Polizeirazzia in Berlin: Einsatz gegen Clans

Bestimmte arabische Großfamilien sind laut Polizei in kriminelle Strukturen verwickelt. Die Ermittler tun sich schwer. Nun gab es doch „umfangreiche Zeugenaussagen“.

Festnahme bei Polizeirazzia

Ein Verdächtiger wird in der Nacht zu Dienstag festgenommen. Foto: dpa

BERLIN taz | Mit einem Großeinsatz ist die Berliner Polizei gegen mutmaßlich kriminelle Mitglieder arabischer Großfamilien vorgegangen. Acht Männer im Alter von 20 bis 56 Jahren wurden am Dienstagmorgen verhaftet. Die Polizei durchsuchte 18 Wohnungen, Gaststätten und Firmenräume. 220 Polizisten waren im Einsatz, darunter 60 Mitglieder eines Spezialeinsatzkommandos (SEK).

Der Einsatz richtete sich laut Polizei unter anderem gegen Verdächtige im Zusammenhang mit einem spektakulären Raubüberfall auf die Schmuckabteilung im Luxuskaufhaus KaDeWe im Dezember 2014. Außerdem ging es um die Anstiftung zu einem Auftragsmord, der aber nicht ausgeführt wurde, sowie um illegalen Waffenbesitz.

Nach Informationen des „Tagesspiegels“ hatte ein Mann im Oktober 2015 einem 42-Jährigen in Neukölln in die Beine geschossen. Hintergrund des Anschlags soll eine Frauengeschichte gewesen sein.

Die Polizei beschlagnahmte eine Schusswaffe, Munition, Schmuck, Bargeld und einen Porsche. Ein Schwerpunkt des Einsatzes lag in der Schinkestraße in Nord-Neukölln nahe dem Kottbusser Damm. Auch in Gropiusstadt im Süden des Bezirks sowie in Lankwitz (Steglitz) und Hermsdorf (Reinickendorf) gab es Durchsuchungen. Mindestens einer der verhafteten Männer soll sich gegen die Polizisten gewehrt haben.

Bei den Razzien ging es laut Polizei nicht um den Mord an einem 43-jährigen Mann, der im März durch eine Bombe unter einem Auto auf der Bismarckstraße in Charlottenburg ums Leben gekommen war.

Die bereits seit längerem laufenden Ermittlungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft stützten sich auf Aussagen und Hinweise aus der kriminellen Szene oder dem Umfeld der Clans. Innensenator Frank Henkel (CDU) und die Polizei sprachen von „umfangreichen Zeugenaussagen“, die „ungewöhnlich für dieses Milieu“ seien. Henkel erklärte weiter: „Das ist eine wichtige Botschaft: Fällt die Mauer des Schweigens, können die Sicherheitskräfte noch konsequenter handeln. Es wäre gut, wenn dadurch auch andere ermutigt werden, über die Szene auszupacken.“

Den Überfall auf das KaDeWe verübten am 20. Dezember fünf maskierte und bewaffnete Männer. Sie versprühten Reizgas, zerschlugen Vitrinen und erbeuteten Schmuck und Uhren im Wert von 817 000 Euro. Im Frühjahr 2015 wurden drei Männer im Alter von 26, 27 und 29 Jahren festgenommen. Im Herbst begann der Prozess vor dem Berliner Landgericht.

Zwei der Männer sollen bei dem Überfall dabeigewesen sein. Der 27-Jährige hatte den anderen, unter denen auch ein Cousin war, laut seiner eigenen Aussage nur sein Auto geliehen. In seiner Erklärung vor Gericht hieß es, er habe sich entschlossen, sein Wissen zu offenbaren. Er wolle einen neuen Weg in seinem Leben einschlagen – ohne Kriminalität und ohne Rücksicht auf frühere Freunde „und deren Ehrenkodex“.

Ob unter den jetzt Festgenommenen weitere Beteiligte des Überfalls sind und ob die Ermittlungen mit den Aussagen der Angeklagten zusammenhängen, ist noch unbekannt.

Zur Bekämpfung krimineller Clans pocht Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) auf Vereinfachungen für die Justiz, Geld aus illegalen Geschäften einzuziehen. „Ich halte es für essenziell, die Vermögensabschöpfung zu erleichtern“, erklärte Heilmann. „Wir müssen den Clans die Finanzgrundlage entziehen, dann büßen sie auch automatisch an Macht ein“.

Über ein entsprechendes Gesetz wird auf Bundesebene noch beraten. Angestrebt wurde unter anderem, dass Verdächtige nachweisen müssen, ihr Geld auf legalem Weg verdient zu haben.

Der ehemalige Bezirksbürgermeister von Neukölln, Heinz Buschkowsky, wies auf die schwierige Arbeit der Justiz hin. „Wenn heute acht Leute verhaftet worden sind, heißt das noch lange nicht, dass es auch zu acht Verurteilungen kommt“, sagte er dem Fernsehsender n-tv. „Zeugen werden ganz schnell mundtot gemacht, mit Gewalt, mit Bedrohungen. Die Familien beschäftigten zudem die besten Anwaltskanzleien der Stadt. Buschkowsky sprach von sieben arabischen Clans in Neukölln mit eigenen Netzwerken, die untereinander Revierkämpfe führten.

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