Neues Magazin: Lesben sind auch nur Hipster

„Libertine“ ist eine neue Zeitschrift für Lesben. Inzwischen eine von vielen auf dem Zeitschriftenmarkt. Doch deren Qualität variiert.

Screenshot der Homepage von Libertine

Auch im Netz verfügbar: „Libertine“ Screenshot: libertine-mag.com

Die Auswahl in Sachen Lesben- und alternative Frauen*magazine wird größer. Neben L-Mag, Missy Magazin und dem 2015 auf den Markt gekommenen Straight, ist Libertine – In Love With Women getreten, das zum Jahreswechsel debutierte und als e-paper auch auf Englisch verfügbar ist.

Libertin – in der französisch geprägten Kultur- und Literaturgeschichte ist das eine Bezeichnung für Freigeister, Dandys und Hedonisten. Neben der Freiheit, anders zu denken, implizierte der Begriff „Libertinismus“ - ähnlich wie „queer“ – auch eine aussschweifende Sexualität, die sich gängigen Moralvorstellungen widersetzte. Ein Label, das im Frankreich des 17. Jahrhundert dazu diente, Schriftsteller wegen der Inhalte ihrer Werke oder ihrer Lebensweise zu diskreditieren. Das Genre des roman libertine schließlich zelebrierte den Gebrauch aller menschlichen Sinnesfreuden, allen voran der Erotik.

Das Libertine Magazin bewegt sich dem Namen entsprechend zwischen hedonistischem Flair und gesellschaftspolitischen Beiträgen und nimmt sich die Freiheit, sich nicht zwischen Lifestyle und Kulturkritik zu entscheiden. Das geht zum Teil gut, führt aber auch dazu, dass Superfood-PR auf feministische Kunstprojekte trifft und so an mancher Stelle der von einer Yoga-Expertin kritisierte Selbstoptimierungszwang durch die Hintertür wieder zwischen die Zeilen tritt. Lesben sind eben auch nur Hipster.

Als Zielgruppe nennt Chefredakteurin Juliane Rump Frauen, die sich für Frauen begeistern, ob sexuell oder solidarisch, ist dabei zweitrangig.

Lesbische Traumhochzeit statt Herrschaftsanalyse

Somit ist das Blatt dem Missy Magazin scheinbar näher als dem L-Mag, das bereits einen festen identitätspolitischen Platz auf dem Markt einnimmt und als „führendes Magazin für lesbische Frauen im deutschsprachigen Raum“ für sich wirbt.

Vom Magazin Straight unterscheidet sich Libertine deutlich. Straight, das „andere Perspektiven lesbischer und queerer Lebensweisen“ abbilden will, sich als Magazin für Femmes bezeichnet, aber als lesbische Cosmopolitan daher kommt, entleert den Femme-Begriff seiner genderpolitischen Machtkritik wie ihn zum Beispiel die Anthologie „Brazen Femme“ von Chloë Brushwood Rose und Anna Camilleri Anfang der 2000er formulierte. Queer muss in Straight dementsprechend als Modebegriff herhalten. Statt Herrschaftsanalyse finden sich in der aktuellen Doppelausgabe Porträts von Immobilienmaklerinnen und Soldatinnen, Werbung für die lesbische Traumhochzeit auf Mallorca und der Tipp zum Verzicht auf ein zu tiefes Dekolletee im Berufsleben. Mach die Bluse zu, dann klappt es auch mit dem lesbischen Erfolg in Führungspositionen. Die Ausführungen der Soziologin Paula-Irene Villa zu Geschlecht als kultureller Inszenierung sind zwischen den vielen Outfits für 1500 Euro und dem Hinweis zweier Schlafwissenschaftler, dass Übergewichtigkeit die Attraktivität schmälere, schnell vergessen.

Mainstream-Kritik? Nicht durchgängig

Mit dem Aufmacherthema „Freiheit!“ und einem Aufruf zum Querdenken wirkt Libertine da schon Mainstream-kritischer.

Der Beitrag „Muslimisch, Queer und Feministisch“ behandelt muslimische Queerness als Selbstverständlichkeit. Er kritisiert feministische Retter_innenkomplexe und journalistische Schlagzeilen-Hascherei gleich mit, die hier zu gerne ein Paradoxon konstruieren würden. Daneben wirkt die Foto- und Zitatstrecke „Ode an die Freiheit“, die zwei über das Berliner Tempelhofer Feld radelnde Models zeigt, merkwürdig apolitisch - sind doch gerade in westlichen Überlegenheitsdiskursen, die im oben erwähnten Beitrag dekonstruiert werden, die Begriffe „freie Welt“ und „Freiheit“ neben den der „Zivilisation“ getreten.

Auch im Reisebericht über einen Roadtrip durch Jamaika wird es unangenehm: „fröhliche Menschen wo man geht und steht“ werden da endlich an der Südküste zwischen „lässigen Kolonialbauten“ gefunden, „der Rest der Insel „dümpelt in Armut und Korruption dahin.“ Queerer Tourismus, das schrieb einmal die postkoloniale Gender-Theoretikerin Jasbir Puar ist nie unschuldig. Es drängt sich die Frage auf, ob es Reise(berichte) ohne Klassizismus und Happiness-Verklärung überhaupt geben kann. Und wieso das Genre so selten geopolitisch und kulturhistorisch hinterfragt wird.

Sternchen kann nur Missy

Auch mit der Homoehe wird eng gekuschelt. Die Fotografin Pepper Levine lässt im Interview dann aber doch noch die wahlfamiliären Korken knallen. Und das Team des Berliner Kunstprojektraumes Insitu stellt die Kunstfigur Jonny vor, die geschlechterpolitisch verordneten Regeln nicht brechen kann - weil sie gar nicht erst an Regeln glaubt. Vielleicht liegt hier auch die Antwort auf die „weibliche Sicht“, mit der Libertine auf die Gesellschaft blicken will - ohne sie weiter zu erklären.

Das mehr als zwei Geschlechter symbolisierende Sternchen, führt übrigens von allen erwähnten Magazinen nur die Missy im Schriftbild, die sich auch nicht ausschließlich an Lesben richtet, und dabei immer noch am „queersten“ daher kommt.

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