Protestbewegung in den USA: "Die Revolution ist unterwegs"

Die Konservativen werden zunehmend nervös, denn die "Occupy"- Bewegung in den USA wächst weiter. In Boston und Des Moines kommt es zu Spannungen mit der Polizei.

Proteste in Chicago: Beim demokratischen Bürgermeister Rahm Emanuel finden sie kaum Gehör. Bild: reuters

WASHINGTON taz | "Anti-Amerikanisch", sagt Präsidentschaftskandidat Herman Cain über die "Occupy"-Bewegung. Und begründet: "Sie sind antikapitalistisch". Der Chef der republikanischen Fraktion im Repräsentantenhaus, Eric Cantor, ist beunruhigt über den "wachsenden Mob". Und der republikanische Kongressabgeordnete Peter King warnt die Medien dringend davor, der Protest-Bewegung "Legitimität" zu geben. Denn nachdem die Medien Dergleichen in den 60er Jahren getan hätten, so King, sei die Politik von "den Linken" bestimmt worden.

Während die konservativen Sprecher zunehmend Nervosität zeigen, zieht die Bewegung mit dem Slogan: "Wir sind die 99 %" mit immer mehr Leuten durch immer mehr Städte der USA. "Die Veränderung kommt bald", lautet die lakonische Mitteilung auf einem Transparent in der Salle Street in Chicago. "Die Revolution ist unterwegs", verspricht am selben Nachmittag jemand bei einem Umzug in New York. In derselben Demonstration ist auch ein Transparent mit dem Spruch "Rezession? Dies hier ist Raub!" zu sehen.

Mehrere tausend Kilometer weiter südlich, in Oklahoma City, wird der Kerr Park besetzt. Und mehrere tausend Kilometer weiter westlich weiten BesetzerInnen in Portland, Oregon, ihr Territorium aus. Sie bewohnen nun nicht mehr nur zwei Parks in der Stadt, sondern beanspruchen auch das dazwischenliegende Stück der Main-Street. Gegenüber der Polizei erklären sie, dass Sie das Stück Asphalt für ihre Vollversammlungen benötigen.

In der US-Hauptstadt bekommt die Protest-Bewegung am selben Montag Nachmittag eine unerwartete offizielle Genehmigung für ihren langfristigen Verbleib. Die Park-Polizei in Washington D.C. gestattet den BesetzerInnen, die seit vergangener Woche auf der Freedom Plaza gegen den Krieg protestieren, dass sie den Platz im Herzen der Stadt vier Monate behalten. Die abendliche Vollversammlung reagiert mit Applaus. Gefragt wird aber auch: "Ist das für uns eine Verpflichtung bis tief in den (in Washington eiskalten) Winter zu bleiben?" Antwort aus der Vollversammlung: "Wir haben es nicht beantragt. Und es verpflichtet uns zu gar nichts. Wir nehmen hier unser Grundrecht auf Meinungsfreiheit wahr".

Wer verschuldet ist, soll hupen

Die Anti-Kriegs-Aktion mit dem Motto: "Stop the Machine" ist seit vielen Monaten geplant. Viele ihrer Beteiligten sind schon seit Jahrzehnten politisch aktiv. Ein paar Block weiter, auf dem McPherson-Square, haben sich rund 100 Jugendliche zu der Occupy-DC-Besetzung niedergelassen. Von ihnen waren manche bei den letzten Präsidentschaftswahlen von 2008 noch nicht wahlberechtigt. Auf dem McPherson-Square haben sie zwar gar keine Genehmigung. Aber sie sind fest entschlossen, "auf Dauer" zu bleiben. Am Rand des Platzes fordern die Jugendlichen AutofahrerInnen auf, die auf der eleganten K-Street vorbeifahren, dass sie hupen mögen, falls sie hoch verschuldet sind, oder arbeitslos. Manchmal hupt jedes dritte Auto.

Unter den jungen Leute auf dem McPherson-Square sind die politischen Sympathieen weit gefächert. Wer sucht, findet dort neben zahlreichen Enttäuschten über eine politische Elite, die sich hat kaufen lassen, und neben potenziellen WählerInnen der demokratischen Partei auch ein paar AnhängerInnen des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Ron Paul. Am Rand des Platzes verteilt ein langhaariger junger Mann ein Flugblatt auf grünem Papier, in dem er erklärt, dass die Bewegung "keine Kampagne" sei, "keine Unterstützung für eine bestimmte Partei" und auch "nicht gegen den Kapitalismus oder gegen die Konzerne gerichtet" sei. Ihm geht es um die Rettung der Verfassung, und der Demokratie: vor LobbyistInnen mit gefüllten Taschen, die gewählte PolitikerInnen kaufen und die Regierung manipulieren.

Nicht überall verlaufen die Begegnungen zwischen BesetzerInnen und Behörden einvernehmlich. Der neue demokratische Bürgermeister, Rahm Emanuel, erst in diesem Frühjahr aus dem Weissen Haus nach Chicago gekommen. Doch er hat es bereits geschafft, mehrere große Gewerkschaften gegen sich aufzubringen. Am Montag ziehen sie zusammen mit hunderten BesetzerInnen durch die Innenstadt. In Chicago dürfen sie sich in keinem Park niederlassen. Aber von rechts wegen kann niemand sie daran hindern, auf Trottoirs zu übernachten.

"Wall Street Journal" auf Spanisch

In Boston, wo die Bewegung im Dewey Square Park im Finanzdistrikt täglich neuen Zulauf erhält, kommt es zu Spannungen mit der Polizei als die BesetzerInnen ihr Territorium vergrößern wollen. Und vor dem State House in Des Moines, der Hauptstadt von Iowa im Zentrum der USA, nimmt die Polizei in der Nacht zu Montag mindesten 32 BesetzerInnen fest. Am Morgen danach empört sich der ehemalige Abgeordnete Ed Fallon, der unter den Festgenommenen war, über die "unangemessene Brutalität der Polizei". Zugleich kündigt er an: "Wir machen weiter" und wir kommen zurück zum State House. Die BesetzerInnen haben den Park vor dem Sitz der Regierung des Bundesstaates in "People's Park" umbenannt.

In New York, wo "Occupy-Wall-Street" am Wochenende in die vierte Woche ihres Bestehens gegangen ist, macht die Tageszeitung der Bewegung einen qualitativen Sprung in die zweite Sprache. Das bewegungseigene "Wall Street Journal" erscheint jetzt auch auf Spanisch. „Ocupado“ steht über dem Titel. Und in Washington, DC, denken manche BesetzerInnen schon über den internationalen Aktionstag am kommenden Samstag hinaus. Sie erwägen einen "People's Congress". Bei dem Delegierte von allen besetzten Plätzen im Land ihre Wünsche und Forderungen zusammentragen können.

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