Queeres Leben: Farbe gegen die Vielfalt

Der Landesaktionsplan Homophobie existiert bislang vor allem auf dem Papier. Derweil wird das Rat&Tat-Zentrum mehrmals Opfer von Angriffen

Rat&Tat-Zentrum Bremen

Wurde in diesem Jahr schon vier Mal angegriffen: Rat&Tat-Zentrum Bremen Foto: Privat

BREMEN taz | Der Plan ist gut, soweit sind sich alle einig, sogar alle Fraktionen in der Bürgerschaft. Nur ist er eben auch schon aus dem vergangenen Jahr, der “Landesaktionsplan gegen Homo-, Trans- und Interphobie“ (LAP) für Bremen. Nur: Viel passiert ist seither noch nicht, zumindest nicht auf offizieller Seite.

Dass er notwendig ist, zeigen gleich mehrere Übergriffe auf das Rat&Tat-Zentrum Bremen, wo der LAP federführend entstanden ist. Vier Mal ist der im Viertel ansässige „Verein für queeres Leben“ in diesem Jahr schon Opfer von Attacken geworden. Zuerst wurde die Schaufensterscheibe eingeschlagen, dann, in den letzten Wochen, die Hauswand mit Farbe beschmiert, zwei Mal; zudem haben Unbekannte Buttersäure an die Tür gegossen. Dabei sind die Anfeindungen, „an die wir seit mehr als 30 Jahren gewöhnt sind“, wie Vorstand Rainer Neumann sagt, in den letzten Jahren „weniger geworden“. Früher, erzählt Neumann, hätten Gäste wegen persönlicher Bedrohung häufiger mal die Hilfe der Polizei gebraucht. Nun aber hat sich das Rat&Tat-Zentrum wiederholt gegen die homophobe Politik stark gemacht und durch den LAP „viel Aufmerksamkeit“ erfahren, so Neumann – „was sicher nicht jedem gepasst hat“.

Den Aktionsplan „werden wir gemeinsam mit den Akteuren umsetzen“, heißt es im rot-grünen Koalitionsvertrag. „Das geht nicht mit einem Fingerschnipp, sondern ist ein dickes Brett, das gebohrt werden muss“, sagte Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) in einem Interview im Sommer.

Es geht um geschätzte 27.500 homo-, bi-, trans- oder intersexuelle BremerInnen – und um eine große Vielzahl von Themen, um Regenbogenfamilien und queere Menschen mit Kinderwunsch, um Schulaufklärung und die Fortbildung von LehrerInnen, ErzieherInnen, Mitarbeiter in Altenheimen, Behörden, Institutionen. Es geht aber auch um queere Menschen mit Behinderung und Migrationshintergrund oder Flüchtlinge, die ob ihrer sexuellen Orientierung aus Russland oder Afrika geflohen sind. Insgesamt sei die Nachfrage nach Unterstützung durch das Rat&Tat-Zentrum mit dem LAP „stark gestiegen“, so Neumann, und es gebe „lauter neue Kooperationen“, etwa mit Werder.

Auch personell hat das Rat&Tat-Zentrum aufgestockt – derzeit ist dies aber nur kreditfinanziert. Im aktuellen Landesetat ist dafür kein Geld vorgesehen, heißt es im Sozialressort – in den Haushalten ab 2016 sollen jeweils 100.000 Euro für die Umsetzung des LAP hinterlegt werden, sagt ein Ressortsprecher. Was bisher geschah? Auf Nachfrage wird auf ein „Ausbildungsmodul“ bei ErzieherInnen und Sozialpädagogen verwiesen, und auf einen „Medienkoffer“ für die Kinder- und Jugendarbeit.

„Es besteht die Gefahr, dass zu viel Zeit zur Umsetzung verloren geht“, sagt Neumann. Zudem würden qualifizierte Fachleute, die an dem Plan mitgearbeitet haben, in andere Länder abgeworben, wo es ähnliche Initiativen gibt. „Wir fordern vor allem ein sofortiges Signal, dass mit der Umsetzung offiziell begonnen wird“, so Neumann. Bislang seien im Rat&Tat-Zentrum aber „noch keine konkreten Aussagen“ der rot-grünen Regierung angekommen. Die Anfragen haben bereits „stark zugenommen“, so Neumann, bei allen fraglichen Themen. „Nun brauchen wir die personellen und finanziellen Ressourcen.“

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