Proteste in Marokko: Mit Twitter gegen den Preisanstieg

Weil königsnahe Firmen vor dem Ramadan die Preise erhöht haben, kursieren Boykottaufrufe im Netz. Die Regierung ist sauer.

Ein Markt

Warum muss alles so teuer sein? Marktplatz in Marrakesch Foto: imago/imagebroker

MADRID taz | Die marokkanischen Verbraucher haben die Macht der sozialen Netzwerke entdeckt. Über den Kurznachrichtendienst Twitter und über Facebook wird seit dem 20. April eine Boykottkampagne gegen drei wichtige Marken verbreitet, die mittlerweile schon zu merklichen Kurseinbrüchen am Aktienmarkt geführt haben.

Die Marken sollen weniger als einen Monat vor dem in diesem Jahr am 15. Mai beginnenden Fastenmonat Ramadan gezielt die Preise angehoben haben. Das geschieht jedes Jahr. Denn nach dem allabendlichen Fastenbrechen konsumieren Muslime mehr als in normalen Monaten, ähnlich wie in der christlichen Welt rund um Weihnachten.

Das Motto des Boykotts: „Lass sie sauer werden.“ Denn die bekannteste der drei betroffenen Marken ist die Central Laitière. Ein Liter Milch der „Milchzentrale“ kostet umgerechnet 80 Eurocent, und das bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 230 Euro. Die marokkanische Danone-Tochter, die eine Monopolstellung auf dem Markt genießt, gehört zu fünf Prozent der Holding von König Mohamed VI..

Außerdem werden die Tankstellenkette Afriquia und der Mineralwasserhersteller Sidi Ali boykottiert, der 50 Cent für die 1,5-Liter-Flasche verlangt. Sidi Ali gehört der Präsidentin des marokkanischen Unternehmerverbandes Miriam Bensaleh-Chaqroun und Afriquia dem drittreichsten Mann Marokkos, dem engen Freund des Königs, Landwirtschaftsminister Aziz Akhannouch. Akhannouch ist Chef der Unabhängigen Nationalen Gruppierung (RNI), der wichtigsten Partei in der Regierungskoalition.

Breiter Boykott

Der Boykott, der nun auch von bekannten Künstlern unterstützt wird, hat Erfolg. Bei einer landesweiten Umfrage des Institutes Averty, gaben 79,8 Prozent an, den Boykott zu unterstützen.

Die Tageszeitung Akhbar Al Youm, die als einzige ausführlich berichtet, vermeldet, dass Afriquia 31 Prozent Einnahmerückgang und einen Aktienkursverlust von 5,97 Prozent zu verzeichnen hat. Außerdem ist der Kurs der marokkanischen Danone-Aktien um 5,69 Prozent gesunken.

Immer mehr Politiker sehen sich genötigt, Erklärungen abzugeben. Allen voran Landwirtschaftsminister und Tankstellenbesitzer Akhannouch: Er warnt vor den Auswirkungen für die 470.000 beschäftigten und Zulieferer der Milchindustrie.

„Verrückte Jugend“

Sein Parteifreund, Wirtschaftsminister Mohamed Boussaid beschuldigt die „vor Wut verrückten“ hinter dem Boykott zu stehen. Er meint damit die Jugend der islamistischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD), die ebenfalls in der Regierung sitzt.

Der Parteinachwuchs ist weitaus radikaler als die Senioren und auf Kampagnen in den sozialen Netzwerken. Während aus den Reihen der sozialistischen Abgeordneten Unterstützung kommt, wirft ein leitender Danone-Angestellter den Boykotteuren „Landesverrat“ vor.

Die König Mohamed VI. gehörenden Supermarktkette Marjane hat mittlerweile Danone und Sidi Ali im Sonderangebot.

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