Phänomen Iron Maiden: Eisern aus der Zeit gefallen

Die Heavy Metal-Band Iron Maiden gibt es seit 38 Jahren. Noch immer füllt sie die großen Hallen. Woran liegt das? Ein Besuch beim Hamburger Konzert.

Populäres Maskottchen: Bei Iron Maiden ist die Beziehung zwischen Fan und Band seit Jahrzehnten stabil. Bild: dpa

HAMBURG taz | Thomas wollte sich frei fühlen, deshalb ist er hier. „Ich habe einen lapprigen Job in der Marktforschung“, sagt er. „Immer im Büro.“ Also steigt er von Zeit zu Zeit ins Auto und fährt von Nürnberg aus zu einem Konzert. Um den Konzerttermin herum nimmt er ein paar Tage Urlaub und besucht Leute in den Städten, die auf dem Weg liegen. Thomas ist 39 und die Leute, die er besuchen will, haben nicht immer Zeit. „Zur Not“, sagt er, „schlafe ich im Auto.“

Von der Party, die bereits am späten Nachmittag vor der Hamburger O 2-World begonnen hat, hat Thomas nichts gewusst. „Großartige Aktion beim Konzert von Iron Maiden“, stand im Internet. „Bereits ab 16 Uhr – also vier Stunden vor Konzertbeginn – wird auf dem Vorplatz der O 2-World gerockt.“ Nun stehen auf dem Vorplatz zwei Boxen, aus denen Metal in voller Lautstärke kommt, ein Astra-Stand, ein Wurst-Stand und zwei Dixie-Klos.

Die Rechnung geht auf: Viele der 12.000 Fans sind früher gekommen. Nicht schon um 16 Uhr, aber ab 17 Uhr, sagt ein Typ, der aus einem Handkarren heraus Bier verkauft. Sein Preis: drei Euro – einen Euro billiger als am Astra-Stand.

Viele der Fans sind weit angereist. Ole kommt aus Dänemark, aus einem Ort gleich hinter der Grenze, von dem aus Hamburg näher liegt als Kopenhagen. Das letzte Mal habe er Iron Maiden vor neun Jahren gesehen, auf dem Roskilde-Festival, sagt er. Fürs Campen auf Festivals fühle er sich zu alt. Ole ist jetzt 30. Sein Gesicht glüht, er findet das deutsche Bier nicht nur billiger, sondern auch besser. Zu Hause hat er kürzlich den Plattenspieler seines großen Bruders abgestaubt. Jetzt hört er Iron Maiden auf Vinyl.

Mütter mit ihren Söhnen

Das ist auch kein Problem: Die Band Iron Maiden wurde 1975 gegründet, da gab es noch keine CDs. Vermutlich kamen damals die Fans auch nicht aus allen Altersgruppen. Mittlerweile sieht man Mütter mit ihren 15-jährigen Söhnen, man sieht tätowierte Kuttenträger, Senioren im Maiden-T-Shirt, langhaarige Twens und grauhaarige 50-Jährige.

Sie alle werden später in der Halle die Fäuste in die Luft strecken, sie werden klatschen und tanzen und mitgröhlen. Niemand ist der Nostalgie wegen gekommen, niemand hier geht es um Vergangenheit. Fans und Band produzieren Gegenwart, ganz selbstverständlich, ohne Anlaufschwierigkeiten.

Pyrotechnik statt Video-Feuerwerk

Dabei ist sehr vieles auf der Bühne verdammt aus der Zeit gefallen. Iron Maiden hat drei Gitarristen, von denen mindestens einer überflüssig ist, der Schlagzeuger sitzt hinter einer Wand aus Trommeln, die er nicht braucht, und statt dominant platzierter Video-Einspielungen gibt es Pyrotechnik sowie einen Auftritt des Iron-Maiden-Maskottchens in Form eines Stelzengängers.

Der Auftritt von Iron Maiden ist ein Gegenentwurf zu Digitalisierung, Rationalisierung und Hipness. Weil dieser Gegenentwurf nicht weinerlich ist, sondern kraftvoll, gehen die Fans ab. Als das Konzert vorbei ist, beginnt draußen ein Wärmegewitter mit Blitz und Donner. Eine Verlängerung der Show, die kommt, wie bestellt. Die Bürositzer werden von diesem Abend zehren können.

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