Parlamentswahlen in Ägypten: Mubarak lässt abstimmen

Die Muslimbrüder kandidieren, andere Oppositionelle rufen zum Boykott auf. Fast alle sind sich einig, dass die Wahl in Ägypten eine Farce ist. Und doch warten sie auf den Wechsel.

"Eine Farce": Wahlkampf in Kairo. Bild: reuters

Als "Wahlen" wird das betitelt, was am Sonntag stattfindet, wenn die Ägypter über ein neues Parlament entscheiden. Aus diesem Anlass riefen die Muslimbrüder am Wochenende in Alexandria zu einer Kundgebung auf. Kaum waren sie mit ihrem Kandidaten auf die Straße gezogen, da setzte die Polizei dem Ganzen mit Knüppeln und Tränengas ein Ende. Über hundert Muslimbrüder wurden nach Polizeiangaben verhaftet, Dutzende wurden verletzt. Nach Angaben von Ägyptens bestorganisierter Oppositionsgruppe wurden während des Wahlkampfs über 1.000 ihrer Anhänger festgenommen.

Die Parolen der Muslimbrüder zeigten, wie wenig Vertrauen sie in die Wahlen setzen. "Nein zum Wahlbetrug" riefen sie, gefolgt von einem "Ja zum Wandel" - eine Forderung, die nach drei Jahrzehnten Herrschaft von Präsident Husni Mubarak von fast allen Ägyptern unterschrieben wird. Nur an ihrem letzten Slogan, "Islam ist die Lösung", scheiden sich die Geister. Niemand kann sagen, wie viel Unterstützung die Islamisten wirklich haben. Auch bei den Wahlen wird man das kaum erfahren.

Mubarak kündigte zwar "freie und transparente Wahlen" an. Doch der Oppositionellen Abdel Halim Qandil von der Kifaya-Bewegung ("Es reicht!") kommt der Wirklichkeit etwas näher: "Wer gewählt wird, das ist eine Art Befehl von oben. Das ist die Karikatur einer Wahl, in der die Herrscher die Regierung und die Opposition einfach bestimmen."

In der Vergangenheit wurden Wähler der Opposition von der Polizei am Gang in die Abstimmungslokale gehindert und die Urnen am Ende des Wahltages schamlos mit vorgefertigten Stimmzetteln aufgefüllt. Die Regierungspartei hat auf diese Weise stets eine solide Zweidrittelmehrheit erhalten. Wenig spricht dafür, dass es diesmal anders wird.

Nur im Drehbuch, wer diesmal die Opposition spielen soll, wird es voraussichtlich Änderungen geben. 2005 hatten die Muslimbrüder ein Fünftel der Parlamentssitze erhalten. Das war zu einer Zeit, in der die US-Regierung nach dem Irakkrieg gerne von der Demokratisierung der arabischen Welt sprach und Mubarak unter Druck stand, das Land endlich zu reformieren. Da kam es dem Regime gelegen, das Gespenst der islamistischen Machtübernahme ein wenig zu beleben.

Aber nur in Maßen: Als die Muslimbrüder im ersten Wahlgang "überraschend gut" abschnitten, sperrte die Polizei im zweiten Wahlgang die Wahllokale ab und ließ nur noch die Anhänger der Regierungspartei durch. Die Muslimbrüder werden diesmal wohl schlechter abschneiden. Sie haben für die 508 Sitze nur 135 Kandidaten aufgestellt. Ein Fünftel wurde im Vorfeld von der Wahlkommission disqualifiziert.

Die Opposition ist sich zwar einig, dass die Wahlen eine Farce sind, aber dennoch gespalten. Die Muslimbrüder begründen ihre Entscheidung mit dem Argument, der Wahlkampf sei eine Chance zur Mobilisierung neuer Anhänger und Entlarvung des Wahlbetrugs. "Unser Entschluss, an den Wahlen teilzunehmen, ist eine Botschaft, um die Straße zu mobilisieren, um die Stimmen zu verteidigen. Die Straße muss sich in Bewegung setzen, um ihr Interesse und die Wahlurnen zu verteidigen", erklärt der Muslimbruder Ahmad Diyan.

Qandil von der Kifaya-Bewegung hat dagegen, ebenso wie der ehemalige Chef der Atomenergiebehörde und Friedensnobelpreisträger Mohammed al-Baradei, zum Wahlboykott aufgerufen. Qandil vergleicht die Parlamentswahlen mit einem Fußballspiel, dessen Ergebnis bereits vor Spielbeginn feststeht.

"Da steht jemand, der sagt, spiel hier im gegnerischen Feld. Der ist gleichzeitig dein Gegenspieler, der Schiedsrichter und derjenige, der die Regeln aufgestellt hat. Er bestimmt, wann es ein Tor und ein Foul gibt. Da ist es doch besser, das Feld zu verlassen", meint Qandil. Daher sind die Wahlen und deren Ablauf vor allem ein Test für das politische Leben in einem Land, in dem alle darauf warten, wann die Zeit des 82-jährigen Mubarak abläuft.

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