Preisverleihung für Ken Jebsen: Großes Kino des Abwesenden

Der Geehrte kommt nicht, der Laudator fehlt. Linke demonstrieren gegen Linke. Und ein wenig Alufolie gibt es auch.

Ein beleuchteter Eingang zum Kino Babylon

Der Eingang zum Kino Babylon Foto: Imago / Ipon

BERLIN taz | Nein, es war nicht die Premiere des neuen Star Wars, die am Donnerstag vor und im Berliner Kino Babylon zur Aufführung kam, auch wenn noch so viel vom „Imperium“ oder der „dunklen Seite der Macht“ die Rede war. Zusammengekommen waren stattdessen die Anhänger des umstrittenen Medienmachers Ken Jebsen, die sich die Welt mit sehr einfachen Freund-Feind-Konstellationen erklären.

Ihre Kern-Annahme: Wer nicht mit ihnen ist, ist für den Krieg. Die Bösewichte in diesem Stück: Die etablierten Medien, die Rechten der Linkspartei, und auch der Geschäftsführer des Babylon.

Das Schauspiel begann mit einer Kundgebung auf dem Rosa-Luxemburg-Platz zwischen Volksbühne und dem Kino. Im Dauerregen hörten 200 bis 300 „Friedensfreunde“ Reden zu, in denen es fast immer um Israel und Antisemitismus, um die Nato oder einen drohenden Krieg gegen Russland ging. Dabei war der Anlass der Kundgebung viel profaner.

Der Einspruch des Senators

Das Babylon, ein vom Land Berlin subventioniertes kommunales Kino, hatte die durch den zwischen links und rechts wankenden Blog Neue Rheinische Zeitung geplante Verleihung eines Medienpreises an Jebsen abgesagt. Zuvor hatte Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) sein Missfallen über die Veranstaltung der „Verschwörungsgläubigen“ ausgedrückt.

Erst ein Urteil des Amtsgerichts Berlin-Mitte ermöglichte ihnen dann doch den Weg ins Babylon. Dort wurden sie zum Veranstaltungsbeginn von dessen Geschäftsführer Timothy Grossman begrüßt – mit fundamentaler Kritik. Dem nicht anwesenden Jebsen warf Grossman vor, die politische Meinung von Menschen mit ihrer ethischen Herkunft zu vermischen. Sein Fazit: „Sie sind ein Rassist.“

Grossman widersprach zudem dem Vorwurf, dass die Meinungsfreiheit beschnitten sei: „Niemand, auch nicht Klaus Lederer, hat ihnen verboten, hier etwas zu sagen.“ Schließlich fragte er ins Publikum, ob sein Haus, das einst Menschen vor den Nazis Schutz bot, ihnen eine Bühne bieten sollte? Sein Fazit war klar: „In Zukunft ganz sicher nicht.“

Das Publikum im ordentlich gefüllten Saal reagierte konsterniert. Einige pfiffen, Zwischenrufer erinnerten an die DDR. Schon vor dem Babylon hatte auf einem Schild die immerhin kreativste Parole des Abends gestanden: „Mielke, Merkel, Lederer.“

Grossmans Versuch, dem angekündigten britischen Jazz-Musiker Gilad Atzmon aufgrund dessen antisemitischer Positionen ein Hausverbot zu erteilen, ging ins Leere. Atzmon stand später, als der Kino-Chef das Babylon schon verlassen hatte, auf der Bühne und sagte unter anderem: „Die Palästinenser sind die letzten Opfer Hitlers.“ Wer sich also als Deutscher immer noch schuldig fühle, solle zu den Palästinensern stehen.

Das Fehlen des Preisträgers

Der eigentliche Hauptakteur kam gar nicht. Ken Jebsen hatte erst am Nachmittag abgesagt und stattdessen ein wirres Statement geschickt, das auf der Kundgebungsbühne, von mehreren Stromausfällen unterbrochen, abgespielt wurde. Jebsen kritisierte Lederer darin scharf und warf ihm unter anderem Erpressung vor. Abgesagt habe er, weil er „nicht gerne im Mittelpunkt“ stehe.

Angriffe gegen ihn gebe es, seit er Teil der Friedensbewegung sei. Für die Rüstungsindustrie und deren Presse sei das ein Problem, so Jebsen. Von einer kolportierten Distanzierung vom Auftritt Atzmons war in Jebsen Ansprache nicht die Rede. Die NRhZ-Gründer sprachen davon, die Angriffe in den Medien hätten Jebsen gesundheitlich zugesetzt, womöglich habe er einen „Hörsturz“ erlitten.

Der Preis, ein mit dem Konterfei von Karl Marx bedruckter Pappteller, wurde schließlich an seine Community, also an das Publikum im Babylon überreicht. Zuvor wurde die Laudatio vom ebenfalls nicht anwesenden taz-Mitarbeiter und 9/11-Zweiflers Mathias Bröckers verlesen, der so hörte man raus, sein Vertrauen in die Medien komplett verloren habe.

Der einstige Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke berichtete zunächst von seinen Zweifeln, er sei schon „mit besseren Gefühlen“ zu einer Demo gegangen.

Der Abend sonst bestand vornehmlich aus der sehr einseitigen Thematisierung der Israel-Palästina-Frage. Dafür sorgten die Reden von Atzmon, aber auch der Israel-Gegnerin Evelyn Hecht-Galinski. Diese hatte schon von dem Babylon gesagt: „Was in Berlin gemacht wird“ – gemeint war Lederers Intervention – „dafür müsse man sich schämen, nicht dafür, dass Davidsternfahnen verbrannt werden“.

Für die Linkspartei dürfte der Abend weitere Auseinandersetzungen nach sich ziehen. Der Parteivorstand hatte dazu aufgerufen, nicht an der Kundgebung pro Jebsen teilzunehmen. Doch drei Mitglieder und Funktionäre der Linken solidarisierten sich mit Jebsen.

Die Hüte aus Folie

Der einstige Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke berichtete zunächst von seinen Zweifeln, er sei schon „mit besseren Gefühlen“ zu einer Demo gegangen. Danach traf er mit seiner Kritik an der bedrohten Meinungsfreiheit, insbesondere der „Freiheit, nein zum Krieg zu sagen“ die Stimmung.

Seine Frau, die Exfunktionärin Christiane Reymann, attackierte Lederers „gestörte Wahrnehmung“. Sie habe auf dem Platz „keine Aluhüte“ gesehen. Und der Quakenbrücker Lokalpolitiker Andreas Maurer lobte Jebsen dafür, dass er mit ihm zusammen in die Ukraine gereist sei.

Auf der anderen Seite des Rosa-Luxemburg-Platzes standen etwa 50 Unterstützer des Kultursenators. Vor dem Karl-Liebknecht-Haus, in dem die Linkspartei ihre Zentrale hat, demonstrierten sie gegen „Verschwörungsideologie“ und „Antisemitismus“, wie es im Aufruf hieß. Nach mehreren Redebeiträgen machten sich die Teilnehmer daran, aus 150 Metern Alufolie entsprechende Hüte zu bauen.

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