Niederlagen der Trump-Regierung: Kalkül hinter dem Chaos

Was der Trubel um Trump verdeckt: Die Republikaner schaffen Fakten. Sie schaffen Fakten, die noch lange nach Trumps Ende wirken werden.

Donald Trump zwischen den Fraktionschefs der Republikaner im Kongress, Mitch McConnell und Paul Ryan

Erfolgreicher als sie scheinen: US-Präsident Trump (m.) mit den republikanischen Fraktionschefs McConnell (l.) und Ryan. Foto: ap

NEW YORK taz | Donald Trump hat die bislang rumpeligste Woche seiner Präsidentschaft hinter sich. Es kam heraus, dass er seinem 39-jährigen Sohn dessen Lüge über Kontakte zu einer russischen Anwältin diktiert hat. Anthony Scaramucci musste nach 10 Tagen das Amt des Kommunika­tions­chefs wieder aufgeben. Die öffentliche Kritik führender Militärs und republikanischer Politiker an Trumps Hasstiraden gegen transsexuelle Soldaten wurde lauter. Sonderermittler Robert Mueller, der mögliche kriminelle Machenschaften in Trumps Wahlkampf untersucht, setzt eine „Grand Jury“ ein. Die Washington Post machte ihn mit der Veröffentlichung von Mitschnitten seiner Telefonate mit dem mexikanischen Präsidenten und dem australischen Premier lächerlich.

Die Ereignisse zeigen einmal mehr die Inkompetenz, die Unehrlichkeit und andere persönliche Unzulänglichkeiten, die „Nummer 45“ mit in das Amt gebracht hat. Sie erklären auch, weshalb Trump trotz absoluter Mehrheiten nicht in der Lage ist, seine Wahlversprechen einzulösen. So ist „Obamacare“ nach sechs Monaten immer noch nicht gekippt und auch die Steuerreform weiterhin ein Papiertiger.

Im Vergleich zu früheren Präsidenten ist Trumps Anfang gründlich gescheitert. Doch die Show von Chaos und Dysfunktionalität, die er im Weißen Haus bietet, verdeckt den Blick darauf, was dahinter passiert. Republikaner stellen effizient und in rasanter Geschwindigkeit Weichen für die Zukunft. Im Kongress, in der Regierung und im Weißen Haus haben sie bereits Dutzende von Regeln gekippt oder verändert. Ihr Vorgehen entspricht langjährigen Wünschen von Republikanern und Unternehmern. Und sie schaffen Fakten, von denen manche weit über Trumps Ende hinaus wirken werden.

Die „Grenzsicherung“ ist eine ihrer Stärken. Obwohl Trump bislang weder die versprochene Mauer zu Mexiko durchgesetzt hat, sind die nicht autorisierten Grenzüberquerungen schon jetzt um 20 Prozent zurückgegangen. Die über 11 Millionen Papierlosen in den USA fühlen sich so unsicher wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Neben der abschreckenden präsidialen Rhetorik macht ihnen das harte Vorgehen gegen sie Angst.

Innenminister John Kelly, ein Ex-Irakkriegsgeneral, schaffte die Regel ab, wonach nur straffällige papierlose Einwanderer abgeschoben werden können, während insbesondere Eltern von Kindern, die US-Staatsangehörige sind, toleriert werden. Im Februar schrieb Kelly ein Memorandum, wonach seine Beamten Papierlose grundlos festsetzen können. Danach stiegen die Verhaftungen um 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Trump lobte den Minister als „einen Star meiner Regierung“ und beförderte ihn zum Stabschef im Weißen Haus, wo Kelly jetzt versucht, militärische Disziplin zu schaffen.

Justizminister Jeff Sessions, ein Law-und-Order-Politiker, der im konservativen Alabama gegen die Bürgerrechte von Afroamerikanern vorging, sorgte dafür, dass Papierlose so lange hinter Gitter kommen, bis ihr Fall geklärt ist. Damit füllte er die Abschiebegefängnisse und die Kassen der privaten Gefängnisbetreiber, GEO Group und Core Civic, die Trumps Inaugurationsfeier mit knapp einer halben Millionen Dollar unterstützten.

Spekulation statt sozialem Wohnungsbau

Außerdem wollen die Republikaner zwischen 2018 und 2028 191 Milliarden Dollar aus dem Programm für Lebensmittelmarken streichen, was vor allem die offiziell 42,6 Millionen Armen in den USA hart treffen wird. Außerdem sind Kürzungen von 6 Milliarden Dollar pro Jahr bei Wohnungsgeld und sozialem Wohnungsbau geplant. Falls der Haushaltsentwurf angenommen wird, werden Familien, die mit durchschnittlich 14.600 Dollar im Jahr auskommen müssen, ihre Billigunterkünfte nicht mehr bezahlen könnten.

Anschließend können Immobilienspekulanten in Großstädten wie New York die Backsteintürme aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts endlich übernehmen und für zahlungskräftige Mieter renovieren. Der Minister für Wohnen und Städtebau, Ben Carson, einer der ehemaligen republikanischen Widersacher aus dem Vorwahlkampf, die der Präsident kooptiert hat, sagt: „Ich bin froh, dass Trump alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Denn so kann ich die Sachen erledigen.“

Im südbadischen Oberrimsingen feiern sie ein großes Fest. Was ist es, das ein Dorf zusammenhält? Das steht in der taz.am wochenende vom 5./6. August. Außerdem: Das Bienensterben könnte uns alle ins Verderben führen. Manche wollen deshalb Bienen im Baum halten. Letzte Rettung oder Schnapsidee? Und: Der Schweizer Martin Suter ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller im deutschsprachigen Raum. Ein Gespräch. Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

Bereits im Januar reichten die Republikaner einen Entwurf im Kongress ein, der ein nationales Right-to-Work-Gesetz einführen soll. Den Gewerkschaften wurden mit solchen Gesetzen bereits in mehr als der Hälfte der Bundesstaaten die Mitglieder entzogen, das Prinzip der Tarifverhandlungen verstümmelt und finanziell ausgeblutet. Parallel dazu hat das Arbeitsministerium zahlreiche Regeln aus der Obama-Ära über Bord geworfen: Die Meldepflicht für Arbeitsunfälle wurde gelockert, Arbeitgebern wurde erlaubt, Krankenversicherungen abzulehnen, die Empfängnisverhütung enthalten, Restaurantbesitzer können Trinkgelder von KellnerInnen umverteilen. Künf­tig brauchen Unternehmer, die für die Regierung arbeiten, auch nicht mehr ihre zurückliegenden Verletzungen des Arbeitsrechts melden.

Langfristige Folgen werden Trumps Nominierungen für die Leitung des National Labor Relations Board (NLRB) haben, das über die Einhaltung des Arbeitsrechts wacht. Er hat zwei Männer vorgeschlagen – William Emanuel und Marvin Kaplan – von denen der erste darauf spezialisiert ist, Gewerkschaften von Betriebsgeländen fernzuhalten, und der zweite die republikanische Fraktion in Sachen Arbeitsrecht beraten hat. Zusammen mit einem dritten Republikaner werden sie bis in das Jahr 2021 die Mehrheit in der Institution stellen.

Unter Obama wollten Republikaner das NLRB komplett abschaffen. Künftig werden sie darüber entscheiden, ob Beschäftigte, die noch studieren, sich gewerkschaftlich organisieren dürfen und ob Mutterunternehmen für unlautere Beschäftigungspraktiken ihrer Franchise­nehmer verantwortlich sind.

Rekord im Regeln-Kippen

Im Bereich Umweltschutz ist Trump international mit seinem Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen vorgeprescht. In seiner ansonsten erratischen Außenpolitik vertritt er konsequent die Interessen der Fossilen-Energie-Erzeuger der USA. In der Ukraine will er das russische Gas durch US-amerikanische Kohle ersetzen, und er drängt den indischen Premierminister Narendra Modi zum Kauf von verflüssigtem Erdgas und „sauberer“ Kohle aus den USA.

Die Umweltbehörde EPA, deren Personal und Finanzen radikal gekürzt werden, hat unter Trump mehr Regeln gekippt als je zuvor in ihrer 47-jährigen Geschichte. Sie strich den Baustopp für zwei Pipelines und genehmigte ein umstrittenes Goldbergwerk in Alaska. Auch die Auflagen für Offshore-Bohranlagen sollen gestrichen werden, die Obama verfügt hatte, nachdem die Explosion der „Deepwater Horizon“ im Jahr 2010 den Golf von Mexiko verpestete. Bis Juni wurden über 30 Regeln zur Reinhaltung von Wasser, Luft und Nationalparks abgeschafft. Und Behördenchef Scott Pruitt will den Fossilen-Energie-Erzeugern nicht nur die unmittelbare, sondern auch die ferne Zukunft erleichtern: Künftige Präsidenten sollen nach seinem Wunsch keine Entscheidungsmöglichkeit bei grenzüberschreitenden Energiegeschäften mehr haben.

Die tiefsten Pflöcke hat Trump im Bereich der Justiz eingeschlagen. In seinen sechs Monaten im Amt sind bereits fünf seiner Bundesrichternominierungen – darunter die von Neil Gorsuch für das Oberste Gericht – vom Senat angenommen worden. Weil der republikanische Senatschef Mitch McConnell ein Jahr lang sämtliche Richterkandidaten von Obama blockiert hat, sind gegenwärtig 137 Bundesrichterstellen zu vergeben.

Trumps Kandidaten dafür sind fast alle unter 50, oft evangelikale Christen, und politisch stehen sie weit rechts. Viele sind Mitglieder der „Federalist Society“, die dafür plädieren, die Verfassung so zu interpretieren, wie sie bei ihrer Entstehung Ende des 18. Jahrhunderts gemeint war. Sie verteidigen die Todesstrafe, das Recht auf Waffen und sind gegen Schwangerschaftsabbrüche.

Da Bundesrichter in den USA auf Lebenszeit bestimmt werden, kann Trump mit diesen Nominierungen die Rechtsprechung bis in die Mitte des Jahrhunderts hinein prägen. So reich an Kalamitäten seine Amtsführung im Weißen Haus ist, so zielstrebig organisiert er seine Hinterlassenschaft in der Justiz. Künftige Regierungen in Washington werden mit einer Front von rechten Libertären in der Richterrobe konfrontiert sein.

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