Prozessbeginn in Paraguay: Das Massaker vor dem Putsch

2012 führte eine Schießerei zwischen Bauern und Polizei zum Sturz des linken Präsidenten Fernando Lugo. Was damals genau geschah, ist umstritten.

2012 in Curuguaty: Landlose stehen um die Leiche eines erschossenen Compañeros.

2012 in Curuguaty: Landlose stehen um die Leiche eines erschossenen Compañeros. Foto: reuters

BUENOS AIRES taz | In Paraguay beginnt am Montag der Prozess gegen 13 Kleinbauern wegen des Massakers von Curuguaty. Die 10 Männer und 3 Frauen sollen sich vor Gericht für den Tod von 6 Polizisten verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft den 13 Campesinos Mordversuch, Widerstand gegen die Staatsgewalt und illegale Landbesetzung vor. Bei einer Verurteilung drohen ihnen bis zu 30 Jahren Gefängnis.

Auf einem Landgut im Bezirk Curuguaty, rund 380 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Asunción, waren am 15. Juni 2012 bei mehrstündigen Kämpfen 17 Menschen ums Leben gekommen.

Die Polizei hatte versucht, rund 100 Kleinbauernfamilien zu vertreiben, die das etwa 2.000 Hektar große Gebiet besetzt hatten. Am Ende waren 11 Kleinbäuerinnen und Kleinbauern und 6 Polizisten tot; mehr als 80 Menschen wurden verletzt.

Die politische Opposition hatte den blutigen Vorfall benutzt, um den linken Präsidenten Fernando Lugo aus dem Amt zu hebeln. Nur wenige Tage nach dem Massaker wurde Lugo in einem Eilverfahren seines Amtes enthoben. Nachdem ihn das Parlament mit großer Mehrheit abgesetzt hatte, sprach er von einem „Staatstreich im Expressverfahren“.

Vorsatz zum Sturz des Präsidenten?

Was am 15. Juni 2012 auf dem Landgut genau geschah, ist bis heute umstritten. Die Polizei wirft den Bauern vor, bei dem Räumungsversuch ohne Vorwarnung und gezielt auf sie geschossen zu haben. Die Campesinos machen dagegen unbekannte Scharfschützen verantwortlich, die plötzlich das Feuer auf die anrückenden Polizisten eröffnet hätten.

Hartnäckig hält sich der Verdacht, das Massaker sei absichtlich herbeigeführt worden, um den Präsidenten aus dem Amt jagen zu können.

Vor Gericht müssen sich jedoch nur die Campesinos verantworten. Von den 13 Angeklagten stehen 12 unter Hausarrest, einer sitzt wegen eines anderen Verfahrens in Haft. Ermittlungen oder gar eine Anklage gegen die beteiligten Polizisten wurden von Staatsanwaltschaft und Richtern nicht für nötig erachtet. Die Sicherheitskräfte hätten lediglich in Notwehr gehandelt, so das Argument.

Der bisher einzige Lichtblick für die Angeklagten ist, dass es ihren Anwälten gelungen ist, den Prozess in die Hauptstadt verlegen zu lassen. Die dadurch mögliche größere Öffentlichkeit lässt eher ein rechtsstaatliches Verfahren erwarten, als es in der abgeschiedenen Provinz möglich wäre.

„Das Agrobusiness expandiert ausgesprochen aggressiv“

Das Landgut gehörte dem inzwischen verstorbenen Senator und Großgrundbesitzer Blas Riquelme. Er hatte Staatsländereien von Diktator Alfredo Stroessner (1954–1989) bekommen, wie die offizielle Wahrheitskommission zur Aufarbeitung der Diktaturverbrechen berichtete. Ein zu Stroessners Zeiten üblicher Vorgang, bei dem sich die Nutznießer der Diktatur reichlich und günstig mit Staatsland versorgten.

Auch deshalb sind in Paraguay noch immer 80 Prozent des fruchtbaren Bodens im Besitz von knapp 2 Prozent der Bevölkerung. Fast täglich demonstrieren Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sowie Landlose für eine Umverteilung. Bisher sind jedoch alle Versuche einer tatsächlichen Landreform gescheitert.

Der Prozess wird von einem Bündnis von sechs deutschen Nichtregierungsorganisationen begleitet. „Die Situation in Paraguay spitzt sich seit dem Massaker von Curuguaty weiterhin zu,“ erklärt Regine Kretschmer von der Organisation Fian. „Das Agrobusiness expandiert seither ausgesprochen aggressiv und kann auf Straflosigkeit oder gar Komplizenschaft der repressiven Kräfte des Staates bauen. Rechte der Bäuerinnen, Bauern und Indigenen werden systematisch verletzt“, berichtet sie.

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