Politisch korrekte Karnevalskostüme: Besser Indianer als Superheld-Kacke

Unsere Autorin hat Skrupel, ihren Sohn als „Indianer“ zu verkleiden. Sie weiß, dass es nicht als politisch korrekt gilt und tut es aber trotzdem. Aus Gründen.

Ein als Indianer verkleideter Narr steht am Rosenmontag (08.02.2016) in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) vor den Tribünen am Rathaus. Wegen des heftiger werdenden Sturms ist der Düsseldorfer Rosenmontagszug abgesagt worden

Müssen „Indianer“-Kostüme weg gesperrt werden? Foto: dpa

Mein fünfjähriger Sohn liebt Yakari, eine Schweizer Comicserie, die seit 1977 erscheint und auch als Fernsehserie verwurstet wurde. Yakari ist ein junger Sioux, der eines Tages entdeckt, dass er mit Tieren sprechen und auf diese Weise viel Frieden stiften kann. Er ist frei, unabhängig, verantwortungsvoll – hat also eine Kindheit, von der wir nur träumen können. Mit Vorliebe trägt Yakari ein fransenbesetztes Lederhemd und eine braune Lederhose. Genau so ein Indianerkostüm wollte mein Sohn also zu diesem Fasching tragen.

Schon als ich mich in meiner Kindheit als „Indianer“ (und nicht als „Indianerin“) verkleidete, war mir klar, dass sich die indigenen Völker Nordamerikas oft nur noch für Touristen so anzogen, ohne genau zu wissen, ob sich ihre Vorfahren je so angezogen hatten. Ich wusste sogar, dass der Begriff „Indianer“ von den Mitgliedern der damit angesprochenen Gesellschaften oft als koloniale Fremdbezeichnung abgelehnt wird. Meine Eltern sind 68er, ich besaß also ein schlaues Buch, in dem solche Dinge standen – und das Jahrzehnte, bevor die große Welle der Political Correctness kam.

Trotz dieses schlauen Buchs habe ich mich als „Indianer“ verkleidet, und zwar noch in einem Alter, in dem sich Kinder heute gar nicht mehr verkleiden, weil sie bereits cool tun müssen. Und nach reichlicher Überlegung und Zurechtlegung stichfester Argumente für den Fall, dass sich Eltern im Kindergarten aufregen könnten, habe ich auch meinem Sohn erlaubt, als „Indianer“ zu gehen.

Meine Argumente sind Folgende: Ich finde es gut, wenn Kinder früh lernen, dass es ziemlich viele verschiedene Menschen auf der Welt gibt, die nicht nur anders aussehen als die meisten in ihrem Umfeld, sondern sich auch anders verhalten. Alles, was wir den „Indianern“ möglicherweise nur zuschreiben, sind Werte, die ich meinen Kindern trotzdem gern vermittle, die Sache mit dem Respekt vor der Natur beispielsweise. Und schließlich: Wir wissen alle so genau, wie es für die indigene Bevölkerung Nordamerikas ausgegangen ist, dass es auch mein fünfjähriger Sohn schon instinktiv erfasst. Insofern gefällt mir sein Kostüm besser als die Superhelden-Kacke, auf die er letztes Jahr noch bestanden hat. Und außerdem: Es ist Karneval, Leute. Wer Klischees abschaffen wollte, der müsste den Karneval verbieten.

Übrigens habe ich all diese Argumente dann heute Morgen gar nicht gebraucht. Einer der Väter, ein ziemlich lässiger Sozialarbeiter, der seinen Sohn als Astronauten gekleidet hatte, zuckte nur belustigt mit den Schultern, als ich mich leicht nervös zu entschuldigen versuchte. „Wenn das so weitergeht mit dieser Political Correctness“, meinte er, „dann wissen unsere Kinder eines Tages nicht mehr, wie sie sich überhaupt noch unterhalten sollen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.