Planung für Elbvertiefung verzögert sich: Wackelnder Zeitplan

Umweltverbände kritisieren in rechtlicher Würdigung die überarbeiteten Planungen für die Elbvertiefung. Es droht ein neues Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Blütendolde und der Samen des Schierlings-Wasserfenchels.

So sieht er aus, der Schierlings-Wasserfenchel an der Elbe Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Planungen für die beabsichtigte Elbvertiefung verzögern sich weiter. „Es gibt keinen Zeitplan“, bestätigte die Sprecherin der Hamburger Wirtschaftsbehörde, Susanne Meinecke, auf taz-Anfrage. Derzeit sei nicht abzusehen, wann die dafür notwendige Planergänzung abgeschlossen werden könnte. Damit relativiert sie frühere Aussagen von Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos). Der hatte mehrfach erklärt, er sei optimistisch, noch in diesem Jahr das Baurecht für das Projekt zu erhalten, das offiziell Fahrrinnenanpassung heißt.

Für die Planergänzung seien „Fristen nicht vorgegeben“, sagt auch Claudia Thoma, Sprecherin der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt des Bundes (WSV), die gemeinsam mit Hamburg die Elbvertiefung plant. Zunächst müssten die von drei Umweltverbänden jetzt eingereichten Einwendungen „ausgewertet“ werden, sagt Thoma. Für diese Prüfung sei auch „die Einbeziehung von Fachgutachtern“ denkbar, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme des WSV. Sowas kann bekanntlich dauern.

Die Einwendungen stammen von den Hamburger Naturschutzverbänden BUND und Nabu sowie der Umweltstiftung WWF, die sich im „Aktionsbündnis lebendige Tideelbe“ zusammengeschlossen haben. Sie haben fristgerecht ihre umweltrechtliche Würdigung der überarbeiteten Pläne für die Elbvertiefung abgegeben. Diese Einwände müssten nun von den Behörden in ihrem Planungsprozess „sorgfältig geprüft und abgewogen“ werden, sagt Meinecke.

Das Aktionsbündnis bekräftigt in einer 24-seitigen Stellungnahme, die der taz vorliegt, seine Ablehnung auch der modifizierten Planung. Diese war notwendig geworden, nachdem das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im Februar vorigen Jahres die von der Stadt für den geschützten Schierlings-Wasserfenchel geplante Ausgleichsmaßnahme Kreetsand nicht anerkannt hatte. Seitdem versucht Hamburg, auf der Billwerder Insel an der Elbe oberhalb der Stadt zwei ehemalige Absetzbecken der Hamburger Wasserwerke zu nutzen.

Zwischen Nordsee und Hamburger Hafen soll die Unterelbe auf einer Länge von rund 120 Kilometern auf 19 Meter unter Normalnull (NN) vertieft werden. Dafür müssen mindestens 38,5 Millionen Kubikmeter Schlick vom Grund geholt werden.

Ziel ist, dass auch die größten Containerriesen mit einem Tiefgang von 13,5 Metern den Hafen jederzeit anlaufen können, bei Hochwasser auch mit 14,5 Metern Tiefgang.

Es wäre die neunte Elbvertiefung: 1818 bis 1825 erfolgte die erste auf 5,4 Meter unter NN. Die achte „Fahrrinnenanpassung“ auf 16,8 Meter unter NN erfolgte 1999.

Die Baukosten von gut 600 Millionen Euro trägt zu zwei Dritteln der Bund, zu einem Drittel Hamburg. Weitere rund 160 Millionen Euro für zusätzliche Maßnahmen des Naturschutzes und der Deichsicherung muss Hamburg aufbringen.

Diese 1,5 Hektar großen Becken sollen so umgebaut werden, dass sie unter den Einfluss von Ebbe und Flut kommen und der Schierlings-Wasserfenchel dort wachsen kann. „Damit dürften sich die Bedenken des Bundesverwaltungsgerichts demnächst erledigt haben“, sagte Horch noch vor drei Monaten.

Die drei Verbände, die das Urteil des Leipziger Bundesgerichts erstritten haben, hegen jedoch weiter erhebliche Zweifel. „Es sind sogar noch weniger Ausgleichsflächen festgelegt als bisher und die neu zu schaffenden Flächen sind für den Schierlings-Wasserfenchel kaum geeignet“, finden sie. „Auch nach vollständiger Prüfung überzeugen die neuen Planunterlagen an vielen Stellen nicht.“

Unter anderem seien die vorgesehenen Ausgleichsflächen gegenüber ersten Plänen reduziert worden und nunmehr zu klein. Jetzt seien nur noch 356 Hektar statt der ursprünglich geplanten 386 Hektar für die nach der Richtlinie Flora-Fauna-Habitat der EU geschützten Ästuare (Flussmündungsbereiche) vorgesehen. „Damit schrumpft der flächenbezogene Ausgleich für den erheblichen Eingriff in die Tideelbe nochmals zusammen“, lautet die Kritik.

Auch die konkrete Gestaltung auf der Billwerder Insel für den Schierlings-Wasserfenchel hält das Aktionsbündnis für unsachgemäß. „Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die neu modellierte Bauschuttlandschaft mit Sandüberdeckung tatsächlich einen geeigneten Wuchsstandort darstellt“, heißt es in der Stellungnahme. Denn die Becken seien „von Hochwasserereignissen, die mit Abbrüchen einen lichten, dynamischen Lebensraum formen, abgeschnitten“.

Außerdem seien in den neuen Planunterlagen drei Ausgleichsgebiete in Niedersachsen vom ökologischen Zustand C in B per Federstrich hochgestuft worden. „Diese wundersame Verbesserung steht auf fachlich sehr wackeligen Füßen“, findet das Aktionsbündnis.

Abwarten bis zum Planfeststellungsbeschluss

Über weitere Rechtsmittel wollen BUND, Nabu und WWF erst entscheiden, wenn der neue Planfeststellungsbeschluss vorliegt. „Dann haben wir vier Wochen Zeit, den genau zu studieren und zu bewerten“, sagt Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND. „Wir müssen ja erst mal schauen, ob unsere Bedenken und Einwendungen ernsthaft geprüft wurden.“

Sollten die Behörden zusammen mit der Planergänzung deren sofortige Vollziehbarkeit anordnen, also den Baubeginn, könnte das Bündnis in einem Eilverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einen Baustopp erwirken. Das war 2014 schon mal gelungen. Darüber sei aber noch gar nicht gesprochen worden, sagt Braasch: „Für solche Überlegungen ist es viel zu früh.“

Sollte es jedoch zu einem weiteren Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht kommen, rechnet Braasch mit einer Hauptverhandlung „frühestens in 2019“. In diesem Jahrzehnt, das wäre die Konsequenz, könnte mit der Elbvertiefung nicht mehr begonnen werden. Und ob im nächsten, ist vollkommen offen.

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