Rechte Gewalt: Linke fühlt sich desinformiert

Kieler Linksfraktion erfragt die Zahl rechtsextremer Übergriffe in Schleswig-Holstein. Die Landesregierung verschweige und verharmlose das Problem.

Beliebtes Neonazi-Schuhwerk: Schnürstiefel mit weißen Senkeln. Bild: dpa

KIEL taz | Im Sturmschritt mischten sie die DGB-Kundgebung auf: Rund 50 Kameradschafts- und NPD-Kader zerstörten am 1. Mai dieses Jahres in Husum Infostände, warfen Stühle ins Hafenbecken. Eine Person wurde bei dem Angriff verletzt. Die Polizei hatte die anreisenden Neonazis zwar bemerkt, dann aber doch zu spät wahrgenommen.

Platz 6 in der Statistik

Nur ein Übergriff von vielen? In der aktuellen Statistik des Bundesinnenministeriums zu rechtsextremen Gewalttaten rangiert das nördlichste Bundesland auf Platz 6 - berechnet nach je 100.000 Einwohnern in den Ländern. "Die hohe Zahl der Straftaten und die Brutalität der Gewalttaten durch Rechtsextreme ist extrem beunruhigend", sagt Björn Thoroe, Sprecher für antifaschistische Politik der Linksfraktion im Landtag.

2009 und 2010 war Schleswig-Holstein der Statistik zufolge unter den alten Bundesländern dasjenige mit den meisten rechtsextremen Gewalttaten. Für die Landesregierung, mutmaßt Thoroe, schienen die Täter aber "erst zu einem Problem zu werden, wenn sie im Landtag sitzen".

Ebendort hat die Linke eine große Anfrage zu Situation des Rechtsextremismus im Lande gestellt. Die Antwort der Landesregierung offenbart nun, dass seit 2001 bis Juni 2011 Neonazis in 123 Städten und Gemeinden zugeschlagen haben. In den vergangen fünf Jahren wurden demnach 3.134 Straftaten gemeldet, in den vergangenen zehn Jahren 568 Gewaltstraftaten. Wie viele Menschen durch Rechtsextreme geschädigt wurden, konnte die Landesregierung nicht beantworten: "Daten von Geschädigten werden im Meldedienst nicht erfasst."

Was die Linke besorgt, sind aber nicht allein diese Zahlen, sondern auch die Einschätzung des Innenministeriums, was die rechtsextremen "Aktionsgruppen" angeht, die im Stil der "Autonomen Nationalisten" agieren: Zwar prägen dem Ministerium zufolge NPD und diese Gruppen "im Wesentlichen" den Rechtsextremismus im Land. Über die Stärke einzelner Gruppen der auf rund 180 Personen geschätzten Szene jedoch mag das Ministerium nichts sagen: "Die Veröffentlichungen von Einzelheiten hierüber unterliegt regelmäßig der Geheimhaltung."

Das Verschweigen gehe einher mit der Verharmlosung von Gefahren: So erkläre das Ministerium etwa, "einzelne Angehörige der rechtsextremistischen Szene" seien ehrenamtlich tätig, ohne jedoch "ihr Engagement zu rechtsextremen Aktivitäten nutzen". Das sei "eine kühne Behauptung", sagt Thoroe: Seit Jahren bereits sei belegt, dass NPD-Mitglieder sich durch solches Engagement etwa in Sportvereinen zu etablieren suchten. Nachfragen hätten immer wieder ergeben, "dass die da auch was politisch wollen", sagt der Linken-Abgeordnete.

"Politik statt Aufklärung"

Die rund 36 Seiten umfassende Antwort der Landesregierung belegt für Thoroe, dass "der Verfassungsschutz Schleswig-Holstein lieber Politik im Sinne der Landesregierung macht, als Informationen über den rechten Rand zu sammeln und weiterzugeben".

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