Peter Schaar zu Datenschutz im Netz: "Ich bin keine Gouvernante"

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar spricht mit der taz über die Datensammelwut der Wirtschaft, ein Verbot der Handy-Gesichtserkennung und die Grenzen seines Jobs.

Firmen sammlen auf unterschiedlichen Wegen Daten über Menschen. Bild: dapd

taz: Herr Schaar, wer ist der größere Datenkrake: der Staat oder die Wirtschaft?

Peter Schaar: Die Wirtschaft hat zurzeit die größere Sammelwut, vor allem im Internet. Dabei darf man aber nicht unterschätzen, dass - nicht nur deutsche - staatliche Stellen auf all diese Daten zugreifen können, etwa im Rahmen von Ermittlungsverfahren.

Aufgeregt haben sich die Menschen vor allem über den Straßenbilderdienst Google Street View. Dabei geht es doch nur um Fotos von Häusern.

PETER SCHAAR 56, ist seit acht Jahren Bundesbeauftragter für Datenschutz und seit 2006 auch für Informationsfreiheit. Der diplomierte Volkswirt ist Mitglied der Grünen.

Stimmt, für sich genommen ist dieser Dienst gar nicht der kritischste, aber viele Menschen hat das berührt. Schließlich greift Google über die virtuelle Welt hinaus auf den Einzelnen zu - und seis nur auf dessen Hausfassade.

Die Bundesregierung diskutiert derzeit, wie der Datenschutz im Netz insgesamt verbessert werden kann. Der Innenminister spricht von "roten Linien", wo die verlaufen sollen, ist aber unklar. Wo sehen Sie Grenzen?

Vor allem, wenn Internetdienste Persönlichkeitsprofile anlegen.

Das heißt konkret?

Firmen können aus unterschiedlichen Quellen Daten zusammenführen. Wenn ich eine bestimmte Seite ansurfe, eine Suchanfrage eingebe und das verbunden wird mit meinen E-Mails, dann entsteht ein Profil, das zu Werbezwecken missbraucht werden kann - ohne mein Wissen. Das darf nicht sein.

In Zukunft wird es auch möglich sein, jemanden mit dem Handy zu fotografieren und das Internet liefert den Namen dazu. Macht Ihnen das Angst?

Ich fände es schrecklich, wenn es eine solche Form der Gesichtserkennung geben sollte. Deshalb müssen hier rechtliche Grenzen eingezogen werden, etwa indem entsprechende Dienste nicht angeboten werden dürfen.

"Post Privacy"-Anhänger gehen einen ganz anderen Weg: Wir haben unsere Daten eh nicht mehr unter Kontrolle, damit müssen wir umgehen, sagen sie. Wenn alle nackt sind, ist das Nacktsein nicht mehr schlimm.

Das erinnert mich an den Spruch: "Ich habe nichts zu verbergen", den man von Sicherheitspolitikern kennt. Eine neue Generation macht ihn sich nun offenbar zu eigen und stellt alles von sich ins Netz …

inklusive der GPS-Daten der Bar, in der man säuft. Kriegt der Datenschützer da die Krise?

Wenn jemand meint, er müsse alles von sich preisgeben, kann ich als Datenschützer nichts unternehmen. Ich bin keine Gouvernante. Mein Job fängt da an, wo Daten gegen den Willen der Menschen gesammelt werden.

Die Regierung will auch den Datenschutz am Arbeitsplatz regeln, heute ist das Gesetz im Bundestag. Schützt es die Arbeitnehmer genügend?

Ich sehe deutlichen Verbesserungsbedarf. So soll mit dem Gesetz zwar die verdeckte Videoüberwachung ganz verboten werden, dafür könnte aber die offene ausgeweitet werden. Das wäre ein ganz schlechter Deal.

Herr Schaar, ein Vorstoß von Ihnen hat uns überrascht: "Vorratsdatenspeicherung light"…

… der Begriff gefällt mir nicht, es geht um eine Pufferung von Internetverbindungsdaten für wenige Tage.

Egal wie man es nennt: Nach dem Vorschlag würden die IP-Adressen aller Nutzer bis zu zwei Wochen ohne Anlass gespeichert. Die Netzgemeinde hat Sie dafür beschimpft.

Ich bin jemand, der für Probleme konkrete Lösungen sucht. Und anders als bei Telefonverbindungsdaten, die aus technischen Gründen eh schon bis zu 80 Tage von den Firmen gespeichert werden, haben Strafverfolger bei der Internetkommunikation vielfach tatsächlich ein Problem: die Zuordnung der IP-Adresse ist nicht mehr möglich, sobald die Verbindung beendet ist.

Warum muss sich ein Datenschützer den Kopf für die Polizei zerbrechen?

Es ist doch unrealistisch, dass die Europäische Union ganz auf eine Zugriffsregelung für Verbindungsdaten verzichtet. Ich wollte Bewegung in die Diskussion bringen, und das ist auch passiert. Schließlich will sich nun auch die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Frau Reding, für meinen Vorschlag einsetzen.

Die derzeit gültige Verordnung schreibt den EU-Staaten mindestens sechs Monate Vorratsdatenspeicherung vor.

Da wäre mein Vorschlag doch ein großer Schritt in Richtung mehr Datenschutz.

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