Partizipation: "Gute Dinge brauchen lange"

Die Sanierung des Landwehrkanals wird bis zu 100 Millionen Euro billiger – dank Bürgerbeteiligung. Doris Fortwengel hat fünf Jahre Mediation durchgestanden.

Die Bäume am Landwehrkanal dürfen bleiben Bild: Paul Zinken/dpa

taz: Frau Fortwengel, Sie haben sich als Anwohnervertreterin dafür eingesetzt, dass das bröckelnde Ufer des Landwehrkanals auch ohne Baumfällungen saniert werden kann. Fünf Jahre hat das gedauert. Warum haben Sie sich das angetan?

Doris Fortwengel: Ich wohne direkt an der Admiralbrücke. Wenn dort Bäume gefällt werden sollen, bekommt man plötzlich eine persönliche Beziehung zu denen. Was wäre der Kanal ohne Bäume? Anfangs dachten wir, dass das ganze Verfahren ein halbes Jahr dauert. Dann sollte es zwei Jahre dauern, und so weiter.

Damals bestand die Bürgerinitiative „Bäume am Landwehrkanal“ aus 15 Personen. Wie viele sind dabeigeblieben?

Zum Schluss waren wir zu fünft. Manche haben einfach nicht das Temperament dafür. Es geht nicht darum, sich anzuschreien, sondern darum, miteinander zu reden, Vertrauen aufzubauen. Wir sind ja alle groß im Protestieren. Aber das Schwierige ist, eine gemeinsame Lösung zu finden – mit 25 Verbänden, die ganz unterschiedliche Interessen haben. Am Anfang hat niemand gedacht, dass das gelingen kann, aber jetzt ist es ein Riesenerfolg.

Was war am schwierigsten?

Der ständige Wechsel der Kontaktpersonen in den Arbeitsgruppen und den Schifffahrtsbehörden. Irgendwann haben wir uns daran gewöhnt. Die vorletzte Leitung des Schifffahrtsamts hat sich ein Jahr lang eingelesen. Es kam immer wieder zu Konflikten. Wir mussten um jedes einzelne Gutachten ringen. Zum Glück gab es Mediatoren, damit es friedlich blieb.

Wie viel Zeit haben Sie in den ganzen Jahren reingesteckt?

Es ist frustrierend, wenn man das zusammenzählt. Insgesamt waren es 39 große Sitzungen à 5 Stunden. Rechnet man die anderen Termine dazu, kommt man in den fünf Jahren auf 600 bis 1.000 Stunden – ehrenamtlich. Man muss Ausdauer mitbringen. Ich bin Freiberuflerin, deshalb konnte ich mir nebenher Zeit nehmen. Meine Kinder musste ich manchmal zu den Sitzungen mitnehmen.

Was war Ihr Schwerpunkt?

Ich bin nicht dazu geeignet, irgendwelche Flusskrebse voneinander zu unterscheiden. Ich bin Architektin. Ich habe mich mit der Statik befasst und immer Kontakt zu Politikern gesucht. Jeder hatte irgendetwas, worin er gut ist. Mein Mann hat Physik studiert. Auch das war sehr nützlich, um zu verstehen, wie der übermäßige Schiffsverkehr die Ufermauer zerstört hat. Dann haben wir einen Experten gefunden, der festgestellt hat, dass die Bäume am Kanal nicht gefällt werden müssen, weil sie eben nicht an die Uferwand drücken. Dadurch sind die Sanierungskosten viel kleiner geworden.

Würden Sie das Ganze nochmal machen?

Ich weiß es nicht. Ich glaube zumindest, dass alle Beteiligten etwas gelernt haben. Einer aus dem Amt sagte, er gehe jetzt bei Konflikten anders mit seinen Mitarbeitern um. Man lernt, die andere Seite zu verstehen und sich zu einigen. Das ist der Gewinn. Gute Dinge brauchen eben lange.

Die Mediation war erfolgreich. Ab 2014 soll der Kanal saniert werden. Sind Sie jetzt raus aus der Nummer?

Nein, wir ringen jetzt darum, auch in die Ausführungsplanung eingebunden zu werden. Wir wünschen uns einen offenen, transparenten Prozess. Wir haben nicht fünf Jahre gearbeitet, damit beim Schifffahrtsamt jetzt alles im Sande verläuft.

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