Neue Regionalwährung in der Schweiz: Bunt, lokal – und vernachlässigbar?

Eine Schweizer Parallelwährung will die lokale und ökologische Produktion ankurbeln. Die Effekte solcher Währungen sind meist nicht messbar.

Bunte Geldscheine liegen auf einem Tisch

Wie wirken sie sich auf lokale Wirtschaftskreisläufe aus? Bunte Farinet-Scheine Foto: Promo

BERLIN taz | Joseph-Samuel Farinet ist im schweizerischen Wallis eine Legende. Der Schmuggler fälschte im 19. Jahrhundert massenweise Münzen, sogenannte Farinets. Seit einigen Wochen gibt es im Bergkanton nun wieder Farinets – diesmal als legales, alternatives Zahlungsmittel. Mit den frisch gedruckten Scheinen soll die lokal nachhaltige Wirtschaft im Bergkanton gefördert werden.

KundInnen können bei rund hundert AnbieterInnen mit den farbigen Scheinen einkaufen. Dazu gehören Cafés, Restaurants, Lebensmittelgeschäfte, Taxis, Therapeuten und eine Biogärtnerei. Hinter dem Projekt steht die für alle offenstehende und sich selbst finanzierende Genossenschaft Le Farinet.

Diese hat Scheine im Wert von 500.000 Farinets drucken lassen, die in der eigenen Wechselstube gegen Schweizer Franken umgetauscht werden können – ein Farinet entspricht dabei einem Franken. „Das Projekt ist überraschend gut gestartet“, sagt die Sprecherin der Vereinigung Cathy Berthouzoz der taz. „Bereits in den ersten drei Stunden wurden über 19.000 Farinets getauscht.“

Weltweit gibt es mehrere hundert Lokalwährungen. Die größte in Deutschland ist der Chiemgauer mit rund 600 teilnehmenden Unternehmen. Die Grundidee ist jeweils dieselbe: Die regionale Wirtschaft umweltbewusst und ethisch ankurbeln, indem das Geld und somit die Wertschöpfung in der Region bleibt.

„Wer Farinets in Franken zurücktauschen will, bezahlt eine fünfprozentige Gebühr“, sagt Berthouzoz. Auch Chiemgauer können nur kostenpflichtig in Euros umgetauscht werden, sagt Chiemgauer-Gründer Christian Gelleri und fügt an: „Dadurch entstehen neue, lokal verknüpfte Lieferbeziehungen.“ Entscheidend dabei sei die Bewusstseinsbildung, denn jeder Einkauf mit einer Lokalwährung würde fünf bis zehn Gespräche über den Sinn lokaler Produktion zur Folge haben, sagt Gelleri.

Privatclub mit Geldscheinen

Ob die regionale Wirtschaft dank Lokalwährungen tatsächlich wächst, können Untersuchungen jedoch nicht feststellen, sagt Cédric Tille, Finanz­experte am Hochschulinstitut für internationale Studien und Entwicklung IHEID in Genf. „Die zirkulierenden Geldbeträge sind derart klein, dass keine Studie die Auswirkungen nachweisen kann“, sagt er.

Tille ist überzeugt, dass Lokalwährungen wie der Farinet keinen Einfluss auf die lokale Wirtschaftskraft haben. „Diejenigen, die Farinets benutzen, haben schon vorher lokal eingekauft.“ Neue Geldscheine würden keine Anreize für regionale Produkte schaffen: „Der Farinet ändert nichts am Portemonnaie der KundInnen und entwickelt somit die Lokalwirtschaft nicht.“ Oftmals könnten sich KäuferInnen die teureren Lokalprodukte nämlich schlicht nicht leisten.

Generell bezweifelt Tille, dass Lokalwährungen durch regionale Handelsbeziehungen das verlorene Vertrauen in die Wirtschaft wieder aufbauen können: „Regionalwährungen verpflichten niemanden, seine Produk­tions­weise zu ändern, und somit wird auch weiterhin auf den Märkten spekuliert.“ Bis zum Eintreffen des höchst unrealistischen Falls, dass der Farinet zur offiziellen und somit kantonal verbindlichen Währung wird, blieben Lokalwährungen wie der Farinet Privatclubs, sagt Tille. Mit Geldscheinen anstatt Mitgliedskarten.

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