Putin fährt nach Hannover: Väterchen Frost bei Mütterchen Kühle

Putin eröffnet mit Merkel am Montag die Hannover-Messe. Aber langsam gehen die Deutschen auf Distanz zu Russland. Den Präsidenten irritiert diese neue Entwicklung.

Schon damals nicht ganz entspannt: Merkel und Putin im November 2012. Bild: dpa

MOSKAU taz | Auf die Feier bei Gerhard freue er sich schon, ließ Wladimir Putin über seinen Pressesprecher wissen. Am Sonnabend reist der Kremlchef zuerst zu Gerhard Schröders 69. Geburtstag nach Hannover. Am Sonntag ist dann am selben Ort ein Treffen mit der Bundeskanzlerin geplant. Montags eröffnen beide die Hannover Messe, an der Russland diesmal in der Funktion als Partnerland teilnimmt.

Putin will für Investitionen in seinem Reich werben, die in letzter Zeit immer spärlicher werden. Neben Syrien, der Zypernkrise und Nordkorea sollen auch die überfallartigen Kontrollen deutscher Stiftungen durch russische Behörden im März angesprochen werden. Human Rights Watch und Amnesty International forderten Angela Merkel bereits auf, auch die konzertierten Aktionen gegen russische NGOs der letzten Wochen offen zu benennen.

Putin sei darauf vorbereitet, er werde Rede und Antwort stehen, verlautete dazu aus dem Kreml. Vor verhaltener Kritik aus dem Westen hat der Autokrat keine Angst. In den meisten Fällen ist Putin auf die Fragen bestens vorbereitet und versucht sein Gegenüber durch hanebüchene Vergleiche zu verunsichern. Beim letzten Petersburger Dialog etwa unterstellte er der Punkband Pussy Riot antisemitische Ziele, obwohl die Aktion, die er aufrief, genau das Gegenteil beabsichtigt hatte. Für den Freund des Kickboxens ist auch in der Politik alles erlaubt. Man darf gespannt sein, mit welchen Vergleichen der Schutzpatron autoritärer Systeme diesmal aufwarten wird. Er kommt um Auszuteilen, nicht zum Diskutieren.

Russlandkenner sind wieder gefragt

Allerdings ist die Haltung gegenüber Putins Russland in Deutschland etwas vorsichtiger geworden. Nur der Lobbyverein des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft biedert sich noch hemmungslos an. Nach der Resolution des Bundestages zum russischen Demokratiedefizit im November und den Razzien bei deutschen Stiftungen wächst die Erkenntnis, dass das seit 20 Jahren verfolgte Konzept der verständnisvollen Zurückhaltung gegenüber Russland gescheitert ist.

Je mehr Zurückhaltung, desto anmaßender tritt der Kreml auf. Bislang beherrschten die alles rechtfertigenden Russlandversteher den öffentlichen deutschen Diskurs - trotz umfassender medialer Kritik. Inzwischen sind aber auch Russlandkenner wieder gefragt. Einer jener „Versteher“ ist Alexander Rahr, der sich als Kreml-Sprachrohr einen Namen machte. Lange Zeit war er bei der DGAP (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik) für Russland zuständig, inzwischen hat er beim Gaslobbyisten Wintershall BASF im direkten Russlandgeschäft angedockt.

Einmal der Frage nachzugehen, inwieweit die Befassung mit Russland in einem zentralen außenpolitischen Thinktank auch durch russische (Oligarchen)-Gelder mitfinanziert worden sein könnte, wäre sicherlich aufschlussreich. Inzwischen formiert sich auch Protest in der akademischen Welt.

Doch nur ein „ausländischer Agent“

Moskau blufft, die deutsche Wirtschaft blufft mit Der Kreml ist irritiert, bislang konnte sich Russland auf ein blauäugiges Deutschland verlassen, das sich in der Rolle als Anwalt Moskaus gut gefiel. Berlin schaute demonstrativ weg, wenn englische und US-amerikanische Nichtregierungsorganisationen von Schergen des Kreml drangsaliert wurden. Plötzlich stehen die vor der eigenen Tür!

Vor der Tür des „Modernisierungspartners“ Deutschland, der sich ein Projekt nach dem anderen aus den Fingern saugt, um zumindest selbst an den russischen Modernisierungswillen zu glauben. Putin sieht in dem Partner doch eher einen „ausländischen Agenten“ So ist außer der Nordstream Pipeline auch kein anderes Projekt in den letzten zehn Jahren umgesetzt worden.

Die Vorsicht Berlins beruht auf der irrigen Annahme, Russland nicht gewachsen zu sein. Wirtschaftlich ist Moskau verglichen mit Deutschland ein Zwerg. Es rangiert an 11. Stelle der wichtigsten deutschen Handelspartner. Umgekehrt hat Berlin für Russland weit mehr Bedeutung. Auch die Angst der deutschen Wirtschaft, Moskau könne sich China zuwenden, entspricht nicht Stand und Intensität der Beziehungen zu Peking. Moskau blufft und die deutsche Wirtschaft blufft mit. Die Vorstellung ein russischer Beamter könnte vom Mercedes auf irgendein China-Mobil umsteigen, ist geradezu absurd. Es wäre unter seiner Würde.

Etwas mehr Prinzipientreue könnte sich die Kanzlerin daher schon leisten. Zweifel sind jedoch angebracht, nachdem Berlin dem Druck des Kreml überraschend nachgab und allen russischen Bürokraten Visafreiheit einräumte. Ausgerechnet jener Schicht, deren korrupt krimineller Virus hoch infektiös ist.

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