Nigeria bei der Fußball-WM: Irdisches Talent und Gottvertrauen

Das junge nigerianische Team verblüfft die Schwedinnen mit seinem geradlinigen Offensivspiel. Erstmals scheint die gute Nachwuchsarbeit zu fruchten.

Zwei nigerianische Fußballerinnen jubeln

Ausgelassen: Francisca Ordega und Asisat Oshala Foto: John Woods/The Canadian Press/ap

Die Ausgelassenheit war groß auf Seiten der Nigerianerinnen. Ein Tänzchen nach dem anderen führten sie im Winnipeg-Stadium auf. Dabei schienen die favorisierten Schwedinnen schon früh für klare Verhältnisse gesorgt zu haben.

Mit einer 2:0-Führung waren sie in die Halbzeitpause gegangen. Allerdings ahnte man bereits beim Gang in die Kabinen, dass dieses nigerianische Team das Zeug dazu hat, weit mehr als nur ein unangenehmer Stolperstein in der stärksten WM-Vorrundengruppe zu sein. Mit ihrem schnellen, direkten und technisch versierten Spiel hinterließ der Afrikameister von Anfang an den besseren Eindruck.

Nach einer furiosen Aufholjagd und der unbeeindruckten Antwort auf einen erneuten Rückschlag jubelten die Nigerianerinnen am Ende über ein spektakuläres 3:3. Die erfahrene schwedische Trainerin Pia Sundhage wirkte düpiert. Sie erklärte: „Unsere Strategie für das Spiel sah anders aus als das, was Sie hier gesehen haben.“ Auch die USA dürften gegen dieses willensstarke, gut funktionierende Kollektiv Probleme haben, ihre Pläne durchzubringen.

Die erstaunten Beobachter beschied Trainer Edwin Okon mit einer recht ungewöhnlichen Erklärung: „Gebete spielen eine Schlüsselrolle für das nigerianische Team. Wir preisen Gott. Das ist das Erfolgsrezept.“ Nach jedem Tor bedankte sich der Coach entsprechend und bedeckte den Boden mit etlichen Küssen. Es gibt aber auch durchaus irdische Gründe für den Erfolg Nigerias.

„Dreckige Lebensweise“

Bei den letzten drei U20-Weltmeisterschaften erreichte Nigeria stets das Halbfinale. Beim letztjährigen Turnier in Kanada scheiterte man im Finale erst in der Verlängerung an Deutschland (0:1). Für ihre hervorragende Nachwuchsarbeit ist Nigeria weltweit schon seit Längerem bekannt. Nur konnte der Erfolg bislang nie in den Erwachsenenbereich übertragen werden.

Bei den Weltmeisterschaften schaffte es Nigeria nur einmal über die Vorrunde hinaus. Bei der letzten WM 2011 in Deutschland fiel die Landesauswahl durch ihr überhartes Spiel und vor allem durch skandalöse Bemerkungen der damaligen Trainerin Eucharia Uche auf, die sich rühmte, alle lesbische Spielerinnen aus dem Nationalteam verbannt zu haben, weil sie deren „dreckige Lebensweise“ nicht tolerieren könne.

Auch über den Nachwuchsbereich im Frauenfußball waren damals bereits erschreckende Missbrauchsgeschichten zu hören. Viele der talentierten Spielerinnen, die von einer großen Karriere und ökonomischen Unabhängigkeit träumen, werden von ihren männlichen Trainern zum Sex genötigt. Wenn sie sich verweigern, werden sie nicht mehr aufgestellt.

In Kanada sorgte das junge nigerianische Team gleich mit dem ersten Auftritt für positive Schlagzeilen. Immerhin sieben Spielerinnen aus dem U20-Vizeweltmeisterteam wurden dieses Mal in den WM-Kader integriert. Die auffälligste ist gewiss die Mittelfeldspielerin Asisat Oshoala.

Übergang auf die große Bühne

Bei der Junioren-WM im letzten Jahr glänzte sie bereits als beste Torschützin (sieben Tore) und wurde zur besten Spielerin des Turniers gewählt. Sie gehört auch zu den wenigen Spielerinnen, die ihr Geld im Ausland, verdienen, beim FC Liverpool. In Winnipeg gelang ihr der nahtlose Übergang auf die große Bühne. Sie erzielte den so wichtigen 2:2-Ausgleich und war von den schwedischen Defensivspielerinnen nur schwer unter Kontrolle zu bekommen.

Das Publikum in Winnipeg goutierte den geradlinigen Offensivfußball der Nigerianerinnen und schlug sich recht schnell auf die Seite des Außenseiters. Desire Oparanozie erklärte hernach, dass diese Unterstützung eine große Hilfe und Motivation für das Team gewesen sei. Und sie resümierte: „Dieses Unentschieden fühlt sich wie ein Sieg an.“ Das Zusammenspiel zwischen diesen couragierten Fußballerinnen und den kanadischen Zuschauern könnte sich in den nächsten Wochen als gewinnbringende Verbindung herausstellen.

An Selbstbewusstsein mangelt es dem Team ohnehin nicht. Man besinnt sich ganz bewusst nur auf die eigenen Stärken. Vor dem Spiel gegen Schweden hatte Trainer Okon erklärt: „Ich weiß nichts über Schweden, muss ich ihnen ehrlich sagen. Wir müssen uns lediglich gut vorbereiten.“ Er hat recht behalten. Sein Gottvertrauen hat ihm gewiss geholfen.

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