Reinigungsbranche: „Auf Rollschuhen durchs Büro“

Die Deutsche Bahn veranstaltet Reinigungsroboter-Rennen. Auch menschliche Reinigungskräfte müssen zunehmend Höchsttempo erreichen, sagt Branchenkennerin Viveka Ansorge.

Lenkt das noch ein Mensch oder schon eine Maschine? Foto: dpa

taz: Frau Ansorge, wenn kaum noch jemand Gebäudereiniger werden will – die Abbrecherquote in der Branche liegt bei fast 50 Prozent: Ist es nicht schön, wenn diese Arbeit von Robotern erledigt wird?

Viveka Ansorge: An sich ist es gut, wenn die Technik Menschen von schwerer Arbeit entbindet. Und in der Gebäudereinigung ist die Arbeit so schwer, dass Menschen Achtstundentage eigentlich gar nicht mehr durchhalten. Überwiegend wird dort ja auch bereits in Teilzeit gearbeitet, vor allem bei der Unterhaltsreinigung, also dem regulären Putzen in Büro, Betrieb oder Schule.

Was ist da so anstrengend?

Die Reinigungskräfte haben zwar auch Maschinen zur Bodenreinigung, aber sie müssen sich dauernd bücken, Sachen heben, hin- und herschleppen. Dazu kommt: Das geht noch, wenn Sie Zeit haben. Aber wenn Sie das in Eile tun, wird es schlimmer. Und das Problem haben die meisten bei der Unterhaltsreinigung.

Warum?

Weil die Unternehmen der Branche Tariflohn zahlen müssen, drücken sie unheimlich aufs Arbeitstempo, um die Personalkosten zu senken. Sie bürden den Leuten also immer mehr Arbeit in derselben Zeit auf. Die Reinigungsleute sagen: „Wir fahren auf Rollschuhen durchs Büro.“ Wenn nun aber auch noch diese neuen Maschinen den Zeittakt vorgeben …

Wird alles noch stressiger?

Ja, dann kann es sein, dass der Einsatz der Technik den Zeitdruck noch weiter erhöht, der von den Schicht- und Objektleitungen ohnehin weitergegeben wird an die Beschäftigten. Die Maschine könnte quasi zum neuen Taktgeber werden.

Roboter-Wettrennen Die Deutsche Bahn macht eine Auftragsvergabe zum Event: Am Dienstag um 12.30 Uhr treten im Hauptbahnhof Reinigungsroboter verschiedener Hersteller gegeneinander zum Wettputzen an. Dem Gewinner winkt ein zweijähriger Vertrag mit der DB.

Aufstocker In Berlin arbeiten 29.539 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Reinigungsdiensten, davon sind 15,6 Prozent Aufstocker/innen, die zu ihrem Lohn Sozialleistungen beziehen. Von den 5.489 Minijobern müssen 32,5 Prozent aufstocken. Bundesweit müssen etwa 8 Prozent der Minijober/innen aller Branchen aufstocken, in Berlin knapp 22 Prozent. (taz)

Das ist ja zudem eine Branche, die viele gering qualifizierte Menschen beschäftigt. Muss man nicht befürchten, dass der Einsatz von Robotern viele Arbeitsplätze vernichtet für Menschen, die sonst nirgendwo einen Job finden?

Das kann sein, aber das muss man erst untersuchen. In der Tat wäre das ein Problem, weil die Branche sich schon damit schmückt, dass sie Leuten Arbeit gibt, die ansonsten schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Aber natürlich ist die Einführung solcher Roboter ein Versuch, Arbeitskräfte einzusparen. Die Branche ist ja im Vergleich noch sehr personalintensiv.

Das heißt, hier kann der Profit noch gesteigert werden.

Ja, weil die Personalkosten einen großen Teil in der Kalkulation für einen Auftrag ausmachen, wird immer versucht, an dieser Stelle Kosten zu senken. Man spricht hier von „Flächenleistungsverdichtung“.

Was ist das?

Reinigungsfirmen bieten bestimmte Flächenleistungen an. Das bedeutet, dass sie in einer Stunde so und so viel Fläche reinigen. Leistungsverdichtung heißt, dass die zu reinigende Fläche pro Stunde zunimmt. So wird versucht, die Löhne zu drücken. Die Arbeitgeberseite klagt ja die ganze Zeit, dass sie – anders als bei Hotel- und Gaststätten, wo nur der gesetzliche Mindestlohn gilt – mindestens 9,05 im Osten und 10,30 Euro im Westen zahlen muss.

Es gibt zudem den Trend zur Arbeit in „Randarbeitszeiten“. Was heißt das?

Laut Flächentarifvertrag müssen zwischen 22 Uhr und 5 Uhr morgens Nachtzuschläge gezahlt werden. Also wird nachts schon mal kaum gearbeitet – außer bei der Bahn, an Flughäfen und Ähnlichem. Über den Tag wird aber auch nicht gereinigt, weil das die Kunden nicht wollen – so sagen die Arbeitgeber jedenfalls.

Viveka Ansorge,

56, arbeitet bei der Beratungsgesellschaft ArbeitGestalten und war verantwortlich für den Branchen­report Gebäude­reinigung, der von der Senatsverwaltung für Arbeit gefördert wurde.

Wieso denn?

Das kommt aus der Zeit der Privatisierungswelle der 90er Jahre. Bis dahin waren Reinigungskräfte ja oft öffentliche oder betriebseigene Beschäftigte. Danach wurden private externe Firmen beauftragt. Also kamen hausfremde Leute in die Büros – die ja stören könnten. In anderen Ländern, etwa Skandinavien, ist das aber durchaus üblich, dass man am Tage reinigt.

Was bedeutet das für die Reinigungskräfte?

Die werden einerseits händeringend gesucht, die Branche leidet schwer unter Fachkräftemangel. Aber wie wollen Sie andererseits als Mutter mit schulpflichtigen Kindern morgens zwischen sechs und neun Uhr, bevor das Büro oder der Laden öffnet, arbeiten gehen?

Wie kriegen die Firmen dann überhaupt Beschäftigte?

Kriegen sie eben nicht. Den Unternehmen wäre nichts lieber, als am Tage reinigen zu können, dann könnten sie vor allem die jungen Mütter wieder beschäftigen. Die Folge ist, dass man geteilte Dienste hat, sogenannte Doppelschichten: Man putzt morgens die Bäckerei um die Ecke und abends den Friseur. Deswegen gibt es auch so viele Minijobs und geringfügige Beschäftigung – und die Leute können davon nicht leben. Die Aufstockerquote ist hoch, prekäre Arbeit verbreitet.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.