Norwegen kauft mehr RWE-Aktien: Kohleausstieg? Erstmal nicht

Der staatliche Pensionsfonds Norwegens will eigentlich aus der Kohle aussteigen. Doch nun verdoppelt er seine Beteiligung am Kohlekonzern RWE.

Ein Mann steht in einem Braunkohle-Tagebau vor einem riesigen Schaufelradbagger

Norwegen verdoppelt seine Beteiligung an dem Kohlekonzern RWE (Bild aus dem Braunkohlerevier Grevenbroich) Foto: dpa

STOCKHOLM taz | „Ende Gelände“? Diese Botschaft der deutschen Kohleenergiegegner scheint in der Investmentabteilung der Norwegischen Zentralbank noch nicht angekommen zu sein. Dort wird der auch als „Ölfonds“ bekannte Auslandspensionsfonds verwaltet. In ihn fließt der Großteil der staatlichen Öleinnahmen, um nach dem Ende des Ölzeitalters künftige Generationen an diesem Reichtum teilhaben zu lassen. Der Fonds hat in den vergangenen Monaten ausgerechnet die Anteile am Braunkohleverstromer RWE aufgestockt.

Hatte der Fonds zum Jahreswechsel einen Aktienanteil an RWE, der einem Stimmrecht von 1,37 Prozent entsprach, wurde im September kräftig dazugekauft. Der Anteil an diesem deutschen Energiekonzern beläuft sich nach den zuletzt in Deutschland veröffentlichten Zahlen nun auf 3,12 Prozent. Die Norweger haben ihren Anteil also mehr als verdoppelt.

Der Ölfonds hält jetzt rund 18 Millionen RWE-Aktien zu einem Marktwert von rund 320 Millionen Euro. Die Zentralbank selbst veröffentlicht solche Zahlen nur einmal jährlich, doch Fonds-Direktor Yngve Slyngstad bestätigte, „dass wir nun einen größeren Anteil an RWE haben als früher“. Konkret kommentieren will er diese Investitionsentscheidung aber nicht.

Dabei war dem weltweit größtem Staatsfonds schon vor drei Jahren vom norwegischen Parlament die Auflage erteilt worden, zukünftig nicht mehr in die Kohlewirtschaft zu investieren. Damals gehörte der Ölfonds zu den Top-Ten-Investoren der globalen Kohlebranche und hielt Anteile an Gesellschaften, die für 23 Prozent der weltweiten Kohleförderung stehen.

Richtlinien mit Schlupflöchern

Infolge der neuen Richtlinien habe man 59 Firmen auf die schwarze Liste gesetzt und werde sich von deren Aktien trennen, hatte Slyngstad 2016 angekündigt. Das seien „die meisten“, die von den vom Parlament vorgegebenen Ausschlusskriterien erfasst würden.

Doch die Richtlinien enthalten Schlupflöcher, über die ein konsequentes Kohle-Divestment umgangen und auf die lange Bank geschoben werden kann. Es soll keine Investitionen mehr geben, die „in besonderem Maße schädlich für das Klima“ sind. Wozu „im Prinzip“ die Beteiligung an solchen Firmen zählt, die mehr als 30 Prozent ihrer Einkünfte mit Kohle generieren. Bei Unternehmen, die ihr Kohleengagement abbauen und sich der 30-Prozent-Grenze nähern, muss der Fonds aber beispielsweise nicht verkaufen.

Er hätte nicht erwartet, dass in Europa der Tag kommen würde, an dem sich Menschen zusammenschließen müssten, „um uralte Wälder vor den Planierraupen eines Konzerns zu schützen – noch dazu in einem Land mit einem reichlichen Angebot erneuerbarer Energien“, schrieb Jan Erik Saugestad, Chef des größten privaten norwegischen Pensionsfonds Storebrand, in der vergangenen Woche in einem Gastbeitrag für die Wirtschaftswoche.

Am Zukauf weiterer RWE-Aktien durch den Ölfonds lässt er kein gutes Haar: Solche Aktien seien „toxisch“. Weite ein Energieunternehmen seine Kohleaktivitäten aus, „gibt es für uns nur eine Option: den Ausstieg“. Tatsächlich hatte Storebrand schon im vergangenen Jahr alle Kohleaktien aus seinen Fonds genommen, darunter die von RWE und von Uniper, der Tochtergesellschaft, in die der deutsche Eon-Konzern seine Kraftwerksparte mit der Stromerzeugung unter anderem aus Kohle und Gas ausgelagert hat.

Peinlich für Norwegen

Es gebe „keine Argumente mehr, die Kohlewirtschaft aufrechtzuerhalten“, schreibt Saugestad und fordert Aktieninvestoren auf, sich von solchen Aktien zu trennen, um „den Markt weg von der Kohle und hin zu sauberen Alternativen zu bewegen“.

Es sei „ausgesprochen peinlich für Norwegen“, wenn der Staatsfonds seine Anteile am „Klimabanditen RWE“ nun mehr als verdoppelt habe, während andere Fonds sich von diesen trennten, kritisiert auch Martin Norman, Klimaexperte von Greenpeace Norwegen die Investitionspolitik der Zentralbank. Er fordert das Parlament in Oslo auf, die entsprechenden Richtlinien zu verschärfen, damit der Ölfonds nun endlich gezwungen werde, alle Kohleaktien zu verkaufen.

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