Projekte gegen Rechtsextremismus: Große Pläne, wenig Geld

Nach dem Bekanntwerden der NSU-Morde versprachen alle Parteien mehr Mittel für Projekte gegen Rechts. Davon ist jetzt keine Rede mehr.

Braucht kein Mensch: Nazis mit Fackeln Bild: dpa

BERLIN taz | Es war eine ganz große Koalition. „Unverzichtbar“ seien die zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen Rechtsextremismus, konstatierten alle Bundestagsfraktionen nach dem Schock über die lange unentdeckten Anschläge des Nationalistischen Untergrunds (NSU). Das Engagement, so ihr gemeinsamen Beschluss, müsse ein „deutlich höheres Fördervolumen“ erhalten. Im Koalitionsvertrag hielten Union und SPD im Herbst 2013 fest: Die Programme „werden langfristig finanziell sichergestellt“, die „Haushaltsmittel stocken wir auf“.

Am Montag nun kündigte Familienministerien Manuela Schwesig (SPD) ihr neues Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus an: Die Vorhaben sollen verstetigt werden – weg von der „Projekteritis“. Der Bund könne und müsse in die Arbeit „dauerhaft mit einsteigen“.

Nur: In den Haushaltsverhandlungen ist von mehr Geld keine Rede mehr. 30,5 Millionen Euro stehen dieses Jahr zur Verfügung – mehr sollen es nach Willen des Bundesfinanzministeriums auch nicht werden. Dabei hatten Initiativen gegen rechts im April noch ein Konzept für die „Verstetigung der bundesweiten Demokratieförderung“ vorgelegt. Dessen Kosten: 70 Millionen Euro.

Allein im Osten stiegen laut den Initiativen 2013 rechtsextreme Gewalttaten um 18 Prozent: von 626 auf 737 Angriffe, darunter eine erhöhte Zahl rassistische Attacken. Opfer waren vielfach Asylbewerber. Für Westdeutschland gibt es keine Zahlen. Dort fehlen flächendeckende Projektstrukturen gegen rechts. Genau das sollte sich, so die Hoffnung der Initiativen, mit dem neuen Bundesprogramm ändern.

Doch das steht nun in Zweifel. Gibt es nicht mehr Geld, könnten dort wieder keine Beratungsangebote aufgebaut werden, warnt Judith Porath von der Brandenburger Opferperspektive. „Rechtsextreme Gewalt ist aber genauso ein Problem in den alten Bundesländern.“ Anders als im Osten fehlten den dortigen Initiativen bisher die Mittel, Verdachtsfälle zu überprüfen und Betroffene aufzusuchen. „Nur so aber funktioniert unsere Arbeit“, sagt Porath. Der Geschäftsführer der Amadeu-Antonio-Stiftung, Timo Reinfrank, appellierte, den Ländern die Mittel nur noch unter Auflagen auszuschütten. Dann könnten zum Beispiel endlich überall Opferberatungsstellen eingerichtet werden.

Die SPD fordert nun für den Haushalt 2016 einen Ausbau des Programms auf 50 Millionen Euro. „Rechtsextremismus ist von allen Formen des politischen Extremismus das vorherrschende Problem“, sagt die SPD-Innenexpertin Susann Rütherich. Sie freue sich, dass das Thema „endlich wieder ernstgenommen wird“. Dazu gehöre aber auch eine „langfristige Förderung mit einem deutlich aufgestockten Bundesetat“.

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Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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