Referendum in Schottland: Der Tag der Entscheidung

Stimmen und Stimmungen: Das Referendum zur Unabhängigkeit in Schottland läuft. Die Katalanen wollen am 9. November eine Abspaltung von Spanien erreichen.

Die Queen erklärt dem geneigten Zuschauer den nördlichsten Teil ihres Reichs. Bild: guardian screenshot

EDINBURGH/GLASGOW/BERLIN taz/rtr/afp/ap/dpa | In Schottland hat das historische Referendum über die Unabhängigkeit des Landes begonnen. Seit acht Uhr können die mehr als vier Millionen Stimmberechtigten für oder gegen eine Loslösung von Großbritannien votieren. In den letzten Umfragen vor dem großen Tag lagen die Gegner einer schottischen Unabhängigkeit erneut knapp vor dem „Ja“-Lager. Allerdings könnten die bis zuletzt unentschiedenen Wähler den Ausschlag geben.

15:30 Uhr: Sollte Schottland unabhängig werden, will sich die Regierung der Autonomen Region Baskenland ein Beispiel an an dem Land nehmen. „Wir wollen den Weg Schottlands gehen“, sagte der regionale Regierungschef Iñigo Urkullu am Donnerstag am Rande einer Veranstaltung in der baskischen Gemeinde Azcoitia.

Unabhängigkeitsbewegungen gibt es in Spanien auch in Katalonien und Galicien. Die katalanische Regionalregierung will am 9. November ein Referendum über die Abspaltung von Spanien abhalten. Die Zentralregierung nennt die Volksabstimmung illegal und versichert, sie werde auf keinen Fall stattfinden.

15:00 Uhr: Monty Python wussten es schon vor Jahrzehnten: Der Unterschied zwischen Briten und Schotten ist verschwindend gering. In ihrer Serie Sci-Fi-Scetch führen sie vor, wie Engländer kurzer Hand zu Schotten transformiert werden.

14:30 Uhr: Befürworter und Gegner der Unabhängigkeit haben sich im Wahlkampf teils bis an die Grenzen der Gewalt bekämpft. Ein Kameramann der bekannten britischen TV-Korrespondentin Kay Burley wurde angerempelt. Die Sky-Reporterin bezeichnete den Angreifer vor laufender Kamera als „a bit of a knob“ (etwa: „ein ziemlicher Schwanz“) - und musste sich entschuldigen.

Königin Elizabeth II. musste sich im Wahlkampf zurückhalten. Lediglich einmal äußerte sie sich und sagte, die Schotten mögen sich die Entscheidung „reiflich überlegen“. Diese Worte führten zu teils ganzseitigen Zeitungsberichten. Die Queen würde auch in einem unabhängigen Schottland Staatsoberhaupt bleiben - allerdings nur als Elizabeth - Elizabeth I. war nicht Königin der Schotten, sondern nur von England.

14:05 Uhr: Die Zukunft Schottlands könnte in den Händen von Teenagern liegen. Zu den 4,2 Millionen Wähler zählen auch über 110.000 16- und 17-Jährige. Sie könnten bei der knappen Entscheidung das Zünglein an der Waage sein. Viele von ihnen gingen in Schuluniform in die Wahllokale. NBC News vermutet, dass die Senkung des Wahlalters, von der Idee motiviert wurde, Jugendliche würden eher mit ihrem Herzen als mit ihren Hirnen entscheiden.

13:30 Uhr: Der schottische Ministerpräsident Alex Salmond hat bereits seine Stimme abgegeben. Für was er sich wohl entschieden hat? Die Rapper von Fettes Brot wussten die richtige Antwort schon vor Jahren: Jein.

Derweil im Internet: Einer der besten Gags über das Referendum macht die Runde. Schottland habe seinen Beziehungsstatus auf Facebook von „verheiratet“ auf „es ist kompliziert“ geändert und riskiert damit einen öffentlich ausgetragenen Ehekrach mit England.

13:15 Uhr: Ist das Seeungeheuer von Loch Ness aus Protest gegen die schottischen Unabhängigkeitsbestrebungen vor dem Referendum nach England ausgewandert? Seit die Daily Mail vergangene Woche ein Foto druckte, das Nessie im Windermere-See in der nordenglischen Grafschaft Cumbria zeigen soll, wird hitzig über die politische Positionierung der sagenumwobenen Kreatur gestritten. Als ein weiteres Foto auftauchte, auf dem Nessie mit dem Schwanz ein „NO“ formt, wertete der Daily Mirror dies als eindeutige Festlegung gegen die Abspaltung.

12:36 Uhr: Der schottische Tennisstar und Ex-Wimbledonsieger Andy Murray hat der Unabhängigkeitsbewegung seine Unterstützung signalisiert. Der 27-Jährige deutete am Donnerstag auf Twitter an, dass sich seine Sicht in den letzten Tagen zugunsten der Anhänger der Abspaltung geändert habe. Er schrieb seinen 2,7 Millionen Followern: „Großer Tag für Schottland. Die Negativität der No-Kampagne hat meine Sicht darauf komplett beeinflusst.“

Murray wuchs im schottischen Dunblane auf, wohnte dann aber in England, so dass er nicht berechtigt ist, am Referendum teilzunehmen. Er zählt zu den bekanntesten Menschen Schottlands. 2013 gewann er als erster britischer Spieler seit 77 Jahren den Titel bei den Herren in Wimbledon. Dieser Gewinn wurde in ganz Großbritannien groß gefeiert. Er siegte zudem 2012 bei den Olympischen Spielen in London und holte so für Großbritannien eine Goldmedaille. Nach dem Finale gegen den Schweizer Roger Federer hatte er sich in den Union Jack eingehüllt.

Falls Schottland unabhängig werde, dann werde er wohl für Schottland antreten, hatte er zwar kürzlich bei den US Open gesagt. Trotzdem hatte er es immer vermieden, eindeutig für eine der beiden Seiten Stellung zu beziehen. Er sei stolz, schottisch zu sein, aber er sei auch stolz, britisch zu sein, hatte er einmal gesagt.

12:14 Uhr: Nun meldet sich auch der schottische „Simpsons“-Hausmeister Willie zu Wort.

11:20 Uhr: Der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen würde Schottland eine übergangslose EU-Mitgliedschaft zugestehen, sollte das Land unabhängig werden. Es sei jetzt schon Teil der EU und kein normaler Beitrittskandidat wie Albanien oder Moldawien.

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Der Guardian erklärt allen Interessierten, die nicht aus Großbritannien stammen, mit einem kleinen Animationsfilm wie genau das Referendum abläuft und was die Hintergründe dazu sind. Bewegende Fragen wie „Wo liegt Schottland? Was ist Schottland? Und was heißt es, schottisch zu sein?“ werden einfach und anschaulich beantwortet.

10:30 Uhr: Würde Schottland unabhängig, wäre die finanzpolitische Trennung mit vielen Fragezeichen behaftet. Vor allem die Zukunft der Währung ist brisant. „ Märkte hassen Ungewissheit - ein Pfund-Absturz könnte die Folge sein“, befürchtet die Deutsche Wirtschaft.

//www.youtube.com/watch?v=-YkLPxQp_y0:John Oliver von Last Week Tonight sieht das Unabhängigkeitsstreben wesentlich entspannter: kein Konflikt, der sich nicht mit einem Augenzwinkern oder einem Gefecht mit Holzschwertern lösen lassen würde.

9:41 Uhr: Als Folge der Unabhängigkeit könnte Whisky teurer werden. Viele Liebhaber des schottischen Nationalgetränks decken sich jetzt schon mit Vorräten ein, meldet die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Die Neue Züricher Zeitung mahnt, die EU solle sich stärker mit den Argumenten des Separatismus auseinandersetzen. Die Scottish National Party (SNP) schlüge eine interne EU-Erweiterung vor, die allen staatenlosen Sprach- und Kulturnationen einen eigenen Staat mit Vertretungsrechten in sämtlichen EU-Institutionen zugestehen solle. Konflikte seien so programmiert.

Die Wahllokale sind bis 23 Uhr geöffnet. Wählen darf jeder, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, Brite, Bürger der EU oder des Commonwealth ist, offiziell in Schottland lebt und sich für die Wahl registrieren lassen hat. Fast 4,3 Millionen Menschen haben sich registrieren lassen. Das entspricht 97 Prozent der Bevölkerung über 16 Jahren.

Auf den Wahlzetteln steht „Sollte Schottland ein unabhängiges Land sein?“ sowie „Ja“ oder „Nein“. Offiziell wird der Ausgang erst verkündet, wenn die Auszählungen aus allen Wahlbezirken vorliegen. Mit ersten Ergebnissen wird am Freitag gegen 3 Uhr nachts gerechnet. Die Resultate aus Glasgow, Edinburgh und Aberdeen werden nicht vor 6 Uhr erwartet.

Möchten Sie auch in einem unabhängigen Bundesland leben? Auf Radio 7 können Sie über ein Referendum für Deutschland abstimmen.

9:02 Uhr: Am Mittwochabend schworen die beiden Lager ihre Anhänger nochmals auf die Abstimmung ein. Der schottische Regierungschef Alex Salmond nannte die Unabhängigkeit „unsere Chance des Lebens“. Der frühere britische Premierminister Gordon Brown appellierte hingegen an die Schotten, im Königreich zu bleiben. Auch US-Präsident Barack Obama plädierte via Twitter für die Einheit Großbritanniens.

Alistair Darling, Wortführer der Unabhängigkeitsgegner, riet den Schotten, im Zweifel mit „Nein“ zu stimmen. „Wenn wir für den Austritt stimmen, gibt es kein Zurück.“ Der Vorsitzende der Abspaltungskampagne, Dennis Canavan, rief den Wählern jedoch entgegen: „Lasst es uns wagen“. Schon jetzt scheint festzustehen, dass das Referendum eine ungemein knappe Angelegenheit wird: Eine Telefonumfrage unter 1.373 Bürgern des Marktforschungsinstituts Ipsos MORI sah das Lager der Gegner einer Abspaltung bei 51 Prozent, die Befürworter bei 49 Prozent. Fünf Prozent waren demnach noch unentschlossen.

Bald in der Grenzregion? Imbissbude nahe Berwick-upon-Tweed. Bild: dpa

Mehr als 4,2 Millionen Schotten und damit 97 Prozent der Wahlberechtigten haben sich für den Volksentscheid registrieren lassen, erstmals sind auch 16- und 17-jährige zugelassen. Die Wahlbüros in Schottland schließen am Donnerstagabend um 23 Uhr. Es wird mit einer sehr hohen Wahlbeteiligung gerechnet.

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