Reaktionen auf Maaßens Abschiedsrede: „Wo bleibt der Amtsarzt?“

Noch-Verfassungsschutzchef Maaßen hat die SPD offenbar als teils „linksradikal“ bezeichnet. Nun wächst die Kritik an Innenminister Seehofer.

Maaßen hält die Hand an sein Kinn

Was hat sich Maaßen bei seiner Abschiedsrede wohl gedacht? Foto: dpa

Berlin taz | Nach der jüngsten Wendung im Fall Maaßen richtet sich die Kritik nun auch an seinen Dienstherrn: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Der FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle erklärte, Seehofer müsse „einen Schlussstrich ziehen und den Behördenchef sofort entlassen“. Dies sei die einzige Option, „wenn er nicht die letzte Glaubwürdigkeit verlieren will“. Für den Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz treibt das Bundesinnenministerium unter Seehofer dagegen schon jetzt „wie ein Geisterschiff durch unsere politische Zeit“.

Am Sonntag war bekanntgeworden, dass Immer-Noch-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen wohl doch nicht als „Sonderberater“ ins Innenministerium wechselt. Dorthin sollte Maaßen abgeschoben werden nach seinen umstrittenen Äußerungen zu den rechten Ausschreitungen in Chemnitz. Der Kompromiss kam nach heftigem GroKo-Streit zustande.

Vor zweieinhalb Wochen indes hielt Maaßen eine Art Abschiedsrede im Kreis anderer europäischer Geheimdienstchefs. Und die dürfte seine Versetzung nun zunichte machen. Nach Medienberichten soll Maaßen dort seine These wiederholt haben, es habe keine „Hetzjagden“ in Chemnitz gegeben – diese seien von Medien und Politikern erfunden worden. Auch sei Maaßen die SPD angegangen: Die Partei habe eine Kampagne gegen ihn gefahren, um die Koalition platzen zu lassen. In der SPD wirkten teilweise linksradikale Kräfte.

So jedenfalls, heißt es, habe es im Redemanuskript gestanden. Das Manuskript ließ Maaßen nach taz-Informationen anschließend ins Intranet des Bundesamt für Verfassungsschutz stellen – und fand von dort offenbar seinen Weg ins politische Berlin.

Äußerungen werden geprüft

Für ein unverzügliches Amtsende Maaßens aber reichte der jüngste Eklat Bundesinnenminister Seehofer offenbar nicht. „Die Äußerungen sind bekannt und werden geprüft“, sagte am Sonntagabend ein Ministeriumssprecher der taz. „Nach Abschluss wird der Herr Minister die notwendigen Konsequenzen ziehen.“ Dies werde in dieser Woche erfolgen.

In Regierungskreisen aber war bereits von Äußerungen, „die nicht in Ordnung sind“, die Rede. SPD-Bundesvize Ralf Stegner fragte auf Twitter: „Wo bleibt der Amtsarzt?“ Maaßen sei „vollständig untragbar, daran hat sich nichts geändert“.

Ralf Stegner, SPD-Bundesvize

Wo bleibt der Amtsarzt?

Auch sein Parteikollege Uli Grötsch sagte: „Wenn Herr Maaßen uns als linksradikal bezeichnet, spricht das für sein krudes Verständnis von Politik.“ Kritik kam selbst aus der Union. „Das ist an Absurdität nicht zu überbieten“, sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) dem ZDF. Für Fehler noch befördert zu werden, „dieser Stil muss ein Ende haben“.

Seehofer hatte lange an Maaßen festgehalten, ihn als „hoch kompetent und integer“ bezeichnet. Auch nachdem die GroKo Maaßens Versetzung vereinbart hatte, behielt Seehofer ihn im Amt, bis heute. Ein Nachfolger sollte nun diese Woche präsentiert werden. Laut Focus und ARD ist dafür Thomas Haldenwang vorgesehen, der bisherige Amtsvize. Nun könnte alles etwas schneller gehen.

Grüne fordern Sondersitzung

Mit dem langen Lavieren in der Causa Maaßen hat sich Seehofer nun aber erneut den Unmut des Koalitionspartners SPD und der Opposition auf sich gezogen. Immer wieder war zuletzt über einen Rückzug Seehofers von der CSU-Spitze oder seinem Ministeramt spekuliert worden. Am Sonntag erklärte der 69-Jährige, er werde nicht vor Mitte November über seine Zukunft sprechen – dann, wenn in Bayern das neue Kabinett vereidigt wird.

Die Grünen forderten nach dem neusten Maaßen-Eklat bereits für diese Woche eine Sondersitzung des Kontrollgremiums der Geheimdienste ein. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach von einer „Realität schlechten Regierens“ und dem „Verlust jeden Anstands bei Hans-Georg Maaßen“.

Maaßen übernahm den Verfassungsschutz 2012, wenige Monate nach dem Auffliegen der rechtsterroristischen NSU-Terrorserie. In seiner Zeit wurde der Geheimdienst personell deutlich ausgebaut. Gleichzeitig avancierte Maaßen zum Kritiker der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Nun dürfte seine Amtszeit unrühmlich enden.

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