Radrennen Giro d’Italia: Sie nannten ihn Rosa Luxemburg

Beim Italien-Radrennen kommt es zu wunderbaren Sprachbildern – zuletzt als Bob Jungles aus Luxemburg ins rosa Trikot schlüpfte.

Mehrere Radfahrer fahren vor einer bergigen Landschaft hintereinander weg

Der Giro hat die Alpen erreicht, und die Berichterstatter drehen am Rad Foto: dpa

CASTELROTTO taz | Der Giro d’Italia ist alles, auch eine Metaphernschmiede. Besonders Fahrer aus den kleinen Radsportnationen wie etwa Bob Jungels aus Luxemburg und Andrey Amador aus Costa Rica inspirieren mit ihren Erfolgen förmlich zum verwegenen Formulieren. „Rosa Luxemburg war schon beim Giro d’Italia“, meldete die spanische Tageszeitung El Pais, als Jungels drei Tage lang das Rosa Trikot des Spitzenreiters trug. Mittlerweile ist Jungels nur noch „Bianca Luxemburg“; er trägt noch das Weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers.

Das rosa Führungsleibchen zog ihm auf der ersten echten Bergetappe Andrey Amador aus, auch er ein Vertreter einer kleineren Radsportnation. Das sporthistorisch erste Rosa Trikot für das lateinamerikanische Land inspirierte einheimische Fans dazu, die Rauch-und-Asche-Wolke, die der Vulkan Turrialba am gleichen Tag bei einem heftigen Ausbruch über Costa Rica schleuderte, mittels Bildbearbeitungsprogrammen rosa zu färben. Ein ganzes Land schwelgte im rosa Delirium. Sportstars wie Real Madrids Torhüter Keylor Navas gratulierten via Twitter und natürlich auch der Präsident des Landes.

Das Glück hielt freilich nur einen einzigen Tag. Am Samstag verlor Amador das Rosa Trikot an den Niederländer Steven Kruijswijk. „Wir haben damit gerechnet. Andrey ist ja kein reiner Kletterer. Nun muss er vor allem mental damit umgehen, so schnell von ganz oben wieder heruntergefallen zu sein“, sagte sein Sportlicher Leiter José Luis Jaimerena.

Doch genau darum muss sich der Movistar-Betreuer gar nicht sorgen. Denn mentale Stärke zeichnet Amador schon länger aus. Der Sohn eines costa-ricanischen Vaters und einer russischen Mutter war lange Zeit wegen seiner Malheurs bekannter als wegen seiner sportlichen Taten. Im Dezember 2010 wurde er beim Training in der Heimat von Räubern überfallen und bewusstlos geschlagen. Kaum regeneriert, brach er sich das Schlüsselbein. Das wuchs ihm auch ohne Operation wieder zusammen, so dass er noch im selben Jahr bei der Tour de France antreten konnte. Den Startplatz dort erhielt er allerdings nur, weil der eigentlich dafür vorgesehene Xavier Tondo vor seiner Garage von einem Auto überrollt wurde und starb.

„Das ist nun schon der fünfte in meinem Leben“

Bei seiner Debüttour stürzte Amador – natürlich! – und verletzte sich das Sprunggelenk. Er hielt dennoch durch, und die Teamärzte staunten. Das Verletzungspech blieb ihm jedoch weiter treu. 2013, bei der Tour de Romandie, erlitt er wieder einen Schlüsselbeinbruch. „Das ist nun schon der fünfte in meinem Leben. Inzwischen weiß ich ganz gut, wann nach einem Sturz das Schlüsselbein gebrochen ist und wann nicht“, meinte Amador sarkastisch.

Zu der Zeit mischten sich aber schon Erfolge ins Verletzungspech. 2012 gewann er beim Giro seine erste Bergetappe. Da düpierte er in einer Fluchtgruppe unter anderem den NetApp-Profi Jan Barta. Im letzten Jahr wurde er als Verlegenheitskapitän von Movistar Gesamtvierter bei der Italien-Rundfahrt. In diesem Jahr rückte er wieder ins zweite Glied zurück. „Ich bin hier als Helfer für Alejandro Valverde. Er ist stärker als ich und kann das Rennen gewinnen“, beschrieb er selbst seine Rolle. Als letzter Mann für Valverde in den Bergen platzierte er sich aber auch selbst weit vorn in der Gesamtwertung. Und er holte mit eigenen Attacken immer mal wieder Sekunden heraus. Das führte dann auch zum allerersten Rosa Trikot für Costa Rica.

Nur eines gelang Amador nicht: schon Mitte der letzten Woche beim Zeitfahren in Chianti Rosa zu holen. Dabei waren Vater Rodolfo und Mutter Raisa extra aus Costa Rica nach Europa gereist. Die mussten sich dort dann aber noch das Regime von Rosa Luxemburg anschauen.

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