Regierungsbildung in Griechenland: Weißer Rauch über Athen

Der Ex-Vizepräsident der Europäischen Zentralbank Lucas Papademos tritt die Nachfolge von Premier Papandreou an. Bis Freitag soll die Koalition stehen.

Vor schweren Aufgaben: Griechenlands neuer Regierungschef Lucas Papademos. Bild: dpa

ATHEN taz | Am Donnerstagnachmittag war es endlich so weit: Ein Sprecher des griechischen Staatspräsidenten ließ verlauten, Loukas Papadimos (Transkription auch: Lucas Papademos) habe den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung erhalten. Er soll eine neue Mehrparteienregierung aus Konservativen, Sozialisten und eventuell auch verschiedenen Splitterparteien für mindestens 100 Tage führen, Neuwahlen vorbereiten und für die Umsetzung eines strikten Sparprogramms im Land sorgen.

Schon seit dem vergangenem Montag war Papadimos Favorit für das Amt des neuen Regierungschefs bei den Sondierungsgesprächen. Doch Parteistreitigkeiten und Partikularinteressen hatten seine Kandidatur zu blockieren versucht.

Den traurigen Höhepunkt erreichte das Parteientheater am Mittwochabend, als der Nochministerpräsident Giorgos Papandreou plötzlich den Parlamentspräsidenten Philippos Petsalnikos als neuen Kandidaten ins Gespräch brachte, allerdings nur wenige Stunden später seine Entscheidung wieder revidieren musste.

Zur gleichen Zeit ließen Mitarbeiter des Nochfinanzministers Eleftherios Venizelos erklären, Papadimos sei eigentlich nie ein ernsthafter Kandidat gewesen. "Operette" titelte am Donnerstag die auflagenstärkste Athener Zeitung Ta Nea und karikierte Papandreou als fröhlichen Zauberkünstler und Venizelos als Zuflüsterer hinter den Kulissen.

Nun aber also doch Papadimos. Die genaue Zusammensetzung der neuen Übergangsregierung bleibt bislang noch ein Geheimnis und das spätestens bis Freitagmittag. Bis dahin will der neue Regierungschef mit allen Parteien beraten, die ihm das Vertrauen ausgesprochen haben.

Koalitionsregierungen als Kuriosum

In diesen Parteien wird sich der ehemalige EZB-Vize nicht nur Freunde machen. In Griechenland sind Koalitionsregierungen ein Kuriosum, nur sechsmal in den vergangenen 140 Jahren konnten sich die politischen Hauptakteure im Land auf eine breite Koalition verständigen.

Die letzte Allparteienregierung kam in den späten 1980er Jahren zustande. Sie zerfiel jedoch nach nur wenigen Monaten, weil damals die Parteipolitiker immer wieder am Stuhl des Ministerpräsidenten Xenophon Zolotas sägten. Ihr Ziel dabei war, Neuwahlen zu provozieren und ihn in einem nicht immer so guten Licht erscheinen zu lassen.

Ob das bei Papadimos besser klappt, bleibt abzuwarten. Jedenfalls sind die meisten Griechen froh und erleichtert darüber, dass endlich einer den schwierigsten Job Griechenlands übernimmt, der von der Materie etwas versteht.

Von 2002 bis 2010 war Papadimos Vizepräsident der EZB in Frankfurt und erwarb sich einen guten Ruf als "die Nummer zwei des Euro" und Verfechter finanzpolitischer Disziplin.

Gelegentlich agierte er aber auch etwas pragmatischer und ließ andeuten, dass Wirtschaftswachstum auch durch eine stärkere Binnennachfrage erreichbar und legitim sei. So etwas würde man angesichts der Umstände gern hören in Griechenland.

"Ab heute bekommt Griechenland wieder eine europäische Perspektive", sagte die Pasok-Abgeordnete Sophia Giannaka im griechischen Fernsehen. "Endlich einer, der einen Chefposten aufgrund seiner Qualifikation und nicht etwa durch Beziehungen bekommen hat", freute sich ein Analyst des Athener Wirtschaftsnachrichtensenders SBC.

Linke Politiker stellen sich jetzt die Frage, ob sie glücklich darüber sein sollten, dass ein ehemaliger Banker der neue Regierungschef wird. Ein Kommentator der linksliberalen Zeitung Eleftherotypia brachte es vor wenigen Tagen auf den Punkt: "Papadimos ist hochqualifiziert und trotzdem kein Fachidiot. Du kannst dich mit ihm über Kultur und Philosophie unterhalten. Du kannst mit ihm einen schönen Spaziergang am Strand unternehmen. Aber du willst nicht unbedingt von ihm regiert werden."

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