Protest gegen digitale Überwachung: "Ich konnte nicht tatenlos bleiben"

Eine Gruppe Hamburger Anwälte ruft in einer Erklärung gegen die digitale Überwachung auf. Sie prangern die Untätigkeit der Politik an.

Der Protest gegen die digitale Überwachung ist vielfältig: Demo im Juli in Hannover. Bild: dpa

taz: Genügen Ihnen die 2.402 Unterschriften, die Sie bislang gegen die Totalüberwachung gesammelt haben, Herr Pragal?

Oliver Pragal: Inzwischen sind es schon 2.486 Teilnehmer – es werden im Minutentakt mehr. Aber es ist natürlich erst der Beginn der Kampagne. Wir sind sehr optimistisch, unter den Unterzeichnern sind über 400 Anwälte, darunter 17 Professoren – wir haben also eine Rückmeldung aus der Mitte der Gesellschaft und mit dem Thema offensichtlich einen Nerv der Bevölkerung getroffen, die ein Zeichen gegen die Untätigkeit der Politik setzen will.

Warum ist es Ihnen so wichtig, dass Ihr Berufsstand beziehungsweise die bürgerliche Elite unterzeichnet?

Wir zielen nicht auf irgendeine Elite – ich mag den Begriff nicht –, sondern mir ist es wichtig, dass der Protest aus der bürgerlichen Mitte kommt. Traditionell ist das Thema ja eher auf der linken Seite angesiedelt, aber es geht aus unserer Sicht alle Bürger an. Trotzdem glauben wir, dass wir als Juristen als Organ der Rechtspflege eine gesteigerte Verantwortung haben, auf die Gefahren hinzuweisen. Wir wollen uns nicht als Elite darstellen, aber wir wollen nutzen, dass unsere Stimme aufgrund unseres Berufsstandes möglicherweise mehr Gehör findet.

Zu der Demonstration gegen die NSA-Überwachung, zu der Sie aufgerufen haben, sind gerade mal 300 Leute gekommen.

36, ist Strafrechtsanwalt in Hamburg. Gemeinsam mit elf anderen Anwälten hat er den Aufruf gegen die digitale Überwachung initiiert.

Das war bei nur vier Tagen Vorlauf in den Ferien und hatte als Alleingang beachtliche Resonanz. Der Aufruf wiederum ist erst eine Woche alt – dass sich darin inzwischen fast 500 Anwälte für die sofortige Schließung der NSA-Standpunkte in Deutschland aussprechen, finde ich bemerkenswert. Das ist eine Forderung, die in der politischen Debatte gar nicht aufgetaucht ist.

Über Bundestagswahl und Koalitionsverhandlungen ist das Thema erst einmal von der politischen Agenda verschwunden. Kommen Sie zu spät?

Wir hätten die Initiative und die Website gern früher an den Start gebracht, aber es brauchte einigen Vorlauf. Die Schriftsteller waren vor uns dran, das erkennen wir neidlos an.

Einer der Wortführer, Ilija Trojanow, ist gerade an der Einreise in die USA gehindert worden – mutmaßlich wegen seines Protestes im NSA-Skandal. Fürchten Sie auch Konsequenzen?

Man muss im Fall Trojanow erst einmal die Stellungnahme der USA abwarten. Aber natürlich wirft der Fall Fragen auf. Wenn man sich anschaut, wie sich die Leute in Blogs austauschen, merkt man, dass sie eingeschüchtert sind. Es gab einen Eintrag, den wir in unserem Brief an den USA-Botschafter zitiert haben. Da hieß es: „Vorsicht: Wer sich hier einträgt, darf nicht mehr in die USA reisen“.

Die Demonstration, die Sie organisiert haben, war auch die erste, an der Sie selbst teilnahmen. Warum hat Sie das Thema auf die Straße gebracht?

Weil ich bislang in meinem Leben keinen Angriff auf Privatsphäre, Freiheit und Demokratie in dieser Größenordnung erlebt habe. Hier wurde eine Grenze so weit überschritten, dass ich nicht tatenlos bleiben konnte.

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