Protest schwarzer Frauen in Brasilien: Neuer Gesellschaftsvertrag gefordert

Zum ersten Mal demonstrieren schwarze Frauen gemeinsam in Brasilien. 25.000 protestieren gegen Rassismus und Gewalt gegen Frauen.

Frauen lächeln für ein Selfie auf dem Smartphone

Frauen auf der Demonstration in Brasília Foto: ap

RIO DE JANEIRO taz | „Wir wollen zeigen, dass ein reiches Land wie Brasilien unser Recht auf Leben nicht garantiert. Wir fordern einen neuen Gesellschaftsvertrag, denn ein Viertel der Bevölkerung ist ausgeschlossen“, erklärte Valdecir Nascimento vom Institut Schwarzer Frauen Odara im Bundesstaat Bahia.

Sie ist eine der Organisatorinnen des Ersten Marsches Schwarzer Frauen, der am Mittwoch in der Hauptstadt Brasília stattfand. Nach Angaben der Veranstalterinnen nahmen über 25.000 Menschen an der landesweiten Demonstration gegen Rassismus und Gewalt gegen Frauen teil. Die Polizei zählte 10.000.

Auf Transparenten wurde der „Genozid an der schwarzen Jugend“ angeprangert, mit Verweis auf die ständigen tödlichen Polizeiübergriffe auf arme Jugendliche vor allem in den großen Städten. Andere forderten die Anerkennung der Arbeit von Frauen, gleiche Löhne und mehr politische Mitbestimmung für schwarze Frauen.

Viele Sprüche der Demonstrantinnen richteten sich auch gegen den Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha. Der evangelikale Hardliner ist Autor einer Gesetzesinitiative, mit der Abtreibung im Fall von Vergewaltigung erschwert werden soll.

Maria Edijane von Coletivo Zumaluma aus São Paulo kritisierte die Vielfachbelastung, die schwarze Frauen insbesondere in den Armenvierteln oft stillschweigend hinnehmen. „Arbeiten, Kinder erziehen, sich alleine ums Haus kümmern: Auch das ist eine Form von Gewalt. Wir halten das für normal, ist es aber nicht!“ Die Frauen müssten sich bewusst machen, wie gewalttätig der Alltag und das herrschende System seien, forderte Edijane.

Gut die Hälfte der rund 200 Millionen BrasilianerInnen bezeichnet sich laut dem Zensus von 2010 als afrobrasilianisch. Die Schwarzen sind jedoch ökonomisch stark benachteiligt und politisch unterrepräsentiert. Trotz fortschrittlicher Antidiskriminierungsgesetze ist Rassismus allgegenwärtig.

Dramatische Lage für schwarze Frauen

Erst Anfang November hatte die Studie „Landkarte der Gewalt: Morde an Frauen in Brasilien“ gezeigt, dass die Lage schwarzer Frauen im größten Land Lateinamerikas dramatisch ist. In den Jahren 2003 bis 2013 ist demzufolge die Zahl der Morde an Afrobrasilianerinnen um 54 Prozent angestiegen. Die Zahl der Morde an weißen Frauen sank hingegen im selben Zeitraum um knapp zehn Prozent.

Im Durchschnitt werden in Brasilien 13 Frauen pro Tag ermordet. Dabei stammt gut die Hälfte der Täter aus dem familiären Umfeld.

Anfeindungen waren die Frauen auch bei ihrem Marsch in Brasília ausgesetzt. Vor dem Kongressgebäude traf die Demonstration auf ein Protestcamp rechter Aktivisten, die dort seit Wochen die Absetzung der Präsidentin Dilma Rousseff fordern.

Ein Polizist, der mit weiteren Kollegen für die Rückkehr der Militärdiktatur demonstriert, gab vier Schüsse in die Luft ab. Er und ein zweiter Beamter in Zivilkleidung wurden festgenommen. Bei dem Gerangel setzte die Polizei Pfefferspray ein und verletzte einen Abgeordneten der Arbeiterpartei (PT), der offenbar vermitteln wollte.

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