Neues Wahlgesetz schließt große Parlamente nicht aus: Landtag XXL

CDU, SPD und FDP in Kiel einigen sich auf das neue Wahlgesetz. Die Neuwahl ist für den 6. Mai 2012 geplant. Die kleineren Oppositionsparteien kritisieren, dass große Parlamente nicht ausgeschlossen werden.

Könnte bald verfassungskonform gewählt sein: Der schleswig-holsteinische Landtag in Kiel. Bild: dpa

KIEL taz | "Wir schnitzen uns ein neues Wahlgesetz", hieß das kniffelige Geduldsspiel, das die Abgeordneten des Kieler Landtags in den vergangenen Monaten in Atem hielt, nachdem das Landesverfassungsgericht das bisherige Gesetz für unrechtmäßig erklärte.

Nun haben sich die Regierungsfraktionen CDU und FDP mit der SPD auf einen Kompromiss geeinigt, und damit kann zumindest einer tief Luft holen: Landtagspräsident Torsten Geerdts (CDU), der die Verhandlungsrunden auf offener Bühne und hinter geschlossenen Türen moderieren musste.

Er sei "sehr zufrieden" mit dem Ergebnis, sagte Geerdts und betonte, dass Politik in zwei Punkten sogar schneller gewesen sei, als das Gericht verlangt hatte.

Der Kompromiss zum Wahlgesetz, auf den sich CDU, FDP und SPD in Schleswig-Holstein einigten, sieht folgende Kernpunkte vor:

Das Land wird in 35 statt bisher 40 Wahlkreise aufgeteilt.

Der Landtag soll sich aus 35 direkt gewählten und 34 über die Parteilisten bestimmten Abgeordneten zusammensetzen.

Angestrebt wird ein Landtag mit 69 Abgeordneten, aber diese Sollzahl steht nicht mehr in der Verfassung, nur noch im Wahlgesetz.

Ausgezählt wird nach dem Verfahren Sainte-Laguë/Schepers statt wie bisher dHondt.

Jeder Wahlberechtigte verfügt weiterhin über zwei Stimmen.

Alle Überhangmandate werden ausgeglichen.

So liegt der Wahlgesetzentwurf bereits jetzt vor und soll noch im März beschlossen werden. Als Wahltermin bestimmten die drei Parteien den 6. Mai 2012. Als letztmögliches Datum hatte das Gericht Ende 2012 erlaubt, diesen Termin hatte die schwarz-gelbe Regierung bisher angepeilt. Die SPD wollte ursprünglich wie die übrigen Oppositionsparteien deutlich früher wählen.

Während das schwarz-rot-gelbe Zweckbündnis den Entwurf lobte, gab es Kritik der drei kleinen Oppositionsparteien: "Schwarz-Gelb und die SPD haben eine Lösung gesucht, die vor allem den Interessen der großen Parteien dient", sagte Anke Spoorendonk (SSW). "Sie nehmen dafür in Kauf, dass der Landtag regelmäßig größer wird als vorgesehen."

Torsten Fürter, Innen- und Rechtsexperte der Grünen-Fraktion, schloss sich an: "Auch mit diesem Wahlgesetz kann der Landtag wieder aus allen Nähten platzen." Die Fraktion der Linken kritisiert, CDU, FDP und SPD hätten den Kompromiss bei einer "Nacht-und-Nebel-Aktion im Alleingang beschlossen". Alle drei Fraktionen kündigten an, gegen das neue Wahlgesetz stimmen.

Haupt-Ärgernis für die kleinen Parteien ist, dass CDU, FDP und SPD die Sollzahl der Sitze im Parlament aus der Verfassung streichen wollen. Angestrebt werden zwar wie bisher 69 Abgeordnete, von denen im Idealfall 35 direkt gewählt werden und 34 über die Listen einziehen.

Diese Zahl steht aber nur noch im Wahlgesetz - deutlich größere Landtage sind daher möglich. Grüne und SSW hatten daher 27 Wahlkreise gefordert, um die denkbare Zahl der Überhangmandate und damit der zusätzlichen Sitze einzuschränken.

Nach dem neuen Verfahren hätten sich bei der Landtagswahl im Herbst 2008 insgesamt 89 Sitze ergeben, berechnet Fürter: Sechs weniger als zurzeit, aber immerhin 20 mehr als die Verfassung vorsieht.

Für positiv halten er und Spoorendonk, dass künftig nach dem System Sainte-Laguë/Schepers statt wie bisher dHondt ausgezählt wird, außerdem bleibt das Zwei-Stimmen-Wahlrecht erhalten und Überhangmandate werden vollständig ausgeglichen. Alle diese Punkte kommen eher den kleineren Parteien zugute.

Als "fair und demokratietheoretisch nicht zu beanstanden" bewertet der Politikwissenschaftler Joachim Behnke von der "Zeppelin University" in Friedrichshafen den Kompromiss. Er gehörte zu den Experten, die im Februar vom Landtag befragt wurden und wie seine Kollegen allen bis dahin vorgelegten Entwürfen schlechte Noten erteilte.

Jetzt ist er zufriedener: "Entscheidend ist der volle Ausgleich von Überhangmandaten", sagte er der taz. Auch den Wechsel zum anderen Zählverfahren begrüßte er. Dass die Sollgröße des Landtags nun im Wahlgesetz und nicht mehr in der Verfassung steht, findet Behnke unproblematisch.

Allerdings sei die Lösung des Wahlrechtsproblems insgesamt "teurer als sie sein müsste", weil der Landtag durch das neue Wahlrecht wahrscheinlich größer werde als vorgesehen. Damit werde vermutlich "systematisch" gegen die Sollgröße verstoßen.

Michael Sibbe vom Verein "Mehr Demokratie Schleswig-Holstein" erklärte, er habe den Vorschlag "mit Bestürzung" zur Kenntnis genommen: "Das ist ein minimaler Konsens." Sibbe hätte sich mehr Mitbestimmungsrecht für die Bevölkerung gewünscht.

Am Mittwoch stimmten im Innen- und Rechtsausschuss des Landtages erwartungsgemäß die Vertreter von CDU, FDP und SPD für den "Kompromiss, der eben auch nur ein Kompromiss sein konnte", so CDU-Innenexperte Werner Kalinka. Die breite Mehrheit im Parlament sei ein "gutes, sachorientiertes Signal".

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