Regionalverkehr Berlin-Brandenburg: Das Leben in vollen Zügen

Es sollte alles besser werden im Regionalverkehr. Doch die Pläne des Landes Brandenburg sorgen für Frust und stoßen auf breite Kritik.

Regionalzug bei Potsdam Foto: dpa

Gutes Wetter und freie Tage könnten über Pfingsten wieder dafür sorgen, dass viele Berliner ihr Brandenburger Umland erkunden wollen. Allerdings ist dies erfahrungsgemäß mit Frusterlebnissen verbunden – häufig schon bei der Anreise. Weil Zehntausende gleichzeitig in die selbe Richtung wollen, gibt es Staus auf den Straßen. Und es wird eng in den Regionalzügen.

An den Türen der Waggons bilden sich Menschentrauben, manch einer findet keinen Platz mehr für sein Fahrrad, andere versuchen, ihr Gepäck in die viel zu kleinen Ablagen zu pressen. Dass vor Durchsagen die Melodie des Volkslieds „Wer recht in Freuden wandern will“ durch den Waggon schallt, mutet bisweilen schon etwas höhnisch an.

Was für Ausflügler lästig ist, ist für Pendler in Berlin und Brandenburg alltägliche Realität. In Berlin liegt der Anteil der Einpendler bei 22 Prozent, die meisten davon aus Brandenburg. Das geht aus der Statistik der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten hervor. In Brandenburg ist der Pendleranteil sogar noch höher – rund ein Drittel pendelt in ein anderes Bundesland.

Mit dem Bevölkerungswachstum dürfte der Verkehr in der Region weiter zunehmen. Im Jahr 2001 wurden in den Regionalzügen noch 42,6 Millionen Fahrgäste gezählt, 2015 waren es schon 77,4 Millionen. Brandenburger Kommunen und Fahrgastverbände fordern deshalb schon seit Jahren bessere Regionalzugverbindungen nach Berlin.

Kritik an den neuen Plänen

Auch die Brandenburger Landesregierung geht von einem steigenden Bedarf aus und will das Angebot im Regionalverkehr erweitern. Im vergangenen Jahr wurde deshalb begonnen, einen neuen Landesnahverkehrsplan aufzustellen. Der soll noch vor der Sommerpause dem Kabinett vorgestellt werden. Praktisch alles solle besser werden, so das Ziel. Mehr Linien, mehr Waggons, mehr Kilometer hatte Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (SPD) versprochen. Doch nun gibt es Kritik und Enttäuschungen.

Das größte Manko der Pläne sei, dass sie viel zu spät kämen, so klagen Fahrgastverbände, Opposition und Kommunen. Denn der jetzt aufgestellte Plan wird erst ab 2022 umgesetzt. So sollen auf der stark genutzten Strecke des Regionalexpress 1 von Brandenburg/Havel über die Berliner Stadtbahn nach Frankfurt (Oder) künftig dreimal stündlich Doppelstockzüge mit 600 Sitzplätzen fahren statt bisher zwei mal pro Stunde.

Im Potsdamer Rathaus, das die Initiative der Umlandkommunen für eine Taktverdichtung angeführt hatte, ist man dementsprechend angesäuert. Es sei sehr bedauerlich, „dass unseren Forderungen nach einer besseren Anbindung auf verschiedenen Strecken und einer Taktverdichtung auf der RE1-Linie als einer der wesentlichen Pendlerstrecken deutlich vor 2022 nicht nachgekommen wird“, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Die Landeshauptstadt hatte gefordert, dass schon ab Ende 2018 zusätzliche Züge auf die Gleise kommen.

Mehr Doppelstockwagen

Kurzfristig verbessert wird das Angebot nur an anderen Stellen: Mehr Sitzplätze durch zusätzliche Doppelstockwagen soll es ab Frühjahr 2019 zwischen Berlin, Falkensee und Nauen auch von Berlin nach Michendorf und Bad Belzig geben. Für die Bahn ist das einfacher, weil sie an die bisher recht kurzen Züge nur einen Waggon ankoppeln muss. Der RE1 hingegen hat schon die maximale Länge für die Bahnhöfe außerhalb des Außenrings. Zusätzliche Waggons würden dann außerhalb der Bahnsteige stehen.

Und für eine Taktverdichtung bräuchte man vier zusätzliche Züge mit jeweils fünf Waggons und einer Lok, rechnet Ministeriumssprecher Steffen Streu vor. So viele habe die Bahn auf die Schnelle nicht übrig. Angesichts der Kritik bittet die Landesregierung um Verständnis für lange Planungsvorläufe und Lieferengpässe für Waggons und Loks.

Auf wenig Verständnis stoßen hingegen einige Details der Planung. So hält das Land trotz Protesten von Kommunalpolitik, Unternehmen und rund 2.000 Unterschriften daran fest, die Verbindungen am Bahnhof von Wustermark im Havelland drastisch zu reduzieren. Statt zwei mal pro Stunde soll künftig nur noch einmal ein Zug aus der Pendlergemeinde nach Berlin fahren.

„Wir hängen hier einen der wichtigsten Logistikstandorte Brandenburgs ab“, kritisiert auch Landrat Roger Lewandowski (CDU) die Pläne. Man befürchtet zusätzlichen Autoverkehr, zumal mit dem Güterverkehrszentrum auch einer der größten Arbeitgeber der Region betroffen ist. Auch auf einen Alternativvorschlag war die Landesregierung nicht eingegangen.

Elbe-Spree-Netz ausgeschrieben

Hintergrund ist, dass die Landesregierung gemeinsam mit Mecklenburg-Vorpommern bereits ein Großteil der Strecken für die Jahre von 2022 bis 2034 ausgeschrieben hat – bevor der Plan überhaupt fertig war. Betroffen ist das sogenannte Netz Elbe-Spree. Dazu gehören mit 17 Regionalexpress- und Regionalbahnlinien auch die wichtigsten Verbindungen zwischen Berlin und dem Umland. Es sieht eine Erweiterung des Angebots vor.

Doch auch daran gibt es Kritik. So nahm der Bahnexperte Hans Leister – früher selbst Bahnmanager – im Auftrag der Brandenburger CDU die Pläne auseinander: So sollen zwischen Berlin und Cottbus künftig mehr Züge fahren, allerdings brauchen sie 11 Minuten länger. Als die Strecke vor wenigen Jahren mit Millionenaufwand für Tempo 160 saniert wurde, hatte man mit weniger Bedarf gerechnet und nur ein Gleis verlegt. Nun fehlt Kapazität. Anderes Beispiel: Für die Taktverdichtung des RE1 fällt pro Stunde ein Direktzug vom Potsdamer Uni-Campus in Golm nach Berlin weg.

Dass die Landesregierung das Problem mit den fehlenden Kapazitäten im Regionalverkehr offenbar ganz anders sieht, wird aus einer jüngsten Antwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Landtagsabgeordneten Steven Bretz deutlich. „Die Nachfrage zur Hauptverkehrszeit übersteigt die Zahl der Sitzplätze nicht“, heißt es darin. Die Angebotsqualität auf der Strecke sei gut.

Bretz bezeichnet diese Sichtweise als lebensfern und Hohn für Pendler.

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