Reisebericht Palästina/Israel 2013: Tränen über Palästina

Impressionen einer Reise in ein geschundenes Land. Von Hans D. Gerhard, Teilnehmer der taz-Reise im April 2013.

Über dem Eingang zum Aida-Flüchtlingslager bei Bethlehem: der größte Schlüssel der Welt als Symbol des Rückkehr-Willens Bild: Barbara Staubach www.barbara-staubach.de

Kopfvoll mit Informationen bestückt, beginne ich in Jenin im Norden des Westjordanlands (Westbank) meinen Palästinatrip mit einer TAZ-Reisegruppe.

Leider ist in Deutschland eine Symmetrie der Berichterstattung über den Konfliktherd Heiliges Land nicht gegeben; im Fokus steht tendenziell meist Israel, über Palästinaerfahren wir oft nur etwas, wenn dort ein größerer Aufstand entflammt oder eine verirrte Scud-Rakete aus Gaza bei Sderot niedergeht.

Ich möchte hinter die Kulissen schauen: Sind die Israelis wirklich menschenverachtende Wesen, die nichts aus ihrer Geschichte gelernt haben und alles tun, um eine Zwei-Staaten-Lösung zu verhindern oder sind sie Menschen wie du und ich? Sind (laut einer Befragung von 520 jüdischen Schulkindern im Alter von zehn bis zwölf Jahren) die Araber wirklich in der Mehrzahl Kriminelle und Mörder, Monster mit einem Tierschwanz, grünen Haaren und einem Narbengesicht, die kein Rechtauf ihr Land haben und vertrieben oder umgebracht werden müssen oder sind sie Menschen wie du und ich?

Wir besuchen im inzwischen verstädterten Flüchtlingslager das Freedom Theatre, das mit der Agenda „Kunst gegen Besatzung“ gegründet worden war. Mit Theaterspiel, Film, Musik und vielerlei Workshops soll Jugendlichen eine Auszeit von ihrer Alltagstristesse geboten werden. Zwei Jahre nach dem ungeklärten Mord am Gründer des Theaters steckt dieses in einer Identitätskrise-auch angesichts der Widerstände konservativer Palästinenser.

Im Norden der Westbank Bild: Majdi Hadid - www.beautifulpalestine.com

In Ramallah, Hauptsitz der palästinensischen Autonomiebehörde, dem arabischen Pendant zu Tel Aviv - also einer dynamischen, pulsierenden Boomtown, wo es offener und liberaler zugeht als anderswo in der Westbank- zeigt uns der renommierte Fotograf Majdi Hadid eine informative, von der UNO erstellte Dokumentation über den Gesamtkomplex Nahostkonflikt. Sie lässt uns erahnen, wie viel Deprimierendes wir auf unserer Reise noch erfahren werden. Bei einem gemeinsamen Abendessen erzählt uns Majdi auch von einem von ihm initiierten Künstlersymposium in Ramallah, zu dem er trotz großer Probleme auch Israelis einladen konnte. Er teilt unser Erstaunen darüber, wie überrascht und desinformiert sich diese über die wahren Verhältnisse in den O.P.T. (Occupied Palestinian Territories) gezeigt hatten. Doch ist dies kein Wunder, weil die meisten Israelis kaum je die Checkpoints passiert haben - ja, gar nicht wissen wollen, was „da drüben“ vor sich geht.

Mut der Verzweiflung

Im Dorf Bil'in treffen wir Abdullah Abu-Rahma vom „Popular Committee“. Dieser Ort macht seit Jahren weltweit von sich reden durch die jeden Freitag stattfindenden, auch von israelischen und internationalen Friedensaktivisten begleiteten gewaltlosen Kundgebungen gegen die die lokalen Bauern von großen Teilen ihrer lebenswichtigen Olivenhaine und Äcker abschneidende Mauer.

Abdullah, der für sein Engagement bereits eineinhalb Jahre im Gefängnis saß, führt uns dorthin und erzählt von Leid und Tod, verursacht durch Tränengas, Hartgummigeschosse und scharfe Munition der Mauerwächter. Die vor den der Mauer vorgelagerten Stacheldrahtverhauen massenhaft herumliegenden Tränengashülsen sprechen eine beredte Sprache. Stolz fügt er aber hinzu, Bilin sei der erste Ort gewesen, der beim Obersten Gerichtshof eine Rückverlegung der Mauer erreicht habe, hinter der auf Hügelkuppen strahlendweiß die verharmlosend Siedlung genannte Stadt Modein Ilit mit ihren 43000 Einwohnern aufscheint.

Bevor Abdullah die ganze Reisegruppe in sein Haus zum Mittagessen empfängt, zeigt er uns in seinem Garten zehntausende gesammelter Tränengashülsen und einen eisernen T-Träger, in den eingesperrt, er sich vor israelische Bulldozer hatte legen lassen.

Die israelische Mauer auf dem Land der Bauern von Bil'ein; auf Grund ihres Widerstandes wurde sie 2011 einige 100 Meter näher an die jüdische Siedlung verlegt. Bild: Andreas Müller

„Papa, warum wollen die Israelis hinter einer Mauer leben?“

Beim Verlassen Ramallahs passieren wir den Checkpoint Qalandja. Die 540 Checkpoints und die Abriegelungen an den Übergängen nach Israel und in der gesamten Westbank auferlegen den Palästinensern zeitraubende, schikanöse, demütigende und oft Gefahr bringende Kontrollen. Hier, wo die Apartheid-Mauer neben spektakulären Malereien und Graffittis in eindringlichen Inschriften die Wünsche, Hoffnungen, aber auch die Verzweiflung der Palästinenser geradezu herausschreit: „We´ll tell our children, what Israel had done to us!“

Die Mauer sollte nach Aussage ihrer Erbauer eine vorübergehende Schutzeinrichtung sein. Das erinnert mich fatal an den zynischen Ausspruch eines uns Deutschen wohlbekannten Chefs eines totalitären Landes: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen!“ Dessen Mauer war allerdings nur halb so hoch wie die israelische, welche zudem mehr als doppelt so lang sein wird als die „Green Line“, die 1949-er Waffenstillstandslinie. Dies bedeutet, dass sie völkerrechtswidrig zu 85 Prozent auf konfisziertem palästinensischem Gebiet errichtet wurde und viele Siedlungen umschließt.

Die geplante Fragmentierung der Westbank durchschneidet das Agrarland der Palästinenser und behindert den Zugang zu ihren Olivenhainen, zu Schulen, Krankenhäusern, Märkten, Behörden und Moscheen. Als mir ein Araber von der Frage seines kleinen Sohnes berichtet: „Papa, warum wollen die Israelis hinter einer Mauer leben?“, erschließt sich mir der ganze kafkaeske Irrsinn dieses israelischen Konstrukts.

Ramallah, Strassencafé am Manara-Platz Bild: Barbara Staubach www.barbara-staubach.de

Das Dorf, das es gar nicht gibt

Das Westjordanland, das nur gut zwei Drittel so groß ist wie der bayerische Regierungsbezirk Unterfranken, ist seit dem Oslo-Abkommen 1993 in drei unterschiedlich verwaltete Zonen geteilt. Wir besuchen im Jordantal in der zivil und militärisch von Israel kontrollierten C-Zone das zersiedelte und von den Israelis nicht anerkannte und auf keiner ihrer Landkarten verzeichnete Dorf Jiftlik, das in seiner unbeschreiblichen Ärmlichkeit ohne Strom und Wasser auch irgendwo in der Dritten Welt liegen könnte.

Mit Nizar, einem Mitarbeiter von Medico International sitzen wir bei einem Glas Tee mit Bauern in deren Hof zusammen und bekommen bestätigt, wie gezielt und koordiniert die Israelis alles tun, um das fruchtbare und strategisch wichtige Jordantal „palästinenserfrei“ zu machen und die ansässigen Araber in dicht bevölkerte Enklaven zu verdrängen. In der Nähe von Jiftlik stehen dreisprachige Warntafeln: „Vorsicht! militärisches Übungsgelände!“

Nizar nennt uns einen anderen beliebten Vorwand zur Beschlagnahme von palästinensischem Land: Man erklärt es einfach zu einem Naturreservat. Der Anschauungsunterricht bei einem gemeinsamen Spaziergang sagt mehr als alle Worte. Gegenüber den saftiggrünen, starkstromgesicherten Weinpflanzungen israelischer Siedler fallen uns von bräunlichem Gestrüpp überwucherte Felder auf. Wem die gehören? „Uns Palästinensern“, klärt Nizar uns resigniert auf: „Die Juden lehnen jedes Gesuch zum Bau von Brunnen und Zisternen genauso ab wie den von Häusern und Stallungen."

Er führt uns zu einem von den Kontrahenten gesprengten, notgedrungen illegal errichteten Brunnen. Mehrere Jahre lang unbebautes Land fällt praktischerweise automatisch dem Staat Israel zu. Dieser leitet das Wasser des Jordan und das der Aquiferen, der Grundwasserspeicher, zu sich ab und verkauft es dann aus Tankwagen teuer an die Palästinenser, die im Schnitt pro Person täglich mit knapp 70 Litern auskommen müssen. Da lässt sich bei täglich etwa 300 Litern in den Siedlungen schon mal leicht ein Swimmingpool füllen.

Jüdische Siedlung in der Westbank in der Nähe von Bir Zeit Bild: Johannes Weber

Heute und morgen sind wir nahe bei christlichen Palästinenserfamilien untergebracht, was uns weitere aufschlussreiche Gespräche bringt und Einblicke in deren Alltag gewährt.

Permit zum Wäscheaufhängen

In Bethlehem besichtigen wir nach einem Bummel durch die sehenswerte Altstadt und einem Treff mit einer Traumatherapie-Initiative, die hier ein reiches Betätigungsfeld hat, obligatorisch die Geburtskirche, deren ursprüngliches Portal von den Kreuzfahrern verkleinert wurde, damit die Mameluken nicht zu Pferd ins Innere reiten konnten. In der winzigen Geburtsgrotte erleben wir eine von sechs Franziskanern gestaltete Andacht.

Natürlich versäumen wir nicht einen Gang zu „Anastas Haus“, das auf drei Seiten u-förmig von der reich bebilderten Mauer umschlossen ist.Claire, die Hausfrau, schildert mit Galgenhumor, dass sie bei den Besatzern zum Aufhängen ihrer Wäsche dort oben um eine Genehmigung ersuchen muss! Denn das Israelische Militär hat verboten, auf das Dach des Hauses zu gehen, damit niemand die Israelis über die Mauer hinweg beobachten kann.

Nachmittags nimmt uns die auch in Deutschland bekannte Autorin Fatma Mukarkar, die Mutter unseres Stadtführers Kamal, auf einen Hügel in ihren Garten mit, wo die Israelis gerade die Mauer quer hindurchziehen. Mit Erbitterung berichtet sie, dass sie einen palästinensischen Bulldozerfahrer zur Rede gestellt hatte, der dabei war, ihrer Familie, also Menschen seines eigenen Volkes, die Olivenbäume herauszureißen. Wer könnte sich nicht auch in diesen Mann hineinversetzen, als er antwortete: „Geben Sie mir das Geld, um meine acht Kinder durchzubringen?“ Nur eine alltägliche Demütigung.

Beit Jala - eine neue Mauer geht durch den Garten der Familie Mukarkar Bild: Barbara Staubach www.barbara-staubach.de

Müll auf Palästinenserköpfe

Es gärt in der Westbank! Nach dem Tod eines krebskranken Palästinensers, dem die Israelis im Gefängnis die medizinische Betreuung verweigert haben sollen und dem Hungerstreik anderer Gefangener werden von überallher Demonstrationen und Zusammenstöße gemeldet. In Ha´aretz lese ich, dass bereits zwei Jugendliche im Alter von 16 und 18 Jahren erschossen wurden. Und wir sind in Hebron angekommen, dem absoluten Hotspot, Ausgangspunkt der durch die Repressalien und die Separationspolitik der Israelis provozierten, oft blutigen Auseinandersetzungen - sicher die dunkelste Zeit in der Geschichte der 5500 Jahre alten Stadt.

So verschiebt sich der Fokus unseres Interesses vom Besuch der Sehenswürdigkeiten wie dem streng in Synagoge und Moschee getrennten Gotteshaus über Abrahams Grab zwangsläufig auf die aktuellen explosiven Vorgänge. Mit Walid Abu-Alhalaweh vom Hebron Rehabilitation Committee, einer NGO, die sich sehr für Erhalt und Restaurierung der Altstadt engagiert, erkunden wir deren palästinensischen Teil. In den Obergeschossen über den Läden der Araber in den ehedem von orientalischem Leben erfüllten Basarstraßen haben sich circa 500 Siedler eingenistet, von 1500 Soldaten beschützt.

Die Siedler aus den oberen Stockwerken hatten die Menschen in der Straße mit Pflastersteinen, Flaschen und Müll beworfen, was diese aus Selbstschutz dazu bewog, die Straße mit dichtmaschigen Drahtgeflechten volierengleich zu überspannen und ihre Fenster und Balkone zu vergittern. Menschen in Käfighaltung. Neugierige Touristen werden schon mal von den Radikalen verunglimpft und mit Eiern und Tomaten „begrüßt“.

Hebron Altstadt, mit einem Gitter über der Straße schützen sich Palästinenser gegen den Müll, den jüdische Siedler aus ihren Fenstern werfen. Bild: Hans D. Gerhard

Palästinensische Kinder, die auf ihrem Weg zur Schule ein israelisches Gebiet queren, müssen von jungen Freiwilligen aus vieler Herren Länder vor den Beschimpfungen und den Steinen der Siedler beschützt werden. Die Atmosphäre aus Furcht, Hass und Unterdrückung hat Hebron zu einer Geisterstadt verkommen lassen: Seit 2000 wurden 1800 Läden geschlossen, viele Familien sind geflohen.

Wenn Menschen für den Abriss ihrer Häuser zahlen müssen

Just heute beginnt in Hebron wieder der Zyklus der Gewalt: Steine werfende Palästinenserkinder, brennende Autoreifen gegen Militärposten, Barrikaden, Tränengas, Hartgummigeschosse, todbringende Schüsse. Arabische Jugendliche gelten ab 16 Jahren als strafmündig und kommen vor ein Militärgericht, jüdische ab 18 Jahren vor ein Zivilgericht. Kleine Feinheiten. Ich frage einen der schwerbewaffneten Soldaten, was für ein Gefühl er habe, wenn er hier einen solchen Dienst versieht: „Ich habe kein Gefühl, ich erfülle meine Pflicht!“ Dieses Diktum kommt nicht nur uns Deutschen bekannt vor.

Studentinnen auf dem Campus der Bir Zeit Universität Bild: Hans D. Gerhard

Walid zeigt uns, dass an strategischen Punkten der Altstadt gezielt Häuser enteignet und/oder abgerissen werden, um Platz zu schaffen für israelische Militärposten; im Zuge der schleichenden Judaisierung erleiden dazwischenliegende Gebäude bald das gleiche Schicksal. Das israelische (!) Komitee gegen Hauszerstörungen schätzt, dass seit 1967 etwa 27000 Gebäude der Palästinenser dem Abriss anheimfielen, wobei der ursprüngliche Vorwand, damit Attentäter zu bestrafen, schon längst entfallen ist. Der Gipfel der Perversion ist, dass die auf den Trümmern ihrer Häuser sitzenden Menschen bald eine Rechnung für deren Abriss erhalten.

Siedlungen, der Tod einer Zwei-Staaten-Lösung

Finale Impressionen in Jerusalem, der mythischen und legendären Stadt, die von Israelbesuchern (zusammen mit Bethlehem) in einem Tag abgehakt wird. Auch wir besuchen - je nach Interessenlage - die berühmten Sehenswürdigkeiten. Ich nehme mir viel Zeit, um an der Westmauer (früher Klagemauer) die fröhlich-ernsten Feiern anlässlich Bar Mizwa zu beobachten-Festlichkeiten, welche die religiöse Mündigkeit 13-jähriger Jungen würdigen.

Mit einem Mitarbeiter vom Alternative Information Center unternehmen wir eine ausgedehnte Bustour durch die städtischen Außenbezirke, die uns die ganze Perfidie der israelischen Siedlungspolitik erkennen lässt, zum Beispiel an der Siedlung genannten Stadt Maale Adumin mit etwa 40000 Einwohnern. Bei Realisierung des Bebauungsplans E1 schöbe sich zwischen Ramallah und Bethlehem einBesiedelungsriegel, der auch die Lücke zwischen Maale Adumin und den jüdischen Vierteln Ostjerusalems schlösse, was gleichsam einer Zweiteilung der Westbank gleichkäme.

Jüdische Siedlungen in dem Teil der Westbank, den Israel als Teil von Großjerusalem betrachtet. Bild: Hans D. Gerhard

Eine unabsehbare Zahl von zwingburgengleich auf Bergrücken thronenden, mauerumgürteten Siedlungen und 120 als Kristallisationspunkte für spätere Ansiedlungen dienende und oft zunächst nur aus ein paar Wohncontainern bestehende sogenannte Outposts überziehen die Westbank. Sie sind die Heimstatt konservativer oder schießwütiger ultraradikaler, hasserfüllter Juden.

Diese werden von Staats wegen mit vielerlei Vergünstigungen wie billigen Krediten und Steuerermäßigungen zum Niederlassen geködert und danach von reichlich vielen Soldaten bewacht, die bei aggressiven Ausfallerscheinungen der Siedler großzügig wegschauen. Gerade vermeldete Ha´aretz, dass ein in der Nähe einer Siedlung friedlich seine Ziegen hütender 84 Jahre alter Hirte von Siedlern zusammengeschlagen wurde und mit Knochenbrüchen im Hospital liege.

Die Westbank als Sandwich

Niemand sollte glauben, die israelische Politik sei nicht seit Jahrzehnten mit ausgefeilter Logistik geplant. ich denke da an den bereits 1973 getätigten verräterischen Ausspruch Ariel Sharons: „Wir werden aus den Palästinensern einen Sandwich machen. Zwischen die beiden Hälften werden wir einen Streifen jüdischer Siedlungen legen und dann einen zweiten und dann einen weiteren quer über die ganze Westbank. Nach 25 Jahren kann das niemand mehr rückgängig machen, weder die UN noch die USA!“

Judäa uns Samaria sind aus biblischer Sicht der Juden eigenes Land:„Eretz Israel“. So istdie israelische Vertreibungspolitik erfolgreich: Laut UN ist allein im Jordantal die Zahl der Palästinenser seit 1967 von 250000 auf rund 56000 geschrumpft.

Die Mauer trennt auch in Jersalem palästinensische Viertel von dem Rest der Stadt Bild: Kathrin Tintelnot

Für meine feste Überzeugung, dass es nie zu einer Zwei-Staaten-Lösung kommen wird, finde ich während meines Aufenthalts überall desperate Zustimmung. Chancen dafür wurden von allen Seiten vertan; die Korruption innerhalb der PLO, der Disput zwischen Fatah und Hamas und die blamable Zurückhaltung und Nibelungentreue der Amerikaner zu Israel waren und sind zusätzlich kontraproduktiv.

Nach einem Bummel über die Stadtmauer gerate ich am Damaskus-Tor unversehens in einer Demo zwischen die Fronten einer immer größer werdenden Zahl aufgebrachter Palästinenser und etwa zwei Dutzend Polizisten, die von deren Wortführer beschimpft werden. Mit Mühe kämpfe ich mich aus dem Getümmel, nicht ohne auf meinem Rücken mit Stockschlägen von den offensichtlich auch in einer Stresssituation befindlichen Polizisten Bekanntschaft zu machen.

Ein Land wie Israel, das bezüglich der Okkupation der Westbank, des Siedlungsbaus, der Segregations- mauer, der Beschlagnahme von Privatbesitz, des Abrisses von Gebäuden, der Wasserverteilung und des Status von Jerusalem gegen alle Resolutionen der Vierten Genfer Konvention, der UN-Vollversammlung, des UN-Sicherheitsrates, des Haager Abkommens und des Internationalen Gerichtshofs verstößt, delegitimiert sich selbst und scheint in einen politischen Autismus verfallen zu sein. Es entbehrt weltweit zunehmend des Verständnisses und der Sympathie der Völker.