Nicht zugelassene Verhütungsspritzen: Ermittlungen gegen 300 Frauenärzte

300 Frauenärzte sollen ihre Patientinnen bis 2011 nicht zugelassene Verhütungsspritzen verabreicht haben. Schon 2009 waren sie vor den Spritzen gewarnt worden.

Wurde trotz eines Warnhinweises gespritzt? Bild: imago / CHROMORANGE

LICHTENFELS/NÜRNBERG dapd | 300 Frauenärzte sollen ihren Patientinnen zwischen 2008 und 2011 nicht zugelassene Verhütungsspritzen verabreicht haben. Betroffen sind Frauen im gesamten Bundesgebiet, wie ein Sprecher des Zollfahndungsamts München sagte. Insgesamt sollen die Gynäkologen 50.000 Ampullen verabreicht haben.

Die Mediziner strichen dafür hohe Gewinne ein. Das Medikament kostete sie den Angaben zufolge rund ein Zehntel der Summe, die sie im Anschluss abrechneten. Der Leiter der zuständigen Staatsanwaltschaft Hof, Gerhard Schmitt, betonte: „Gesundheitliche Schäden sind nicht bekannt.“

Die Ampullen wurden laut Zollfahndungsamt von einer sechsköpfigen Gruppierung aus Lichtenfels aus der Türkei eingeschmuggelt. „Das ist kein Einzelfall“, sagte ein Zollsprecher. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal und das Zollkriminalamt in Köln hatten kürzlich Ermittlungen gegen mehr als 600 Frauenärzte in ganz Deutschland eingeleitet.

Die Hauptverdächtigen im aktuellen Fall wurden bereits Ende 2011 festgenommen, sind inzwischen aber wieder auf freiem Fuß. Die Auswertung der Beweismittel ergab, dass eine 57-jährige Arzthelferin aus Lichtenfels bereits 2008 auf die Geschäftsidee gekommen sei. Mit einem 33-jährigen Komplizen habe sie dafür eine Briefkastenfirma in Tschechien gegründet und darüber den virtuellen Handel mit den Verhütungsspritzen organisiert. Vier weitere Personen kümmerten sich um die weitere Abwicklung. Der Fall wurde aufgrund der Ermittlungsarbeit in den vergangenen Monaten erst jetzt öffentlich gemacht.

Der Sprecher des Zollfahndungsamts München stellte klar, dass sich die Ärzte an dem Handel beteiligt hätten, obwohl das Deutsche Ärztenetz Gynäkologie bereits Anfang des Jahres 2009 einen Warnhinweis bezüglich des Präparats veröffentlicht habe. „Sie haben teilweise bar bezahlt bei der Übergabe“, sagte der Sprecher. Hier lägen „mehrere Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz“ vor. Den Medizinern sei bewusst gewesen, dass es nicht mit rechten Dingen zugehe: „Sie haben das Medikament ja nicht in der Apotheke gekauft.“

Keine Gefahr für die Gesundheit

Die Staatsanwaltschaft Hof betonte, das geschmuggelte Präparat sei in anderen Ländern zugelassen, aber nicht in Deutschland. Die Gesundheit der betroffenen Frauen sei nach den Erkenntnissen der Ermittler nicht gefährdet. Gegen die einzelnen Ärzte laufen laut Schmitt nun Ermittlungen bei Staatsanwaltschaften in ganz Deutschland. Ob die Zulassung der Ärzte gefährdet sei, müssten die jeweiligen Verwaltungsbehörden wie etwa die Ärztekammern entscheiden. Die Zuständigkeit sei in jedem Land einzeln geregelt. Um welches Präparat es sich bei den eingeschmuggelten Drei-Monats-Verhütungsspritzen genau handelt, wollte Schmitt nicht sagen.

Das Deutsche Ärztenetz Gynäkologie geht davon aus, dass es sich um Ampullen mit dem Wirkstoff Medroxyprogesteronacetat handelt. Dieser Wirkstoff ist den Angaben zufolge weltweit und auch in Deutschland grundsätzlich zugelassen. Die geschmuggelten Präparate hingegen sind nicht zugelassen, weil sie nicht offiziell als Re-Import gekennzeichnet sind. Re-Importe enthalten vom Bundesgesundheitsamt nach Prüfung unter anderem eine Zulassungsnummer, die sogenannte Pharmazentralnummer (PZN) und einen deutschen Beipackzettel. Auch die Haftung ist dadurch geregelt.

Diese Sicherheit besteht nicht bei ungeprüften Präparaten aus dem Ausland. Hier liegt die Haftung beim Arzt. Die Zulassungsnummer ist den Angaben zufolge kostenpflichtig und zeitintensiv, daher werden Re-Importe auch illegal günstig verbreitet. Das deutsche Ärztenetz Gynakologie hat in den vergangenen Jahren mehrfach darauf hingewiesen, dass nur Präparate mit Zulassungsnummer verwendet werden dürfen.

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