Recht auf Freizügigkeit in der EU: Brüssel rüffelt Grenzkontrollen

Die EU-Kommission kritisiert das Bundespolizeigesetz zur „unerlaubten Einreise“. Jetzt wurde ein entsprechendes Vertragsverletzungsverfahren bestätigt.

Bundespolizisten warten auf einen Einsatz nahe Frankfurt am Main. Bild: dpa

FREIBURG taz | Die Bundespolizei kontrolliert in grenznahen Zügen und auf Flughäfen möglicherweise zu systematisch. Die EU-Kommission hat deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.

Die Bundespolizei, die früher Bundesgrenzschutz hieß, kann „im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern“ die Identität von Personen feststellen, um unerlaubte Einreisen festzustellen. Das sieht Paragraf 23 des Bundespolizeigesetzes vor, gegen den sich die Kritik der Kommission richtet.

Die Kommission sieht einen Verstoß gegen den Schengen-Grenzkodex, der Kontrollen verbietet, die so systematisch sind, wie es die früheren Grenzkontrollen waren. Das Vertragsverletzungsverfahren wurde im Oktober eingeleitet und nun von Innen-Staatssekretär Ole Schröder (CDU) auf eine kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Ulla Jelpke hin bestätigt. Die Kommission wünsche, dass das deutsche Gesetz „hinsichtlich Intensität und Häufigkeit von Kontrollen Beschränkungen vorgeben“ soll. Die Bundesregierung will Anfang 2015 eine Stellungnahme abgeben.

Der Rüffel aus Brüssel kommt nicht überraschend. Schon 2010 beanstandete der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Urteil „Melki“ eine ähnliche Vorschrift aus Frankreich. Die Bundesregierung sah damals aber keine Notwendigkeit, darauf zu reagieren.

Dagegen führten die Niederlande in ihrer Ausländerverordnung strikte Beschränkungen für grenznahe Polizeikontrollen ein. So darf dort auf grenznahen Straßen und Wasserstraßen maximal 90 Stunden im Monat und sechs Stunden am Tag kontrolliert werden. Im Schienenverkehr dürfen pro Tag nur acht Züge, davon zwei auf der gleichen Strecke, kontrolliert werden – und jeweils nur zwei „Zugabteile“ pro Zug. Auf Flughäfen dürfen die Passagiere einer bestimmten Route maximal sieben Mal pro Woche kontrolliert werden. Der EuGH prüfte die niederländische Regelung 2012 im Urteil „Adil“ und hielt sie für ausreichend.

„In Sonntagsreden rühmt die Bundesregierung die Freizügigkeit als große Errungenschaft der EU. Doch in der Praxis wird bei millionenfachen Kontrollen im grenznahen Gebiet das EU-Recht gebrochen“, kritisiert die Linke-Abgeordnete Ulla Jelpke gegenüber der taz. Sie will verdachtsunabhängige Kontrollen generell abschaffen, weil dabei vor allem fremd aussehende Menschen kontrolliert werden. Dieses „racial profiling“ wurde von der EU-Kommission nun aber nicht beanstandet.

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