Plastiktüten-Schwemme in Berlin: „30.000 Tüten pro Stunde“

Sie ist so praktisch – und so umweltschädlich: Deswegen sollte der Verbrauch von Einwegtüten aus Plastik drastisch reduziert werden. Doch wie?

Ein Mann trägt eine Plastiktüte

Ist einfach Müll: Plastiktüte. Foto: ap

taz: Frau Bergk, wie transportieren Sie Ihre Einkäufe?

Martina Bergk: Ich bemühe mich, einen Stoffbeutel dabeizuhaben. Das klappt nicht immer. Deshalb freue ich mich über Läden, bei denen man Leihbeutel bekommt, die man wieder zurückgeben kann.

Warum?

Ich habe mich viel mit der Plastiktüte beschäftigt. Vor 60 Jahren startete ihr Siegeszug als kleines, hilfreiches Utensil. Unternehmen entdeckten sie als Werbefläche. In ihrer Masse hat sie heute aber schreckliche Ausmaße.

Sind Plastiktüten ein Problem?

In Berlin gehen 30.000 Tüten über die Ladentheke – pro Stunde! Und in dieser Zahl sind die dünnen Tüten, die man an Gemüseständen oder Fleischtheken bekommt, noch nicht enthalten.

Mit dem Aktionstag heute auf dem Alexanderplatz wollen Sie auf Alternativen zur Plastiktüte hinweisen.

Plastiktüten sind ein Einwegprodukt: Wir benutzen sie meist nicht länger als 25 Minuten. Danach landet sie im besten Fall im Müll, oft aber einfach in der Umwelt. In den letzten Jahren hat dieses Problem zugenommen. Wir gehen viel öfter ungeplant einkaufen und stolpern immer wieder mit bis zu zehn Tüten aus Shopping-Malls. Eine sinnvolle Alternative zu Plastiktüten sind Trageprodukte, die wir mehrfach benutzen können: Stoffbeutel, Körbe oder Rollwägen.

Die Herstellung von Stoffbeuteln verbraucht viel Wasser und Energie. Papiertüten müssen mit Chemikalien behandelt werden, damit sie nicht reißen. Ist es besser, wenn man Jutebeutel nutzt?

Sie haben recht: Produkte aus Baumwolle oder pflanzlichen Fasern muss man 25- bis 35-mal benutzen, um die gleiche Ökobilanz zu erreichen, die die Einweg-Plastiktüte hat. Doch den Jutebeutel können sie lange benutzen. Mit der Zeit haben sie das wieder drin. Aber damit ist es nicht getan, sich bei jedem Einkauf einen neuen Beutel aus Stoff zu kaufen.

Gibt es in Berlin Läden, die etwas dazu beitragen, dass weniger Plastiktüten verbraucht werden?

Inzwischen verkaufen viele Läden Plastiktüten, anstatt sie gratis herauszugeben. Das senkt die Zahl der gebrauchten Tüten drastisch. Die Verbraucher nehmen 90 Prozent weniger Tüten aus diesen Läden mit.

Beim Einkauf im Späti oder Asia-Markt bekommt man seine Produkte schon in einer dünnen Plastiktüte über die Theke gereicht. Haben Sie Ideen, wie man an die Verkäufer in diesen Geschäften herankommt?

Damit haben wir uns in den letzter Zeit intensiv beschäftigt. Sie kennen bestimmt die Stempelkarten, mit denen man etwa jeden zehnten Kaffee umsonst bekommt. Wir probieren so ein Bonussystem mit den Einzelhandelsläden aus: Die Kunden bekommen für jeden plastiktütenfreien Einkauf einen Stempel. Und beim zehnten Mal gibt es Rabatt. Am Anfang war die Skepsis unter den teilnehmenden Verkäufern groß. Jetzt denken einige darüber nach, es fest zu installieren.

Was sollte die Politik tun, um den Verbrauch von Plastiktüten einzuschränken?

Die Politik kann Verbote aussprechen oder Abgaben und Steuern einführen. Läden bei ihren eigenen Initiativen durch breite Kampagnen zu unterstützen gehört auch dazu. Auf jeden Fall sollte sie jetzt aktiv werden.

Wir nutzen zu viele Plastiktüten. Aber ist es nicht das größere Problem, dass im Supermarkt­regal so viele abgepackte Gurken, Möhren und Äpfel liegen?

Obst und Gemüse vorher zu verpacken spart natürlich Tüten an der Obst- und Gemüsetheke. Aber insgesamt verbrauchen diese Verpackungen meist mehr Rohstoffe. Deshalb sind wir dafür, dass nur Produkte eingepackt werden, für die es wirklich notwendig ist. Eine Idee ist es, dass Kunden Nylonbeutel zum Einkauf mitbringen, so wie man früher seine eigenen Eierkartons mitgenommen hat.

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