Neuer Trainer erfrischt Hannover 96: Mit breiter Brust

Trainer André Breitenreiter hat in seinem ersten Heimspiel mit Hannover 96 viel richtig gemacht. Und die Mannschaft freut sich über neue Impulse

Im Siegerkreis: Trainer Breitenreiter (Mitte) feiert mit Hannover 96 den Sieg gegen Union Berlin Foto: Peter Steffen/dpa

Nach dem Abpfiff, als der mediale Teil seiner Arbeit anstand, zeigte sich dieser kleine feine Unterschied. André Breitenreiter ist zwar erst 43 Jahre alt, aber schon ganz schön erfahren in der berufsbedingten Schauspielerei. Der neue Trainer von Hannover 96 erledigt seine Auftritte vor den Fernsehkameras, Mikrofonen und Notizblöcken deutlich eleganter als sein entlassener Vorgänger Daniel Stendel. „Ein kleiner Rucksack ist den Jungs von den Schultern gefallen“, sagte Breitenreiter. Der Mann spricht in Bildern, redet gerne, lächelt kritische Nachfragen gekonnt weg und hat in seinem ersten Heimspiel mit Hannover viel richtig gemacht. Tabellenführer Union Berlin mit 2:0 (0:0) besiegt, die Stimmung deutlich verbessert: Was Breitenreiter unter dem Strich ehrt, wird Stendel nach seinem Scheitern irgendwie auch ärgern.

Dieser Moment, als sich der Held des Tages nach seiner Auswechselung vom Trainer des Tages in die Arme nehmen ließ, hatte fast schon etwas Kitschiges. Da kommt bei Hannover 96 mit Breitenreiter also ein neuer Cheftrainer ins Spiel und befördert Niclas Füllkrug vom Reservisten zum Stammspieler. Der Dank dafür: Füllkrug hatte einen Treffer (54. Minute) erzielt und ein weiteren per Eigentor durch Damir Kreilach (67.) erzwungen. Als er sich nach 79 Spielminuten vorzeitig zum Duschen verabschieden durfte, stand Breitenreiter als Vater des Erfolgs zum Abklatschen an der Außenlinie bereit. Füllkrug neben Torjäger Martin Harnik als zweiten Stürmer aufzustellen, ist kein taktischer Geniestreich. Aber man muss es sich eben trauen und machen. Die Personalie zeigte vor 49.000 Zuschauern Wirkung. „Ich habe das Vertrauen des Trainers bekommen und mich einfach gut gefühlt“, sagte Füllkrug mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Unter Stendel war der Stürmer zuletzt kaum noch zum Zug gekommen und, wenn überhaupt, erst sehr spät eingewechselt worden.

Ist das fies? Den neuen Trainer direkt mit dem davor zu vergleichen? Die Mehrheit der Profis von Hannover 96 findet es „nicht fair“, direkte Schlussfolgerungen aus einem Trainerwechsel zu ziehen, der auf den ersten Blick ganz schön riskant wirkt. Irgendjemand muss ihnen diese Vokabeln eingeflüstert haben, denn sie fielen verdächtig häufig. So oder so bleiben Breitenreiter nur acht Spieltage, um Hannover 96 so gut zu machen, dass der direkte Wiederaufstieg in die 1. Fußball-Bundesliga auch gelingt. „Er sorgt für neue Impulse“, sagt Harnik. Der beste Stürmer von Hannover 96 hat sich als Meinungsführer einer Mannschaft etabliert, die auch gegen Union lange Zeit verkrampft gespielt hat, um dann doch noch zu einem verdienten Sieg zu kommen. Mit Breitenreiter ist etwas anders und besser als unter Stendel geworden. Was genau das ist und ob es nachhaltig gelingt, wird am Dienstag (17.30 Uhr) im nächsten Heimspiel gegen den 1. FC Nürnberg weiter erforscht werden.

Für Breitenreiter spricht, wofür auch Stendel bei seiner Einstellung im Juli 2016 gelobt worden ist. Er bringt als früherer 96-Spieler viel Stallgeruch mit und lebt in der Region Hannover. Wo immer Breitenreiter in diesen Tagen auftaucht: Er wird beglückwünscht, geherzt und wie eine Art Messias des Aufstiegsrennen empfangen. „Ich musste so viele Selfies machen wie noch nie“, sagte der neue Hoffnungsträger, nachdem er vor Kurzem ein Juniorenspiel seines Sohnes besucht hatte. Bringt Breitenreiter Hannover 96 wirklich noch als Erster und Zweiter über die Ziellinie der Saison, dann liegt ihm eine ganze Stadt zu Füßen. Die Gefahr eines Scheiterns ist offiziell kein Thema für ihn. Im Juni vergangenen Jahres war er beim Erstligisten Schalke 04 aussortiert worden und kleinlaut abgetreten. In seiner Heimatstadt Hannover geht Breitenreiter nun mit breiter Brust voran. In dem Kreis, den seine Mannschaft nach dem wichtigen Sieg gegen Spitzenreiter Berlin auf dem Spielfeld zu bilden hatte, sah man ihn leidenschaftlich argumentieren und gestikulieren. Es ließ sich nach dem Schlusspfiff nicht leugnen, dass dieser Mann in Hannover etwas Neues entfacht.

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