Räumumngsklage Rigaer Straße 94: Tragödie. Farce. Kapitalismus

Die ominöse Eigentümerfirma verzichtet auf eine Fortführung der Klage gegen die Kneipe Kadterschmiede. Erspart bleibt ihr so die Monster-Farce.

Ein Plakat: Marx mit herausgestreckter Zunge

Bätsch, Kapitalismus! Foto: dpa

BERLIN taz | Den Philosophen Hegel ergänzend, dass sich weltgeschichtliche Tatsachen stets zweimal ereignen, schrieb Karl Marx einst: „Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“ Wie eine dritte Wiederholung zu bezeichnen sei, hat Marx nicht hinterlassen, in der Sprache von heute ausgedrückt, wäre es mindestens eine Monster-Farce. Richtigerweise könnte man auch sagen: kapitalistische Realsatire.

Eine solche, und das ist für alle Beteiligten zu begrüßen, bleibt den Berliner Gerichten nun erspart: Die britische Briefkastenfirma „Lafone Investments Limited“ gibt ihre – sofern man sie hier als Subjekt benennen kann – Bemühungen auf, einen Räumungstitel gegen die Autonomenkneipe „Kadterschmiede“ im linksradikalen Hausprojekt Rigaer Straße 94 zu erwirken. Am Montag zumindest war ihre Berufungsfrist gegen die im Mai zum wiederholten Male vom Landgericht abgeschmetterte Klage verstrichen.

Damit steht fest, dass die „Kadterschmiede“ sowie kleinere Werkstatt­räume im Hof der Rigaer94 bis auf Weiteres bleiben werden, sofern die Polizei – und das darf man erwarten – nicht noch einmal wie im Juni 2016 den Willen der Eigentümer vollstrecken wird, ganz ohne Räumungstitel. Ärgern wird das nicht zuletzt den/die Hauseigentümer und die Polizei, sondern auch die Post-Henkel-CDU oder den Linken-Hasser Tom Schreiber (SPD). Für sie alle ist es eine Lektion in Sachen Rechtsstaat.

Lernen können sie, dass es nicht ausreicht, nur so zu tun, als sei man eine Firma, selbst wenn es gegen vermeintliche Staatsfeinde geht: Eine Postanschrift in einem nordenglischen Business-Park, ein Kapital von einem Pfund und wechselnde, nicht greifbare Personen, die als Strohmänner die Geschäftsführertätigkeit innehaben sollen, genügen zum Glück nicht, um vor Gericht klageberechtigt zu sein. Nötig wäre zumindest ein Nachweis gewesen, dass der jeweils behauptete Geschäftsführer tatsächlich in Amt und Würden ist.

Fast hätte man Mitleid mit ihrem traurigen Anwalt bekommen können

Doch das war für die Lafone ein unmögliches Unterfangen. Schon bei der ersten Räumungsklage im Februar 2017 scheiterte sie an diesem Nachweis. Das Verfahren entblößte sie als führungslos, noch nicht einmal der Anwalt konnte nachweisen, ordnungsgemäß berufen zu sein. Die Tragödie war perfekt. Mehr als ein Jahr später, Mitte Mai dieses Jahres, folgte die Farce. Wieder fehlte ein nachvollziehbarer notarieller Nachweis über den angeblichen neuen Geschäftsführer. Fast hätte man Mitleid mit ihrem traurigen Anwalt bekommen können.

Der Verzicht auf einen weiteren Anlauf ist folgerichtig. Wenn der wahre Eigentümer sein Recht geltend machen will, soll er aus der Anonymität seiner Scheinfirma treten. Oder für immer schweigen.

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