Petition der Woche: Autonomer Kindergarten

Nach dem G20-Gipfel kamen wieder Diskussionen um die Schließung der Flora auf. Ein Schanzenanwohner hat eine Idee für die Nachnutzung.

Außenansicht der Roten Flora

Manche wollen, dass hier ein Kindergarten reinkommt. Manche sagen, dass sei bereits der Fall Foto: dpa

Die Zukunft der Roten Flora in Hamburg, Deutschlands am längsten besetztes linkes Zentrum, ist mal wieder ungewiss. Zuletzt war es knapp, als der langjährige Besitzer, der Immobilienkaufmann Klausmartin Kretschmer, 2013 das Kulturzentrum ­meistbietend verkaufen wollte. Er fand jedoch niemanden, denn der Bebauungsplan für das Areal schreibt eine ­soziokulturelle Nutzung vor.

Ein Investor könnte dort kein Hipstercafé, keine Wein- oder Müslibar betreiben. Und die BesetzerInnen, die das Haus seit 1989 halten, werden das Feld so schnell nicht räumen.

Im Jahr 2014 musste Kretschmer, der Zeit seines Besitzes Hausverbot hatte, die Immobilie hergeben, weil er pleite war. Die Stadt erwarb „den Kasten“, wie die Flora in Szenekreisen heißt, für 182.000 Euro zurück. Am Besetzungsstatus änderte sich nichts. Die Florist*innen geben nichts auf Eigentumsverhältnisse. „Wir sind keine Freunde der bürgerlichen Eigentumsordnung, und insofern ist es uns egal, wer meint, Besitzerin der Flora zu sein“, hieß es vom Flora-Plenum.

Seit den schweren Krawallen an den Abenden des G20-Gipfels wird nun wieder über die Räumung diskutiert. Während Bürgermeister Olaf Scholz und Innensenator Andy Grote, beide SPD, in der Flora die „geistigen Brandstifter“ der Krawalle vermuten und ankündigten, Maßnahmen dagegen zu prüfen, hatte ein Schanzenbewohner eine ganz andere Idee. Bevor der Kasten plattgemacht werde, solle lieber ein Kindergarten dort rein, dachte sich der Jungunternehmer Alexander Tebbe, der gegenüber wohnt.

Über 5.000 Unterstützer*innen

„Ich mag die Flora, und ich will nicht, dass sie abgerissen wird“, sagte er. Dass eine Räumung keinen Abriss bedeutet, hatte er wohl nicht bedacht. Der Vorschlag sei aber durchaus ernst gemeint gewesen, so der 35-Jährige. „Ein Kindergarten ist doch das Schönste, was man daraus machen kann“, sagte Tebbe. Er postete seine Idee zunächst auf Twitter und bekam so regen Zuspruch, dass er eine Petition auf Change.org aufsetzte, die schnell über 5.400 Unterstützer*innen fand.

Anlass der Petition: Eine mögliche Räumung der Roten Flora

Das wollen die Initiatoren: Die Rote Flora in einen Kindergarten umwandeln.

Das wollen sie nicht: Abriss des Gebäudes

Das wollen sie eigentlich: Schwer zu sagen. Mehr Follower? Mal was Nettes posten?

Zu finden unter: Gar nicht mehr. Der Initiator hat die Petition zurückgezogen.

Aber auch Gegner*innen: In Internetforen hätten sich User*innen über seinen Namen und seine Adresse ausgetauscht, sagt Tebbe. Auf Twitter kippte die Stimmung, er erntete Spott und Hohn: „Die Logik dahinter: Wer gegen einen Kindergarten ist, muss ja ein Monster sein. Durchschaubare Kartoffellogik“, schrieb einer. „Ist das Satire oder tatsächlich Bürgidreck?“, fragte ein anderer.

Daraufhin nahm Tebbe die Petition wieder aus dem Netz. Im Nachhinein sei er naiv gewesen, räumt der Unternehmer ein. Der Tweet und die Petition seien ein Schnellschuss gewesen, er habe nicht über die Konsequenzen nachgedacht.

Die Rotflorist*innen selbst beteuern, mit dem Shitstorm nichts zu tun zu haben und sich auch nicht über die Daten des Unternehmers ausgetauscht zu haben. Die Idee mit dem Kindergarten haben sie ohnehin nicht ernst genommen. „Vielleicht sind wir schon ein Kindergarten, wer weiß das schon“, sagte der Sprecher Andreas Blechschmidt zur taz.

Suche nach dem Sündenbock

Das Räumungsszenario hält er hingegen für nicht ganz abwegig. Zwar hat sich in 28 Jahren Besetzung bisher keine Hamburger Regierung getraut, das Kulturzentrum zu räumen. Aber nach den G20-Protesten ist die Stimmung in Teilen der Stadt eine andere. „Der Hamburger Senat versucht nun, für das eigene Versagen einen Sündenbock zu finden“, schreiben die Autonomen in einer Presseerklärung.

Inklusion ist kein Zuckerschlecken: Auf Rügen gibt es keine Förderschulen mehr, in Berlin schon. Welches Modell ist besser? Die taz.am wochenende vom 15./16. Juli war auf der Insel und in der Stadt. Außerdem: Sammeln Sie auch Taubsis und Schlurps? Bekenntnisse zum ersten Geburtstag von "Pokémon Go". Und: Würden Trump-Wähler ihren Kandidaten heute wieder wählen? Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

In den Medien werde seit dem Gipfel eine Hetze gegen linksradikale Bewegungen im Allgemeinen und gegen die Flora im Besonderen geführt, die deren Räumung vorbereiten solle. Man mache sich auf alles gefasst, erklärten die Aktivist*innen. Und warnten: Im Falle einer Räumung werde linksradikale Politik nicht aus dem Stadtteil verschwinden – im Gegenteil.

Dabei wirkt die Rote Flora seit Jahren eher de­eska­lierend, wenn es um brennende Barrikaden auf dem Schulterblatt, der Straße direkt vor der Flora, geht. Wenn dort am 1. Mai traditionsgemäß die Flaschen fliegen und Mülleimer qualmen, ist die Flora kein Rückzugsraum für Krawallkids. Während der Ausschreitungen am Gipfelwochenende hatte sie die Türen geschlossen und nur Verletzte und Sanitäter*innen reingelassen.

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