Neue EU-Kommission: Junckers Träumerteam wackelt

Das EU-Parlament ist mit den Kommissionskandidaten nicht zufrieden. Es wäre zu peinlich, den Briten Jonathan Hill einfach durchzuwinken.

Ob man sich diesen Mann – Jonathan Hill – wirklich merken muss, ist noch nicht raus. Bild: reuters

BRÜSSEL taz | Ein Totalausfall und immer noch mehrere Wackelkandidaten: Auch am offiziell letzten Tag der Anhörungen im Europaparlament konnte die neue EU-Kommission nicht alle Zweifel ausräumen.

Kommissionschef Jean-Claude Juncker werde sein „Dreamteam“ umbauen müssen, um sich doch noch das grüne Licht des Parlaments zu sichern, sagten mehrere EU-Abgeordnete. Zuvor war der Ungar Tibor Navracsics im Kulturausschuss durchgefallen. Kritik gab es auch an vagen Aussagen zur Wirtschaftspolitik.

Juncker hatte ein 300 Milliarden Euro schweres Investitionsprogramm versprochen, um die schwächelnde und von Deflation bedrohte Wirtschaft in der EU anzukurbeln. Doch der zuständige neue Vizepräsident Jyrki Katainen konnte nicht erklären, wo das Geld herkommen soll. Man wolle keine neue Schulden aufnehmen, beteuerte der ehemalige finnische Regierungschef. Junckers umstrittenen Plan, einen Teil der Summe aus dem Eurorettungsfonds ESM zu nehmen, erwähnte er nicht.

Genauso vage blieb der designierte Finanzmarktkommissar Jonathan Hill. Der Brite, der wegen Zweifel an seiner Eignung bereits zum zweiten Mal Rede und Antwort stehen musste, lieferte keine Definition der neuen Kapitalmarkt-Union, die Juncker auf den Weg bringen will. Hill wich auch erneut auf Fragen nach seiner Connection in die Londoner City aus. Die früher sehr innigen Geschäftskontakte habe er vor fünf Jahren aufgegeben.

Auch nach doppeltem Grillen keine Antwort

Auf massive Skepsis stößt auch Alenka Bratusek, die als Vizepräsidentin für Energiepolitik zuständig sein soll. Auch die Slowenin konnte nicht erklären, wie die geplante neue Energie-Union - die die Abhängigkeit der EU von russischem Gas beenden soll - funktionieren soll. Den Emissionshandel, eine zentrale Säule der EU-Klimapolitik, erwähnte sie nur am Rande. Den Vorwurf, sie habe sich als ehemalige Ministerpräsidentin selbst für das neue EU-Amt nominiert, konnte sie nicht entkräften.

Mit Bratuseks Auftritt sei „der Tiefpunkt der Anhörungen“ erreicht, kritisierte der SPD-Abgeordnete Matthias Groote. Doch es ging noch tiefer: Der Kulturausschuss ließ den designierten Kulturkommissar Navracsics durchfallen. Der Mann, der in Ungarn mehrere regierungskritische Nichtregierungsorganisationen geschlossen hatte, soll nun eine neue Aufgabe erhalten. Doch welche?

Eine Versetzung ist nur möglich, wenn noch ein anderer Kommissarsanwärter seinen Posten räumt. Wackelkandidaten gibt es genug - aber einer Neubesetzung muss auch das EU-Land zustimmen, aus dem ein Kandidat kommt. Zudem ist es durchaus möglich, dass das Parlament einzelne Bewerber komplett ablehnt - die Entscheidung steht noch aus.

Nur die Linke hat sich schon festgelegt: Sie lehnt Hill und Katainen ab und fordert eine Kampfabstimmung. „Die Sozialdemokratie muss nun entscheiden, ob sie Europa mit einem Kommissar der City of London und einem Anwalt der Depression aus der Krise führen möchte“, so der Abgeordnete Fabio De Masi. Er spielt damit auf die Große Koalition im Parlament an, die Juncker bisher stützt, sein „Dreamteam“ aber auch durcheinander wirbeln könnte.

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