Parlamentsjuristen melden sich zu Wort: Polizeigesetz geht so nicht

Die Juristen des Beratungsdienstes des Niedersächsischen Landtags halten das geplante niedersächsische Polizeigesetz für teilweise verfassungswidrig.

Die Justizvollzugsanstalt in Hannover.

Das geplante niedersächsische Polizeigesetz geht großzügig mit Freiheitsentzug um Foto: dpa

BREMEN taz | Verfassungsrechtlich „bedenklich“, „problematisch“ oder sogar „verfassungswidrig“: Der Innenausschuss des Niedersächsischen Landtags wird einiges zu diskutieren haben, wenn er ab dem 1. November 2018 in mehreren Sondersitzungen über das von SPD und CDU geplante neue Polizeigesetz berät. Denn eine wissenschaftliche Einschätzung der Juristen des Landtages kommt zu einem vernichtenden Ergebnis. An zahlreichen Stellen des Gesetzentwurfs formulieren sie verfassungsrechtliche Bedenken. Die CDU macht Druck, damit das Gesetz noch in diesem Jahr in Kraft tritt.

Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtags hatte sich zunächst die ersten 29 der insgesamt 109 Paragrafen vorgenommen. Für „verfassungswidrig“ hält er darin unter anderem die Erweiterung dessen, was als terroristische Straftat eingestuft wird, aber auch Aufenthalts- und Meldeauflagen. Dass es etwa möglich sein soll, Deutschen zum Vorbeugen von strafbaren Handlungen „für bis zu sechs Monate das Verlassen ihres Stadtbezirks zu verbieten, halten wir für ausgeschlossen“.

Die Möglichkeit, sogenannte „Gefährder“ für bis zu 74 Tage in Unterbindungsgewahrsam zu nehmen, ist für die Parlamentsjuristen „verfassungsrechtlich bedenklich“. Die Freiheitsentziehung sei „eine der am stärksten in die Rechte der betroffenen Personen eingreifenden Maßnahmen und unterliegt der strikten Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes“. Eine Dauer von mehr als 14 Tagen, halten sie für „ schwer begründbar“. Sie setzen die harten Maßnahmen auch in Beziehung zur Bekämpfung anderer Verbrechen und fragen: „Warum ist zum Beispiel eine geplante Ausreise nach Syrien mit terroristischer Motivation schwerwiegender als ein geplanter Mord (ohne Terrorhintergrund)?“

Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat signalisiert, das Gesetz in einigen Punkten anzupassen, wie der Weser Kurier berichtet. Auch die CDU sei verhandlungsbereit – allerdings nicht bei der Präventivhaft.

Die FDP fordert die Streichung der von den Juristen beanstandeten Stellen. Die Grünen hingegen sehen sich in ihrer Kritik am Polizeigesetz voll bestätigt und fordern, das Gesetz komplett zu stoppen. Der grüne Abgeordnete Belit Onay sagte der taz: „Die Kritik der Juristen ist vernichtend.“ Er verweist darauf, dass auch in den von den Parlamentsjuristen noch zu prüfenden Paragrafen „große Brocken“ wie der Staatstrojaner stünden. „Die Große Koalition wird das Gesetz mit Nachbesserungen nicht retten.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.