Neues Album der Berliner Band Fenster: Zwischen drinnen und draußen

Drei Herkunftsländer, ein Auftrag: Der Dreampop-Sound von Fenster mutet folkig-psychedelisch an und zeigt Willen zum Experiment.

Haben noch einen Koffer in Berlin: Fenster mit J.J. Weills, 2. von links. Bild: Promo

Treffen sich zwei Menschen aus pulsierenden, für Alltagsgetöse bekannten Metropolen, gründen eine Band und reduzieren den Sound aufs Nötigste. Eine alte, aber in Anbetracht allgegenwärtiger Reizüberflutung fast schon ironische Geschichte. Oder doch nur eine logische Entwicklung?

Die Rede ist von Fenster, einer Band, deren Namen bereits Anlass zu Rätseln gibt: Fenster, so ähnlich heißt doch das glatzköpfige Mitglied der Addams Family. Auch klingt der Name verdächtig nach „finster“, passend zur düsteren Atmosphäre, die auf „The Pink Caves“, dem zweiten Album der Band, nachklingt.

Der Bandname hat philosophisches Potenzial. Ein Fenster ist ein lebendiger Bilderrahmen, ein Tor zur Welt. Jenes Element, das das Scharnier zwischen dem privaten Drinnen und dem öffentlichen Draußen herstellt. Obwohl durchs Fenster viele Bilder transportiert werden, ist das Objekt selbst durchsichtig.

Fenster: „The Pink Caves“ (Morr Music/Indigo)

Live: 18.2. Köln "Studio 672"; 19. 2. Milla, München;

20. 2. Ostpol, Dresden;

22. 2. Schwuz, Berlin

Ein Fenster ist ein Visualisierungsmedium, wie ein Fernrohr, es funktioniert im geöffneten Zustand aber auch als Durchgang, wichtig für die Luftzirkulation.

Zwischenfall im Proberaum

Was das alles mit Fenster, dem in Berlin ansässigen Quartett zu tun hat, lüftet die Sängerin JJ Weihl in einem Interview: Während einer Probe zerbrach eines der Fenster im Übungsraum und fiel ihr auf den Schädel. Neben JJ Weihl, der New Yorkerin, spielen der Berliner Jonathan Jarzyna, Lucas Chantre und Rémi Letournelle aus Frankreich bei der Band. Gegründet haben sie sich 2010, zunächst ohne Chantre. Nach einigen Konzerten unter Bahnbrücken und in Galerien veröffentlichten Fenster 2012 ihr Debütalbum „Bones“. Ihre Musik bezeichnen sie als „dekonstruierten Pop“. Poppig sind besonders die Texte, dekonstruiert klingt eher die Musik.

Wie viel Geräusch ist für Popmusik überhaupt notwendig, wann ist weniger mehr? Akzentuiert, minimalistisch und atmosphärisch: Diese Adjektive werden nicht nur Fenster, sondern auch Künstlern wie The xx oder James Blake zugewiesen. Anders als diese verzichten Fenster auf die episch-pathetischen Emotionsexplosionen. Fenster arbeiten mit präzise gesetzten Pausen, sie dienen dazu, Kontraste zwischen Stille und Klang stärker betonen.

So ganz genau in ein Schema einordnen lassen sich Fenster nicht. Ihre Gitarrenmelodien klingen psychedelisch, die Drums sind in den Hintergrund gemischt, vorne liegen dagegen städtisch anmutende Fieldrecordings, Vögelgezwitscher und filigrane Glockensounds. Das Tempo ist eher getragen, von einem sturen Midtempo im Auftakt „Better Days“ bis hin zum schleppend-ruhigen „True Love“. Damit wird eine verträumte Gemütsruhe evoziert. Eher skurril klingen dagegen die psychedelischen Parts.

Warme Luft

Ein dynamischer Rhythmus erinnert in dem Song „Better Days“ an die schwedische Indiepop-Band Shout Out Louds, aber auch an den Einbruch von warmer Luft. Den Frühling ankündigen, das gelingt Fenster schon mit dem ersten Track ihres Albums. Es gibt den beständigen Bass und dezentes Gitarrenzupfen in den Strophen – nichts, was zu sehr ablenkt, dafür gibt es mehr Raum für den halligen Gesang, der die Atmosphäre perfektioniert.

So sehr die Stimmen von Weihl und Jarzyna miteinander harmonieren, sie bestechen auch einzeln. Beide legen eine sehr weiche, folkige Anmutung auf die Stimmen, seine geht weit in die Tiefe, meistert aber auch hohe Töne. Bei ruhigen Songs wie dem Finale „Creatures“ zeigt sich, wie stark und tief-vibrierend ihre Stimme sein kann. Die Gesangsmelodien erinnern stark an Garagenbands längst vergangener Dekaden.

Trotz, oder gerade wegen ihrer Hipster-Ästhetik und ihrem Willen zum Experiment schaffen es Fenster, auf verschiedenen Umlaufbahnen zu bestehen. Vom kunstaffinem MS Dockville Festival in Hamburg bis hin zur Riesenmesse SXSW im texanischen Austin fühlen sie sich überall heimisch und verleihen dem Geschehen eine psychedelische Note.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.