Prozess gegen Auschwitz-Wachmann: Wegen Beihilfe zum Mord angeklagt

Das Landgericht Mannheim muss entscheiden, ob es den Prozess gegen einen 94-Jährigen eröffnet. Derzeit laufen mehrere Verfahren gegen Nazi-Greise.

Das Vernichtungslager in Auschwitz

Nichts vom Massenmord mitbekommen? Der Beschuldigte hat in Auschwitz-Birkenau Dienst geleistet Foto: reuters

BERLIN taz | Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat gegen einen ehemaligen SS-Wachmann des Vernichtungslagers Auschwitz Anklage erhoben. Der 94-Jährige soll sich wegen Beihilfe zum Mord verantworten. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft war er von Anfang Dezember 1942 bis Ende Januar 1943 im Wach- und Bereitschaftsdienst eingesetzt und habe auch im Vernichtungslager Birkenau seinen Dienst getan.

Dem Mann wird vorgeworfen, durch seine Tätigkeit die Vernichtung von Juden unterstützt zu haben. Im Zeitraum seines Wachdienstes seien mehr als 13.000 Menschen, die mit Deportationszügen in das Lager gebracht wurden, als „nicht arbeitsfähig“ eingestuft und in den Gaskammern ermordet worden.

Der Beschuldigte lebt im Raum Mannheim. Zu den Vorwürfen hat er über seine Verteidigung mitteilen lassen, dass er vom Mordgeschehen in Auschwitz damals nichts mitbekommen habe.

Die Anklage geht auf Vorermittlungen der Zentralen Stelle zur Aufklärung von Nazi-Verbrechen in Ludwigsburg zurück. Dort sind die Ermittler in jüngster Zeit aufgrund des hohen Alters der Verdächtigen dazu übergegangen, ihre Fälle möglichst rasch an die zuständigen Staatsanwaltschaften abzugeben.

Veränderte Rechtsauffassung

Bundesweit wird derzeit gegen mehr als ein Dutzend mutmaßliche Nazi-Täter ermittelt. Erst im Januar gerieten fünf Wachmänner des KZ Buchenwald ins Visier der Staatsanwaltschaft Erfurt. Anfang April wurde bekannt, dass die Kasseler Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen einen 96-Jährigen aufgenommen hat, dem zur Last gelegt wird, als SS-Wachmann am Massaker im ukrainischen Babi Jar beteiligt gewesen zu sein, dem 1941 etwa 33.000 Juden zum Opfer fielen.

Gegen vier der Beschuldigten liegt derzeit eine Anklage vor: Neben dem Mannheimer Fall betrifft dies zwei Wachmänner des KZ Stutthof bei Danzig, wo das Landgericht Münster eine Prozesseröffnung prüft, und einen Fall in Frankfurt am Main, bei dem es um einen 96-Jährigen geht, der im KZ Majdanek als Wachmann Dienst tat.

Die späten Ermittlungen sind Folge einer veränderten Rechtsauffassung. Über Jahrzehnte musste mutmaßlichen Tätern ein individueller Mord nachgewiesen werden. Der Bundesgerichtshof entschied erst 2016, dass alleine die Tätigkeit in einem NS-Vernichtungslager zu einer Verurteilung ausreichen kann.

Die Politik hält sich aus der Arbeit der Justiz heraus. Das Landgericht Mannheim muss nun über eine Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden. Da der Angeklagte zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Tat erst 19 Jahre alt gewesen ist, würde ein Prozess vor einer Jugendkammer stattfinden. Ob es dazu wirklich kommt, dürfte auch von seinem gesundheitlichen Zustand abhängen. In den meisten Fällen, in denen in den letzten Jahren Anklagen gegen SS-Täter ergingen, konnte ein Hauptverfahren nicht mehr eröffnet werden, weil der Angeklagte verhandlungsunfähig war.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.