Personalie im Thüringer Skiverband: „Eine skandalöse Entscheidung“

Neuer Geschäftsführer ist DDR-Olympiasieger Ulrich Wehling. Er war SED-Hardliner und förderte als Funktionär systematisches Doping.

Altes Schwarz-Weiß-Bild von Ulrich Wehling beim Skilaufen 72 in Sapporo

Wie in alten Zeiten mit der Lizenz zum Dopen Foto: dpa

OBERHOF taz | Die Entscheidung des Thüringer Skiverbands, ab 1. Dezember diesen Jahres ausgerechnet den schwer dopingbelasteten und Stasi-verstrickten DDR-Skiverbandsfunktionär Ulrich Wehling als neuen Geschäftsführer in Oberhof zu verpflichten, sorgte für heftige Kritik des Doping-Opfer-Hilfe-Vereins in Berlin. Dort sind zahlreiche DDR-Athleten aus dem nordischen Skisport registriert, die schwere Gesundheitsschäden davongetragen haben.

Ulrich Wehling war in der DDR dreifacher Olympiasieger in der Nordischen Kombination, danach ab 1982 stellvertretender Generalsekretär des DDR-Skiverbands, zuständig für Leistungssport, sowie SED-Hardliner, der Repressionen gegen Trainer und Sportler mittrug, die sich weigerten, zu dopen. Für den couragierten früheren Thüringer Langlauftrainer und Anti-Doping-Kämpfer Henner Misersky, der mit seiner Tochter Antje – unter Beteiligung Wehlings – 1985 aus dem Leistungssport entfernt wurde, ist es eine „absolut skandalöse und ignorante Entscheidung“.

Misersky ergänzt: „In der Auseinandersetzung mit mir im Frühjahr 1985 um eine neue dopinggestützte Verbandskonzeption im DDR-Skiverband, die Hormondoping bereits für Mädchen ab 16 Jahren festschrieb – die ich ganz klar ablehnte –, war Wehling Verantwortungsträger.“ Kann so jemand wirklich Geschäftsführer des Thüringer Skiverbands werden? Ein Vorbild für junge Sportler sein? Und für einen glaubwürdigen Anti-Doping-Kampf im Thüringer Sport stehen?

Die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses Dagmar Freitag (SPD) verneint dies ebenfalls: „Ohne sich unmissverständlich und öffentlich von dem früheren DDR-System losgesagt zu haben, sehe ich bei Herrn Wehling wirklich keine besondere Eignung, eine strikte Ächtung des Dopings heutzutage glaubwürdig zu vertreten.“ Bis heute – nahezu 27 Jahre nach dem Mauerfall – hat sich der 64-jährige Wehling bei den Betroffenen, wie zum Beispiel Henner Misersky und seiner Tochter Antje Misersky-Harvey, der Biathlon-Olympiasiegerin von 1992, nicht entschuldigt.

Noch mehr fragwürdige Entscheidungen

Und nun soll ausgerechnet er in Oberhof das Sagen haben. Die Sportpolitikerin Freitag kritisiert: „Die Personalentscheidung des Thüringer Skiverbands ist für mich nicht nachvollziehbar. Schließlich kehrt damit einmal mehr ein belasteter DDR-Funktionär in eine wirklich wichtige sportpolitische Funktion zurück, und das, ohne sich zumindest von seinen früheren Verfehlungen distanziert zu haben. Und besonders erschütternd ist natürlich auch, dass die Personalie Wehling ja bei Weitem nicht die einzige wirklich fragwürdige Entscheidung im Sport auf Landesebene in Thüringen ist.“

So zieht im Landessportbund schon seit vielen Jahren der Stasi- und dopingbelastete Hauptgeschäftsführer Rolf Beilschmidt die Strippen. Und dennoch: Der Thüringer Skiverband verteidigt stoisch die Neuverpflichtung von Geschäftsführer Wehling: Man sehe keinen Grund, ihm wegen seiner DDR-Vergangenheit Vorhaltungen zu machen, erklärte der Vizepräsident Wilfried Hocke. Auch die Thüringer Sportministerin Birgit Klaubert von der Linkspartei ließ auf Anfrage zu Wehling per Sprecher mitteilen, man sehe es nicht als Aufgabe des Ministeriums an, Personalentscheidungen einzelner Sportverbände zu kommentieren.

Dagmar Freitag, Sportpolitikerin

„Die Entscheidung ist für mich nicht nachvollziehbar“

Und: Die Stelle des Geschäftsführers des Thüringer Skiverbands werde nicht mit Landes- beziehungsweise Bundesmitteln finanziert, so das Ministerium. Bezeichnend ist auch Folgendes: Der einstige DDR-Sportwissenschaftler Bernd Neudert, im Hauptberuf heute Leiter des Olympiastützpunktes Thüringen sowie Präsidiumsmitglied des Thüringer Skiverbands, beantwortete trotz mehrmaliger Anfrage nicht einmal die Frage, ob er persönlich an der Entscheidung für Wehling beteiligt war.

Alte Seilschaften

Der Deutsche Olympische Sportbund reagierte erst auf mehrmalige Anfrage, was der Präsident Alfons Hörmann zur Verpflichtung Wehlings im Thüringer Skiverband meine: „Zu diesem Vorgang äußert sich der DOSB nicht“, antwortete die Sprecherin. So viel zur sogenannten Null-Toleranz-Antidoping-Politik des Sport-Dachverbands.

Möglicherweise auch aus alter Verbundenheit: Alfons Hörmann, der von 2005 bis 2013 Präsident des Deutschen Skiverbands war, kennt Wehling persönlich aus dieser Zeit. DDR-Skifunktionär Wehling, der nach dem Mauerfall der Ostbeauftragte des Deutschen Skiverbands wurde und dort wegen seiner DDR-Vergangenheit nicht mehr zu halten war, wie einst DSV-Sportdirektor Helmut Weinbuch einräumte, wechselte 1992 zum Weltskiverband FIS in die Schweiz, wo er bis 2012 Renndirektor für die Nordische Kombination war.

Warum der Weltskiverband den belasteten Altkader Wehling eingestellt habe, obwohl dessen DDR-Vergangenheit zu diesem Zeitpunkt öffentlich bekannt war, beantwortete die FIS-Generalsekretärin Sarah Lewis heute so: „Die Gründe für die Anstellung von Herrn Wehling konnte ich beim FIS-Präsidenten Gian Franco Kasper checken, der damals FIS-Generalsekretär war. Die FIS brauchte 1992 einen Renndirektor in der Nordischen Kombination, und Uli Wehling war der beste Kandidat für diese Position. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Vorwürfe gegenüber seiner Person.“ Auch diese Aussage spricht für sich.

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