Rassismus: Ein Mensch 2. Klasse

Ein Afrodeutscher darf am Endhaltepunkt einer EC-Zugfahrt zum Aussteigen die 1. Klasse nicht betreten. Die Bundespolizei ermittelt nach Anzeige des Zugbegleiters.

Langer Fußweg bis zum Bahnhof Altona: Viele Fahrgäste machen im Zug Boden gut. Bild: Henning Scholz

Es hat eine gewisse Logik, wenn ein Euro City (EC) am späten Abend Verspätung hat, dass sich die Fahrgäste am End und Sackbahnhof Altona nach vorne begeben. Denn sonst müssten sie noch mehrere hundert Meter auf dem Bahnsteig zum Ausgang zurücklegen und würden noch mehr Zeit verlieren.

Einem in Ottensen lebenden Ghanaer mit deutschem Pass hat sein Gang durch den Zug nun eine Strafanzeige eingebracht. Ein Zugbegleiter der Deutschen Bahn, der die anderen Fahrgäste durch die 1. Klasse die Waggons passieren ließ, wollte dem schwarzen Mann den Durchgang aus der 2. Klasse verwehren. Es kam zum heftigen Disput.

Der „EC 8“ via Bremen hatte am 22. Januar dieses Jahres mal wieder Verspätung. Statt planmäßig um 21.27 Uhr in den Kopfbahnhof Altona einzurollen, passierte er erst um 21.40 Uhr den Dammtorbahnhof Richtung Altona. Die Fahrgäste der 2. Klasse machten sich quer durch den Speisewagen zu den vorderen 1. Klasse-Abteilen Richtung Zugspitze auf den Weg. Mit dabei taz-Volontärin Lena Kaiser. „Es sind allerhand Leute nach vorne gelaufen“, sagt sie.

Sie selber sei in Altona allerdings aus dem Restaurantwagen in der Mitte des Zuges ausgestiegen und habe dann auf dem Bahnsteig einen heftigen verbalen Streit zwischen einem Zugbegleiter und einem Afrikaner miterlebt. „Der Zugbegleiter hat ihm den Weg versperrt und ihn nicht weitergelassen“, berichtet Kaiser. „Das sah nach Nötigung aus.“

Sie ging dazwischen und fragte: „Was ist denn los?“ Der Mann berichtete, dass der Zugbegleiter ihn als einzigen Fahrgast in die 2. Klasse zurückgeschickt habe und er sich das nicht habe gefallen lassen. Plötzlich konfrontierte der Mann den Zugbegleiter mit der Frage: „Sind Sie Rassist?“ Lena Kaiser erinnert sich: „Der Zugbegleiter hat das nicht abgestritten und sogar, etwas beiläufig, ’ja‘ gesagt.“

Der Afrikaner erwiderte entrüstet: „Ich bin also ein Mensch 2. Klasse“, so Kaiser. „Irgendwann hab’ ich begriffen, warum er den Mann nicht gehen lassen wollte.“

In der Tat trafen dann mehrere Bundespolizisten ein. „Wir sind wegen einer tätlichen Auseinandersetzung gerufen worden“, sagt der Sprecher der Bundespolizei in Hamburg, Rüdiger Carstens. Er bestätigt den Sachverhalt. „Der Mann hatte eine Fahrkarte 2. Klasse und wollte durch die 1. Klasse gehen und ist offenbar zurückgewiesen worden“, sagt Carstens.

Danach sei es zu einer „verbalen Auseinandersetzung“ gekommen, bei der der Mann aus Ghana den Zugbegleiter nach dessen Angaben „an den Brustkorb gestoßen“ haben soll. „Wir haben eine Anzeige wegen Beleidigung und Körperverletzung aufgenommen“, sagt Carstens. „Alles andere müssen die Ermittlungen ergeben.“

Es gibt weitere Zeugen des Vorfalls. Ein Skandinavier, der oft diesen Zug nehme, habe berichtet, dass es ganz normal sei, dass kurz vor Altona die Fahrgäste nach vorne durchgehen, so Kaiser. „Das hab’ ich auch der Polizei gesagt: Es wirkt schon sehr auffällig, einen Einzigen nach hinten zu schicken, nur weil er schwarz ist.“

„In dem speziellen Fall hatte das nichts mit irgendeiner Hautfarbe zu tun“, beteuert Bahnsprecherin Sabine Brunkhorst. Grundsätzlich soll der Durchgangsverkehr vermieden werden, daher habe der Zugbegleiter den Mann schon am Hauptbahnhof aufgefordert, in seinem Waggon auszusteigen.

Daraufhin sei der Mitarbeiter nach eigenen Angaben als „Rassist beschimpft und geschubst worden“, bevor sich der Mann „ein zweites Mal vorbeigeschummelt“ habe, sagt Brunkhorst – und unterstreicht: „Rassismus passt nicht zu unserer Unternehmenskultur.“

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