Reformvorschläge für Strompreise: Das System wird nicht billiger

Je mehr Strom aus Wind und Sonne ins Netz drängt, desto stärker sinken die Preise. Davon haben Privatleute nichts, ihre Kosten steigen.

Die Bundesminister Rösler (re.) und Altmaier haben jeweils ganz eigene Vorstellung von den nötigen Reformen am Strommarkt Bild: dpa

BERLIN taz | Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) erfuhr es am Montag früh aus der Zeitung: Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hat einen eigenen Vorschlag vorgelegt, wie der Anstieg der Stromkosten gestoppt werden soll. Rösler reagierte damit auf ein von Altmaier Ende Januar vorgelegtes Thesenpapier, dass eine „Strompreis-Sicherung“ vorsah. Ein Überblick, was wer wie wo sparen will.

Die Ausgangslage: Der Strom kostet für private Haushalte derzeit so viel wie noch nie. Im Schnitt zahlen Privatleute 27,37 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Allein Anfang Januar stieg der Strompreis wegen der Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien um 12 Prozent.

Der Grund liegt vor allem in der gestiegenen Umlage, die das Gesetz zur Förderung der Erneuerbaren Energien (EEG) den Betreibern von Solaranlagen, Wind-, Wasser oder Biomassekraftwerken zubilligt. Außerdem verteuern zusätzliche Ausnahmen für die Industrie die Kosten für die Privathaushalte. Die Umlage für den Ausbau der erneuerbaren Energien erhöhte sich von 3,59 Cent pro Kilowattstunde auf 5,287 Cent. Für 2014 prognostizieren die Übertragungsnetzbetreiber 4,89 bis 5,74 Cent.

Allerdings steigt der Strompreis auch von 2000 bis Ende 2012 um 10 Cent, davon ist nach Berechnungen des Öko-Instituts bis Ende 2012 nur ein Drittel auf die Förderung erneuerbarer Energien zurückzuführen.

Die Rösler-Idee: Wirtschaftsminister Rösler will die garantierte Vergütung für Strom aus erneuerbaren Energien teilweise abschaffen. Stattdessen müssten Teile des Stroms direkt verkauft werden, zitiert das Handelsblatt aus dem Vorschlag. Betreiber von Wind- oder Solaranlagen müssten ihre Produktion mehr nach dem tatsächlichen, aktuellen Bedarf ausrichten, fordert demnach Rösler. Zudem will er die Vergütung für neue Windenergie-Anlagen senken.

Die Grünen wollen Ausnahmen bei der EEG-Umlage auf den Stand von 2009 zurückführen und auf Unternehmen beschränken, „die tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehen“. Als Ausgleich für Preissenkungen an der Strombörse soll der Mindestbeitrag der Industrie zum EEG steigen.

Die gewerbliche und private Erzeugung von Eigenstrom soll in die EEG-Umlage einbezogen werden. Außerdem dringen die Grünen auf die Verknappung von Emissionszertifikaten in der EU, womit auch mehr Mittel zur Stabilisierung der EEG-Umlage und zur Förderung von Energieeffizienz zur Verfügung stünden.

Die Linken-Verbraucherpolitikerin Caren Lay kritisierte die Grünen-Vorschläge als halbherzig. „Solange es keine staatliche Strompreisaufsicht gibt, werden die Energiekosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher weder dauerhaft noch in nennenswertem Umfang sinken“. (afp)

Momentan erhalten die deutschen Windanlagenbetreiber netto 3 Milliarden Euro im Jahr aus der Vergütung – also ohne die Erlöse aus dem Stromverkauf. Bis 2017 könnte der Wert nach Berechnungen der Übertragungsnetzbetreiber auf 4,3 Milliarden Euro steigen. Die Vorschläge haben vorerst keine Chance auf Verwirklichung, da der Rot-Grün dominierte Bundesrat nicht zustimmen würde.

Stromsteuer senken: „Eine Senkung der Stromsteuer wäre kurzfristig interessant, um die Verbraucher zu entlasten“, sagt Frauke Rogalla, Energieexpertin bei der Verbraucherzentrale Bundesverband. Damit ist sie nicht allein, der Vorschlag kam in verschiedenen Varianten zuletzt von Umweltminister Altmaier, zuvor von FDP, SPD und CSU. Die Stromsteuer beträgt derzeit 2,05 Cent pro kWh. Insgesamt brachte die Stromsteuer dem Bund im Jahr 2011 7,2 Milliarden Euro ein.

Weniger Industrieprivilegien: „Wir halten es für aberwitzig, dass man als Großverbraucher auch noch Rabatte bekommt“, sagt Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes. „Es ist viel zu simpel gedacht, nur dem EEG die Schuld an den hohen Strompreisen zu geben“, sagt er. Die Rabatte finden von den Grünen bis zur CDU alle übertrieben, nur die FDP und der Bundesverband der Deutschen Industrie nicht.

Unternehmen, die viel Strom abnehmen, sind von Stromsteuer, Entgelten für die Netze und EEG-Umlage entlastet. Allein die EEG-Befreiung beläuft sich laut Altmaier auf 4,3 Milliarden Euro im Jahr. Das zahlt dafür der Rest der Stromkunden. Allerdings ist umstritten, was eine Änderung bringt: Altmaier will die Vergünstigungen um 500 Millionen Euro senken, die Grünen wollen 1,5 Milliarden Euro weniger, was 1 Cent pro kWh Entlastung bringen soll.

Strombörsen-Effekt: Geht es auch billiger? Nein, sagt Felix Matthes, Energieexperte am Öko-Institut. „Das System insgesamt wird nicht billiger, man kann nur die Lasten besser verteilen.“ Momentan verteuern sich die erneuerbaren Energien wegen eines Paradoxons: Sie erzeugen so viel Energie, dass es zu einem Überangebot kommt. Dadurch sinken die Preise an der Strombörse – um 17 Prozent 2012, sagt der Bundesverband Erneuerbare Energie.

Momentan sind die Preise auf dem tiefsten Stand seit fünf Jahren, im Schnitt 2012 bei 4,5 Cent pro Kilowattstunde, also gerade 16 Prozent des Strompreises für Privatkunden (der Rest sind staatliche Abgaben und Kosten für die Netze). Davon profitierten zunächst alle. Die Betreiber von Solar- oder Windanlagen bekommen jedoch immer dieselbe Vergütung, obwohl ihr Strom weniger Geld an der Börse bringt. Die Folge: Die Förderung muss erhöht werden. Die höhere Subvention der erneuerbaren Energien zahlen nur Privathaushalte und die Unternehmen, die nicht privilegiert sind.

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