Neues Elektrogeräte-Gesetz: Mehr Wertstoff? Mehr Abfall?

Das neue Elektrogeräte-Gesetz will mehr Recycling, etwa für Computer oder Handys. Was gut gemeint ist, hat unerwünschte Nebenwirkungen.

Aussortierte Handys auf einem Haufen

Wohin mit dem Zeug? Foto: dpa

BERLIN taz | Es gibt eine entscheidende Sekunde im Leben eines Computerbildschirms: auf dem Wertstoffhof, vor dem Container. Landet er im Behälter eines Reparaturbetriebs? Dann bleibt er ein Monitor. Wird er in die Kiste eines Ersterfassers geworfen? Dann wird der Monitor zu Müll.

„Seit das neue Elektroschrott-Gesetz in Kraft ist“, sagt Claudio Vendramin, „werden noch mehr Elektrogeräte zu Abfall, und noch weniger werden repariert.“ Vendramin ist Vorstand des Verbands WIR, der sozialwirtschaftliche Reparatur- oder Recyclingzentren vertritt, etwa Behindertenwerkstätten oder Sozialkaufhäuser. Nur 0,5 bis 1 Prozent aller Elektrogeräte würden repariert und weiterverwendet, wenn ihr erster Besitzer sie nicht mehr haben will, so Vendramin. Das sei „umweltpolitisch großer Quatsch“.

Dabei hat das neue Elektro- und Elektronikgerätegesetz, das seit Oktober 2015 schrittweise umgesetzt und am Sonntag vollständig in Kraft tritt, genau dieses Ziel: den Schutz von Umwelt und Gesundheit durch hochwertiges Recycling.

Das Gesetz schreibt vor, dass „nur zertifizierte Erstbehandlungsanlagen“ den Schrott abholen dürfen. Betrieben wie Vendramins „Arbeitskreis Recycling“ aus Herford schnürt das die Rohstoffquelle ab. Rund 700.000 Tonnen Elektroaltgeräte fallen jährlich in Deutschland an, EU-weit sind es 9,4 Millionen Tonnen.

1,3 Millionen Tonnen werden exportiert

Nur ein Drittel dieser Menge wird ordnungsgemäß recycelt, ergab eine groß angelegte Untersuchung 2015 unter anderem von EU, Interpol und Vereinten Nationen. 65 Prozent enden laut dem „Countering WEEE Illegal Trade Summary Report“ außerhalb der „Kreislaufwirtschaft“.

Das kann es: Alles außer föhnen. Zum Kochen braucht es noch die Pfanne.

Das ist drin: 40 bis 50 verschiedene Materialien sind darunter, auch gut recycelbare wie Kupfer, Aluminium, Gold und Silber. Und schlecht recycelbare wie Gallium, Germanium und Tantal.

Da gehört es hin: Solange es noch funktioniert, kann man es weiternutzen, notfalls mit einem offenen Betriebssystem wie Cyanogenmod. Das bringt auch alte Telefone wieder in Schwung. Bei einem Defekt hilft mitunter eine Reparatur, zum Beispiel bei einem gesprungenen Display. Wenn nichts mehr hilft, lohnt es, nach Rücknahmeaktionen zum Beispiel von Mobilfunkanbietern Ausschau zu halten. Ansonsten nehmen auch hier Händler und Wertstoffhöfe alte Geräte entgegen. (sve)

Etwa 1,3 Millionen Tonnen werden exportiert. Sie landen oft auf den Müllkippen Afrikas und Asiens, wo sie unter miesen ökologischen und sozialen Bedingungen ausgeschlachtet werden. 4,5 Millionen Tonnen hingegen werden in Europa selbst illegal gehandelt oder unsachgemäß behandelt, in dem etwa weniger Metalle herausgelöst werden, als möglich wäre.

„Das neue Gesetz hat hier Verbesserungen gebracht“, sagt Christian Hagelüken von dem großen Materialtechnologie-und Recyclingkonzern Umicore, „gut ist die Situation aber noch nicht.“ Hersteller, Händler und Kommunen unterliegen erweiterten Berichtspflichten, was illegale Exporte erschweren soll. Außerdem wird es den Verbrauchern erleichtert, Geräte zurück zu geben. Das Ziel: Weniger Geräte landen im Hausmüll oder in Müllverbrennungsanlagen. Zahlen darüber, ob seit Oktober wirklich mehr Geräte abgegeben wurden, stehen aus.

„Der Gesetzgeber hat einiges getan“, sagt Hagelüken, „jetzt müssen die Akteure ran.“ Viele in der Branche sähen immer noch den Abfallentsorgungsaspekt im Vordergrund, das heißt, Geräte möglichst preisgünstig zu entsorgen und nicht, sie ressourcenschonend lange zu nutzen und dann möglichst vollständig wieder zu recyceln. „Ein echter Durchbruch wird erst dann erreicht, wenn auch in der Praxis mehr Wert auf die Qualität der Recyclingprozesse entlang der gesamten Kette gelegt wird“, sagt Hagelüken.

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