Randy Newman über Musik und die USA: „Ich mache mir Sorgen um Amerika“

Der Komponist und Sänger erzählt von seiner Karriere, der Furcht vor der Sezession der Südstaaten – und von der Relevanz von Madonnas Kleidern.

Randy Newman singt in ein Mikrofon

Musiklegende Randy Newman hat etwas zu sagen – sein Werk hält er aber nur teilweise für politisch Foto: dpa

taz: Randy Newman, Sie haben gerade ein paar Konzerte zum neuen Album, „Dark Matter“ gegeben – eine erfreuliche Sache?

Randy Newman: Ja. Aufzutreten finde ich immer erfreulich.

Macht es einen Unterschied, ob Sie in den USA spielen oder anderswo?

Ja, schon. Zu Hause kann ich mehr reden, aber das ist gar nicht die Hauptsache. Ich habe auch nicht festgestellt, dass meine europäischen Zuschauer andere Sachen mögen als meine amerikanischen, jedenfalls nicht merklich. Es gibt also eigentlich nur eine gewisse Sprachbarriere.

Verstehe. Ich hätte mir vorstellen können, dass gerade nicht-amerikanisches Publikum vielleicht mehr über Ihren derzeitigen Präsidenten hören möchte.

Ja, da ist was dran. Nehmen wir einen alten Song wie „Political Science“

… in dem Sie sich 1972 satirisch mit der US-Außenpolitik befasst haben.

74, geboren in Los Angeles, ist Sänger und Texter, Komponist und Arrangeur von – gern satirischen – Popsongs. Seit den 1980er Jahren hat er regelmäßig auch Filmmusik geschrieben. Er war insgesamt 20-mal für den Oscar nominiert und erhielt davon zwei für „Best Original Songs“, dazu unter anderem drei Emmys und sechs Grammys.

Newman, der erklärte Unter­stützer von Barack Obamas Wiederwahl 2012, ist zum zweiten Mal verheiratet, hat fünf Kinder und lebt in Pacific Palisades, Los Angeles – „nur ein paar Hausnummern“ entfernt von Thomas Manns einstiger Residenz.

Der wird in den Vereinigten Staaten als komödiantisch verstanden – oder zumindest so gemeint. Heute ist es ja etwas schwieriger geworden, darüber zu lachen. Es wirkt, als sei die Sache ernster.

Sie haben mal gesagt, möglicherweise war es im Gespräch mit dem Podcaster Marc Maron, Sie hätten nie daran geglaubt, dass die Dinge besser gewesen seien, in irgendeinem mysteriösen Früher.

Stimmt, das hab ich nie geglaubt.

Aber für das jüngste Album haben Sie sich ein altes Stück erneut vorgenommen – „It’ s a Jungle Out There“. Stützen Sie sich da nicht ein klitzekleines bisschen auf vergangene Errungenschaften? Oder ist der Song, sein Text zumal, schlicht aktueller denn je?

Ich hatte das einfach nie richtig zu Ende gebracht. Ich hab das Stück ja ursprünglich für eine Fernsehserie komponiert, „Monk“. Da war es nur eine Minute lang, aber die Leute mochten es in dem Zusammenhang, und so hab ich es nun endlich abgeschlossen und aufgenommen. Aber mein ganzer act fußt darauf, dass ich ältere Werke spiele: Songs, die ich in den Sechzigern komponiert habe, in den Siebzigern und so weiter. Es heißt also nicht, dass ich keine Sachen aus der Vergangenheit spiele. Wissen Sie, für mich klingt die Musik von damals besser als die heutige – aber genau dieser Einschätzung traue ich nicht. Ich weiß ja: Wenn man jung ist, klingt die jeweilige zeitgenössische Musik besser. Aber ich misstraue in dieser Sache meiner eigenen Meinung: Ich bin sicher, die Musik der Gegenwart ist genauso gut – bloß halt nicht für mich.

Sie haben eigentlich Ihre ganze Karriere hindurch Songs „in character“ geschrieben und vorgetragen, sind also in Rollen geschlüpft. Übers neue Album, insbesondere das Auftaktstück „The Great Debate“, haben Sie gesagt, da gebe es „andere Stimmen“, die hereinkämen.

Ja, genau. Ich wollte mal etwas anderes machen. Um zu sehen, ob ich das kann. Ob es gemacht werden kann und das Ergebnis zu verstehen ist. Ich glaube, es hat geklappt. Es ist aber erst mal schwieriger, so zu arbeiten: erst mit einer Stimme sprechen, dann mit einer anderen.

Sie lassen in dem Stück Religiöse und nicht religiös, sondern wissenschaftlich Denkende gegeneinander antreten.

Ich muss darauf achten, dass die Hörer immer wissen, wer gerade spricht. Weiß nicht, ob ich so was noch mal mache. Könnte sein.

Sie haben auch mal prognostiziert, Musik werde die Welt eher nicht verändern. Und dass Sie Songs nicht mögen, die allzu offensichtlich mit einer Botschaft daherkommen. Und doch ist Ihr Werk größtenteils als politisch zu lesen. Oder nicht?

Nein, nicht größtenteils. Zum Teil, ja. Manchmal versuche ich zu sagen: Dieses oder jenes ist falsch. Ich glaube nur nicht, dass die Leute einen Song hören und plötzlich sagen: Oh, ich lag falsch, tut mir leid, ich werde mich bessern. Ich glaube, was Madonna für Klamotten anhatte, wie sie auftrat: Das hatte sehr viel mehr mit der Welt zu tun als das, was irgendwer sang.

Eine sehr gute Beobachtung.

Dankeschön.

Was ich an Ihrer Arbeit immer bemerkenswert fand, Sie verfallen nie in Schwarz-Weiß-Malerei. Als Sie in den Siebzigern über „Rednecks“ gesungen haben, haben Sie ja die urbanen Liberalen nicht verschont. Wenn Sie einen Südstaaten-Eiferer porträtieren, wollen Sie immer auch seine Perspektive verstehen. Ist diese Methode heute nicht dringender nötig denn je?

Oh, das ist sie. Denn heute ist die Welt beinahe absolut schwarz-weiß. Das ist es nie ganz, es gibt immer Grau. Niemand ist nur gut oder nur böse, liegt immer richtig oder immer daneben. Niemand. Aber heute fühlt es sich an, als würden die Leute genau das denken. Du hörst sie sagen: Ich könnte nie befreundet sein mit jemandem der das und das vertritt. Das ist keine gute Sache. Gehen wir davon aus, dass ich weiter Songs schreibe: Im Moment fühlt es sich an, als wäre einer der nächsten über eine Sezession. Darüber, wie der Süden sich wieder lossagt. Denn so fühlt es sich an: Wie damals, in den 1840er, 1850er Jahren, als all diese Kompromisse geschlossen wurden in dem Versuch, beide Seiten zufriedenzustellen, den Süden und den Norden.

Sie haben gesagt, Sie interessierten sich sehr für die USA.

Ja, das stimmt.

Deshalb handeln viele Ihrer Songs von Amerika und davon, wo es steht. Sind Sie besorgt wegen Ihres Landes?

Ja, das bin ich. Mehr, als ich es je gewesen bin. Wegen der Unfähigkeit der einen Seite, der anderen zuzuhören. Wissen Sie, ich selbst höre der anderen Seite auch nicht zu, weil diese Leute derart weit ab vom US-Mainstream sind. Aber es gab Millionen, die gedacht haben, was die denken, und das für eine lange Zeit. Sie hatten nur keine Repräsentation – jetzt haben sie eine.

Hätten Sie Hoffnung, diese Menschen zu erreichen, oder ist der Spalt, wenn wir es so nennen wollen, zu breit und tief? Anders gefragt: Kommen Leute von der anderen Seite zu Ihren Konzerten?

Nein, die nicht. Da liegen die Dinge beinahe sortenrein schwarz-weiß. Das heißt: Im Süden vielleicht. Ich habe gerade in New Orleans gespielt, da mögen ein paar im Publikum gewesen sein, die wollten einfach was von „Good Old Boys“ hören, die Songs, aber nicht mein Gerede. Und sie wollten sie so gedeutet hören, wie sie selbst sie deuten. „Rednecks“ hab ich nicht gespielt. Ich spiele das zurzeit nicht.

Ändern Sie Ihr Set, je nachdem, was für ein Publikum gekommen ist?

Ja, auf der Bühne noch. Ich habe eine Liste, aber die kann ich ändern. Dem Publikum anpassen. Berlin ist dann anders als Hamburg.

Wir haben über Ihr Songwriting „in character“ gesprochen und über die „anderen Stimmen“ auf dem jüngsten Album. Das sind ja literarische Techniken. Haben Sie selbst eigentlich je darüber nachgedacht, etwas anderes zu schreiben als Liedtexte – ein Buch?

Darüber nachgedacht schon, aber nie getan. Am ehesten vielleicht, als ich aus „Faust“ ein Musical gemacht habe. Ich verspüre, ehrlich gesagt, keinen echten Drang zu schreiben – es sei denn, ich muss.

Wo Sie das Faust-Musical erwähnen: Warum haben Sie es eigentlich bisher nicht in Deutschland aufgeführt, wie Sie das mal als Wunsch formuliert haben?

Das würde ich gerne. Aber ich hab es auch nie wirklich darauf angelegt.

Aber wenn jemand Sie einladen wollte, wären Sie gesprächsbereit?

Ja, unbedingt.

Wie vor Kurzem bekannt wurde, muss Newman die Termine seiner „Dark Matter“-Europatour im Februar aus gesundheit­lichen Gründen absagen. Wegen bestehender Folgeverpflichtungen Newmans sind vorerst keine Nachholtermine geplant.

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