyeabor war Afrikas Synthie-Pionier der 70er Jahre. Jetzt wird sein Werk von Popstars wie David Byrne und Damon Albarn wiederentdeckt.

In the Moog for Love: Der Meister in seinem Maschinenpark. Bild: Luaka Bop

Die Suche nach dem verlorenen Groove ist zu einer der mächtigsten Triebfedern des Pop geworden. Und der Erfolg der Musikdoku „Searching for Sugarman“ über den verschollenen Songwriter Rodriguez aus Detroit hat gezeigt, dass es ein breites Interesse an solchen Erzählungen von vergessenen Helden gibt. Die Wiederentdeckung des William Onyeabor fügt sich in diesen Trend.

Jahrelang war David Byrnes Multikulti-Label "Luaka Bop" hinter dem nigerianischen Synthie-Pionier her, der zwischen 1977 und 1988 acht Alben veröffentlicht hatte, auf denen er sich mit seinem quietschenden und blubbernden Elektro-Funk seiner Zeit weit voraus zeigte.

Nigeria war damals ein musikalischer Hexenkessel. Von James Brown und psychedelischem Rock und Soul inspiriert, hatte sich in den Siebzigerjahren in Lagos eine Reihe von fantastischen Funk-Gruppen gebildet, die noch heute die Herzen vieler Retro-Fans höher schlagen lassen. William Onyeabor stach aus dieser Szene heraus. Er stammte aus der Stadt Enugu im Südosten des Landes, wo er ein eigenes Studio und sogar ein Plattenpresswerk besaß. Fotos aus jener Zeit zeigen ihn in seinem Maschinenpark, von Mikrofonen und Keyboards umringt.

Der Mann selbst aber blieb lange ungreifbar, von Legenden umrankt. Angeblich hatte er in Russland studiert und wollte nach seiner Rückkehr ins florierende nigerianische Filmgeschäft einsteigen. Anderen Quellen zufolge war er ein Geschäftsmann, der sein Geld mit einer Grießfabrik gemacht hat. Sicher ist nur, dass Synthesizer damals ein Luxusgut waren und kein anderer Musiker in Nigeria zu seiner Zeit über solche Möglichkeiten verfügte wie er.

Atomic Bomb: „Who is William Onyeabor?“ (Luaka Bop)

Dass Onyeabur sich in den Achtzigerjahren von der Musik lossagte und einem Leben als wiedergeborener Christ verschrieb, machte das Geheimnis um ihn nur noch größer. Sogar Anrufe blockte er bis zuletzt ab, weil er nur noch über Jesus reden wollte.

Selbstgewählte Einsiedelei

Als Luaka-Bop-Labelchef Eric Welles nach Jahren vergeblicher Bemühungen persönlich nach Enugu reiste, traf er das Enigma dort in traditioneller Igbu-Tracht in seinem riesigen Villenkomplex an, der den Glanz früherer Jahre noch erahnen ließ und vor dem eine alte Mercedes-Limousine parkte. Angeblich soll sich auf dem Dach sogar ein Hubschrauberlandeplatz befinden. Nach Monaten des guten Zuredens ließ sich Onyeabur erweichen und setzte seine Unterschrift unter den Vertrag.

Im vergangenen Jahr konnte daraufhin endlich eine Best-of-Compilation mit dem Titel „Who is William Onyeabor?“ erscheinen. Es folgte ein halbstündiger Film, der von der Jagd nach dem Phantom erzählt und den man im Netz finden kann. Fans wie Damon Albarn schwärmen darin, wie „exzentrisch, intelligent und unglaublich funky“ die Musik von Onyeabor sei.

Der nächste Schritt wäre nun gewesen, den Künstler zu einem Comeback zu überreden – wie es bei vielen anderen gut geklappt hat. Doch das scheiterte an der Totalverweigerung des Nigerianers. Also mussten sich die „Luaka-Bop“-Macher etwas anderes einfallen lassen.

Folglich riefen sie die „Atomic! Bomb Band“ ins Leben, der illustre New Yorker Szene-Nasen wie Ex-Beastie-Boys-Mitstreiter Money Mark, Kele Okerere von Bloc Party, Pat Mahoney vom LCD Soundsystem und Alexis Taylor von Hot Chip angehören. Bei ihrem Konzert in London führte Damon Albarn die Tribute-Show an, in den USA trat David Byrne mit breitem Cowboyhut in der US-TV-Show von Jimmy Fallon auf und schmetterte dort Onyeabors unwiderstehliche Flirthymne „Fantastic Man“. Mehrere Konzerte in den USA und ein neues Video sowie ein Hot Chip-Remix seines größten Hits "Atomic Bomb" folgten. Wer weiß? Vielleicht lässt sich der Gefeierte durch den Rummel ja doch noch aus seiner selbst gewählten Einsiedelei locken.

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