Noch mehr erste Liga für Berlin: Eine ganz neue Spielsituation

Eine Jubelarie hat sich durch die Woche gezogen: Union Berlin hat es in die Bundesliga geschafft. Ein Wochenkommentar.

Feiernde Union-Fans mit Pyrotechnik

Union-Fans feiern mit den fußballüblichen, sonst verbotenen Feierutensilien Foto: dpa

Union im Roten Rathaus, Union auf dem Boot, Unioner Stadionparty, Balkon für Union: eine Jubelarie hat sich durch die Woche gezogen, da ist das Köpenicker Volk erstligareif. Nach dem Bundesligaaufstieg heißt sowieso nur einen Herzschlag vor dem ersten Bundesligaspiel, vor dem ersten Hauptstadtderby, ach was, vor dem Abstiegskampf.

Die erfolgreiche PR-Maschine von Union Berlin läuft, die Hauptstadtpresse übertönt einander brav in Loyalität und Jubel. Union sells. Dabei steht am Sonntag kaum bemerkt ein weiteres Unioner Relegationsspiel an. Die Frauen spielen gegen Andernach um den Aufstieg in die zweite Bundesliga, 1:1 lautete das Ergebnis im Hinspiel. Auch dort wird eher verteidigt und geackert, es gibt gewisse Parallelen zu den Männern, aber es ist bezeichnend, wie irrelevant das Team in der vermeintlich progressiven Berliner Öffentlichkeit bleibt. Wenn es nach der Unioner Vereinsführung geht, müssen die Frauen gar nicht unbedingt aufsteigen. Regionalliga reicht auch. Alles andere würde mehr Geld kosten, das der sympathische Knuddelklub lieber fast nur für die Männer aufwendet.

Nein, solidarisch und egalitär ist Union wahrlich nicht in jeder Beziehung. Kritik aushalten muss er dafür kaum. Immerhin, Union engagiert sich, Hertha lässt es bei den Frauen bequem gleich bleiben.

Jetzt also: Aufstieg der Unioner Herren. In der Presse wird auf die Ossi­drü­se gedrückt, aber für den Osten heißt der Union-Aufstieg wahrscheinlich gar nichts: nicht Dresden oder Magdeburg steigen auf, sondern ein Hauptstadtkiezklub, höchstens sentimental ostig. Keine entvölkerten Regionen profitieren, bloß ein paar Kioske in Oberschöneweide. Der Rest ist Folklore.

Hertha darf sich freuen, dass das Stadion einmal mehr ausverkauft ist

Ob die klamme Hauptstadt langfristig zwei Profiklubs ernähren kann, bleibt herauszufinden. Schon Hertha fehlen die Mittel, um den geplanten Großangriff in der Bundesliga zu starten. Geldgeber aus dem Ausland wären eine plausible Lösung, bisher suchen die Charlottenburger aber ihren Chinesen vergeblich. Denkbar also, dass langfristig nur Platz für einen Berliner Bundesligisten ist, nicht gesagt, welcher. Im Image und Auftritt zieht Union längst vorbei. Die Konkurrenz im Jugendbereich verschärft sich: Hertha hat sich in den vergangenen Jahren als großer Nachwuchsförderer profiliert und möchte das gern bleiben. Nein, der Westklub freut sich sicher nicht über Unions Aufstieg. Aber immerhin darüber, dass er jetzt einmal mehr das Olympiastadion ausverkauft. Mit dem Hauptstadtderby gelingt wohl ausgerechnet dank Union, was Hertha immer anstrebte: mehr Fußballmetropole Berlin. Mehr sichtbare, andere Fankultur.

Schattenseiten hat das. Die sogenannten Randsportarten rutschen weiter ins Halbbedeutungslose hinter der neuen Polarität. Die Lücke zum Berliner Amateurfußball wächst. Und die Unionerinnen dürfen weiter auf eine Zeit warten, in der dem Stammverein der Satz „Kein Geld“ nicht mehr als Ausrede durchgeht. Davon sind die Unioner Herren in der Bundesliga weit entfernt. Und Geld braucht man im Männerfußball ja eigentlich immer.

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