Putsch in Mali: Soldaten übernehmen selbst

Soldaten in Mali haben genug von der Unfähigkeit des Staates, die Tuareg und Islamisten zu befrieden. Jetzt haben sie offenbar geputscht.

In Bamako werden die Soldaten freudig begrüßt. Bild: dapd

BERLIN taz | In Mali, wo Tuareg-Rebellen und bewaffnete Islamisten die Armee immer stärker in Bedrängnis bringen und Kämpfe viele Menschen in die Flucht treiben, haben unzufriedene Soldaten offenbar geputscht.

Nach heftigen Schusswechseln in der Hauptstadt Bamako am Mittwochabend und der Besetzung des Präsidentenpalasts trat am Donnerstagmorgen ein Leutnant namens Amadou Konaré umgeben von weiteren Uniformierten im Staatsfernsehen auf und verkündete, die Regierung von Präsident Amadou Toumani Touré sei gestürzt.

Ein „Nationalkomitee zur Aufrechterhaltung der Demokratie und zur Wiederherstellung des Staates“ (CNRDRE), geführt von Armeeleutnant Amadou Konaré, habe seine „Verantwortung wahrgenommen“ und die Macht übernommen, hieß es. Die Junta verhängte wenig später in einer zweiten Erklärung eine Ausgangssperre.

Das Schicksal des Präsidenten Touré war am frühen Morgen unklar. Außenminister Soumeylou Boubeye Maiga und andere Regierungsmitglieder waren in Haft, erklärten die Putschisten. Berichten zufolge befand sich der Präsident nicht im Palast, als dieser trotz heftiger Gegenwehr seitens der Präsidialgarde in der Nacht an die Meuterer fiel.

Knapp 200.000 Menschen aus Mali sind auf der Flucht. Bild: screenshot Google Maps

Die neue Junta erklärte, sie sei in Aktion getreten, weil die alte Regierung das Land nicht gegen bewaffnete Rebellen und Terroristen geschützt habe. Man wolle aber nicht selbst an der Macht bleiben, sondern eine Regierung der nationalen Einheit bilden. Die Verkündung des Putsches war eigentlich schon für den späten Mittwoch abend geplant, aber die Technik im Staatsfernsehen funktionierte zunächst nicht und die ganze Nacht blieb in Bamako völlig unklar, was eigentlich los war.

Stützt der Präsident die Revolte?

Bevor sie den Präsidentenpalast besetzten, liefen die Meuterer in Bamako schießend durch die Straßen und erklärten, sie wollten Waffen und Munition, um gegen die Rebellen kämpfen zu können. Man habe die Nase voll von der Unfähigkeit des Staates, hieß es.

Dass Malis Armee, der der Präsident entstammt, nicht in der Lage ist, das Staatsgebiet gegen ein paar Hundert Bewaffnete in der Tuareg-Rebellenarmee MNLA (Nationalbefreiung zur Befreiung von Azawad) und den Islamisten der al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQMI) zu verteidigen, weckt bei ATTs Gegnern immer wieder den Verdacht, der Präsident selbst stütze die Revolte. Schon in vergangenen Jahren wurde Malis Präsident immer wieder von Algerien und Mauretanien beschuldigt, die Präsenz von AQMI-Kämpfern auf malischem Gebiet zu dulden.

„Die MNLA ist auf Anweisung des Präsidenten einmarschiert“, behauptet zum Beispiel in ihrer heutigen Ausgabe die malische Tageszeitung Le Matin. In einem Kommentar, der sich wie eine Vorlage zum Putsch liest, wirft das Blatt dem Präsidenten vor, sich mit der Rekrutierung von Arbeitslosen als Soldaten zu begnügen, die dann nicht vernünftig ausgebildet würden.

Es gebe nicht einmal genug Leute im Militär, die Autos fahren könnten, von Piloten ganz zu schweigen; von der Front aus könne man meist den Generalstab nicht telefonisch erreichen, und der Kampf gegen die Rebellen sei weitgehend die Sache einer Handvoll auf sich gestellter Offiziere. Aufgrund dieser Lage würden zunehmend lokale Selbstverteidigungsmilizen die Initiative ergreifen.

Tatsächlich haben Ausschreitungen gegen Tuareg im Süden Malis, Demonstrationen zorniger Angehöriger von Soldaten und die Flucht von knapp 200.000 Menschen inner- und außerhalb des Landes haben in den vergangenen Wochen immer wieder den Eindruck erzeugt, Mali stünde kurz vor dem Zusammenbruch.

Letzte Woche fiel die Garnisonsstadt Tessalit an die Rebellen. In der Stadt Gao demonstrierten daraufhin wütende Jugendliche gegen die „Teilung des Landes“. Am Montag gab die MNLA bekannt, 28 gewählte Amtsträger und hochrangige Soldaten hätten sich der Rebellion angeschlossen, weil sie „die Massaker der Armee an der friedlichen Bevölkerung von Azawad“ nicht mehr mit ansehen könnten. Sie veröffentlichte die Namensliste auf ihrer Webseite und sagte, viele weitere Namen würden folgen. Das erzeugte im Militär wohl den Eindruck, die Rebellion habe den Staat so weit infiltriert, dass man zum Handeln gezwungen sei.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.